Der wahrscheinliche Tod von 400 Migranten vor der libyschen Küste, der die deutsche Öffentlichkeit mal wieder an eine menschliche Katastrophe am Rande er EU erinnert hat, war für die meisten italienischen Medien keine Top-Nachricht. Wichtiger war den Redaktionen die Debatte über 6.500 zusätzliche Schlafplätze, die das italienische Innenministerium in aller Eile einrichten muss, um allen Asylsuchenden eine Unterbringung zu sichern.
Ähnlich wie beim "Notstandplan-Nordafrika" aus dem Jahr 2011 plant die Regierung derzeit vor allem, private Einrichtungen und Hotels zu Notunterkünften umzufunktionieren. Für einen Eklat sorgte dabei der Chef der xenophoben Partei Lega Nord, Matteo Salvini, der damit drohte, mit seinen Anhängern die Unterkünfte zu besetzen, um die Unterbringung weiterer von ihm so genannter "Scheinasylanten" zu verhindern.
Etwa 64.600 Menschen haben im vergangenen Jahr einen Asylantrag in Italien gestellt. Das ist mehr als doppelt so viel wie 2013. Italien ist somit zum drittwichtigsten Aufnahmeland Europas nach Deutschland und Schweden geworden.
Mehr als die Hälfte davon sind in den armen südlichen Regionen untergebracht. Trotzdem sind es vor allem die nördlichen Regionen Lombardei und Venetien – beide von der Lega Nord regiert – die sich gegen den Ausbau der Kapazitäten wehren. Und das, obwohl nach den Plänen des Migrationsdezernats des Innenministeriums in jeder Region nicht mehr als 700 zusätzliche Plätze eingerichtet werden sollen.
Trotz des Widerstands der nördlichen Regionen ist das italienische Aufnahmesystem in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Gab es bis 2011 noch rund 3.000 Plätze in den offiziellen Flüchtlingsheimen, liegt diese Zahl derzeit bei 22.000. Die Zahl der in Italien lebenden Asylbewerber ist allerdings dreimal so hoch. Denn die Hälfte davon lebt in Notunterkünften wie Hotels, Kasernen oder privaten Einrichtungen.
35 Euro pro Tag zahlt das Innenministerium im Durchschnitt pro Asylbewerber den Betreibern dieser Notunterkünfte. Das führt zu einem Ausbeutungssystem, in dem die Betreiber die Kosten für die Versorgung der Asylsuchenden niedrig halten, um einen höheren Umsatz zu erzielen, meldete kürzlich der Präsident des Italian Consortium of Solidarity, Gianfranco Schiavone. Vor diesem Hintergrund hat die italienische Regierung Ende März eine Sonderkommission einberufen, um die Situation in den Aufnahmeeinrichtungen zu untersuchen und ein neues Aufnahmesystem für Flüchtlinge zu erarbeiten. Diese könnte allerdings zu spät kommen.
Denn auf der zentralen Mittelmeerroute der Flüchtlinge, die aus Nordafrika nach Italien führt, ist bereits viel los, wie die aktuelle Meldung über die 400 Vermissten wieder einmal zeigt. Rund 10.000 Menschen sind seit Anfang des Jahres über diese Route ins Land gekommen. Und im Februar 2015 meldete die Grenzschutzagentur Frontex, dass wegen der angespannten Situation in Ägypten und Libyen die Zahl der Menschen, die aus Nordafrika über das Mittelmeer nach Europa kommen, in den nächsten Monaten deutlich steigen wird.
Kommentare
War zu erwarten...
...wenn jetzt jemand in der Politik laut heulen sollte, kann ich das nicht nachvollziehen. Die Flüchtlingsfrage hätte vor Jahren schon ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt gehört. De facto haben wir es mit einer modernen Völkerwanderung zu tun, die noch heftige Turbulenzen bereit halten könnte (sehr wahrscheinlich).
Es geht doch nur um Menschen, nicht um Banken
Zur Rettung der Banken trifft sich die High-society von Europa gerne und oft und da werden auch schnell mal zig-Mrd Euro lockergemacht.
In den südlichen Ländern der EU standen schließlich auch nur die Banken im Vordergrund, die Abermillionen jungen Arbeitslosen wurden einfach als Kolateralschaden abgetan.
Hier geht es aber erneut nur um Menschen, dafür fühlt man sich irgendwie nicht zuständig, oder ist da bei mir ein falscher Eindruck entstanden?
Richtig
Menschen scheinen irgendwie für viele das eigentliche Problem zu sein, denn wenn die Zugfögel von Afrika zurückkommen werden sie nicht nur nicht kontrolliert und festgehalten sondern geschützt.
Vögle sind also mehr wert als Menschen.
Es ist andersherum: Italien lässt Europa im Stich, denn
kaum ein Land nimmt per capita so WENIGE Fluechtilinge auf wie Italien. Viele Flüchtlinge landen dort zwar an, werden dann aber direkt in den Zug Richtung Nordeuropa geschickt.
http://www.welt.de/politi...
Kaum ein anderes Land?
Wenn es um die EU geht, dann nimmt Italien zurzeit die drittmeisten Flüchtlinge auf. In ihrer Quelle war Italien noch das Land, das die viertmeisten Flüchtlinge aufgenommen hat. (Von 27)
Im übrigen, bevor die große Jamerei los geht, dass Deutschland doch sooooo viele Flüchtlinge aufnimmt, sollte man auf Länder schauen, die das wirklich tun. http://de.statista.com/st... Und die haben noch nicht einmal im entferntesten unseren Wohlstand.
Italien hat sich einen Dreck
um bestehende Vereinbarungen geschert. Flüchtlinge werden in derart unwürdigen Verhältnissen gelassen, dass eine Rückführung aus Deutschland rechtlich nicht möglich ist.
Was heisst also hier "Europa läßt Italien im Stch"?
Italien hat sich bislang auf Kosten Deutschlnands des Problems entledigt.
Belege...
"dass eine Rückführung aus Deutschland rechtlich nicht möglich ist."
... dafür? Oder wieder mal nur heiße Luft?