Russland sucht nach einem Ersatz für die Partnerschaft mit dem Westen, die wegen der Ukraine auf Jahre belastet sein wird. Ist mit China eine Modernisierungspartnerschaft wie mit der Europäischen Union möglich, die auch strategischen Interessen dient? Man möchte Russland Glück wünschen beim Aufbau einer alternativen Allianz mit einem wirtschaftsstarken Äquivalent zur EU. Doch wie stabil wäre eine chinesisch-russische Entente? Drei wesentliche Probleme zeichnen sich ab.
1. Ökonomische Schwäche führt zu Verlust an politischem Gewicht
Russlands Wirtschaft war im Vergleich zur chinesischen bereits vor der sogenannten Ukraine-Krise weniger potent. Doch das Kräfteverhältnis zwischen Russland und China im Jahre 2015 unterscheidet sich prinzipiell von dem vor zwei Jahren.
Russlands Industrie gerät derzeit in eine langwierige Rezession, während die Wirtschaft Chinas weiterhin wächst, wenn auch in geringerem Umfang als zuvor. Russland wendet sich immer mehr von seinen vormals wichtigen ökonomischen und politischen Verbindungen zum Westen ab. China hingegen knüpft neue internationale Beziehungen mit vielen Akteuren weltweit.
Diese gegenläufigen Entwicklungen vergrößern die Kluft zwischen den beiden mutmaßlichen Großmächten Eurasiens. Und sie verändern die weltweite Wahrnehmung ihrer verhältnismäßigen Stärke.
Zunehmend wird spürbar, dass Russland gegenüber dynamischen Schwellenländern an Gewicht verliert, denn seine Wirtschaftsprobleme nehmen ebenso zu wie seine internationale politische Isolation. Russlands Rückständigkeit wird sowohl im Vergleich zu westlichen Industriestaaten als auch im Vergleich zu nicht-westlichen neuen Märkten immer deutlicher.
Russland wird zu einem Akteur zweiten Ranges – nicht nur in Europa, sondern auch in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ mit China, Russland und Zentralasien) und in der Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika). Eine solche Rolle ist die Moskauer Elite nicht gewöhnt. China wiederum wird Russlands Abkehr vom Westen zu seinem Vorteil nutzen und Handels- und Investitionslücken füllen. Doch China wird immer weniger Gründe haben, Russland als geopolitisch gleichrangigen und strategisch entscheidenden Verbündeten zu behandeln.
2. Asiatisches Zweckbündnis versus europäisches Projekt
Der Westen als Ganzes und die EU als dessen Teil sind politische Gebilde sozialökonomisch verschiedener, aber kulturell und historisch verbundener Staaten. Und die Russische Föderation ist seit 1991 mehr oder weniger konstant in den Westen integriert worden. Unter Jelzins Präsidentschaft trat Russland dem Europarat und der G 8 bei, unterzeichnete eine Grundakte mit der Nato und schloss ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU. Unter Putin trat Russland einem gemeinsamen Rat mit der Nato bei, vereinbarte mit der EU vier sogenannte gemeinsame Räume vertiefter Zusammenarbeit sowie Strategie- und Modernisierungspartnerschaften. Moskau verhandelte mit Brüssel über ein sogenanntes Neues Abkommen, das das alte Partnerschaftsabkommen ablösen würde. Die Russische Föderation wurde Mitglied der Welthandelsorganisation und Russlands Universitäten beteiligen sich am Bologna-Prozess. Nächste Schritte wären gewesen: Russlands Beitritt zur OECD und später die Unterzeichnung eines erweiterten Kooperationsabkommens zwischen Russland und der EU oder sogar eines Assoziierungsvertrages.
Hätte diese langsame und widersprüchliche Entwicklung, die dennoch substanziell war, angedauert, wäre ein EU- und Nato-assoziiertes Russland früher oder später fester Bestandteil der westlichen Gemeinschaft geworden. Dies hätte übereingestimmt mit einem Verständnis der russischen Kultur als Teil des paneuropäischen Kulturkreises, denn die russische Geschichte, Literatur, Wissenschaft und Politik sind eng mit der gesamteuropäischen verbunden. Russlands schrittweise Annäherung an den Westen wäre eine osteuropäische Wiederholung der langwierigen Integration des ehemals ebenfalls imperialistischen und antiwestlichen Deutschlands in die westliche Welt gewesen.
Kommentare
Ist der Autor etwa einer der Transatlantiker
Der uns die von US Interessen geleitete Außenpolitik schmackhaft machen will.
Wenn ich schon lese das Russland in westliche "Wertegemeinschaft" nach dem Vorbild Deutschlands nach 1945 integriert worden wäre. Dies ist einfach nur absurd. Deutschland war total besiegt, besetzt und zerstört.
China hat ein riesen Potential!
~10 Mio. km2, ~1,4 Mrd. Menschen, aufstrebende Nachbarländer,...
.
Zum Artikel:
"Man möchte Russland Glück wünschen beim Aufbau einer alternativen Allianz..."
Der Autor tut das wohl eher nicht.
"Russland wendet sich immer mehr von seinen vormals wichtigen ökonomischen und politischen Verbindungen zum Westen ab.China hingegen..."
In erster Linie wendet sich die EU von RU ab oder 'wird dazu gebracht'. Es ist vollkommen klar, dass man sich dann neuen Partnern zuwendet und angesichts des chin. Aufstiegs ist klar, dass auch die weltweit Partner suchen.
"...wäre ein EU- und Nato-assoziiertes Russland früher oder später fester Bestandteil der westlichen Gemeinschaft geworden. ..."
Was heißt 'assoziiert' in dem Fall?
"Doch ausländische Direktinvestitionen haben in den letzten Monaten abgenommen, das Handelsvolumen hat sich verringert und wird weiter sinken..."
Das ist nicht 'einfach so passiert'.
"...als Teil einer erfolgreichen antiwestlichen Neudefinition Russlands ..."
Kann man die momentane westliche/europäische/deutsche/... Position dann eigentlich auch als 'anti-russisch' bezeichnen?
"...russische Rassismus .....Das problematische Verhältnis vieler Russen zu nicht-slawischen..."
Gibts hier auch. Man denke z.B. an den Islam. Auf Asiaten blickt man 'im Westen' auch herab. Ob die USA auf Europa eine Atombombe geworfen hätten, wenn es nicht wirklich unbedingt nötig gewesen wäre? Zur Sicht auf Afrika braucht man auch nichts sagen; zumal bei der Vergangenheit der EU.
Hab wieder was verpasst scheinbar
"..denn seine Wirtschaftsprobleme nehmen ebenso zu wie seine internationale politische Isolation."
Eigentlich ist beides aktuell Rückläufig, aber was soll es.
Die Artikel von Herrn Umland gehen ja zumeist in die Richtung.
Das übliche Geschwätz
Wer schwafelt denn eigentlich ständig etwas von einer "Isolation" Russlands?
Ist das eine Durchhalteparole, die uns signalisieren soll, dass unsere Politik siegreich ist?
Um die Atlantiker mal auf den Boden zurück zu holen: Russlands Partner stellen 2/3 der Weltbevölkerung.
Brasilien, Indien, China und Teile Südafrikas. Isolation sieht anders aus.
Es ist halt das übliche
Gerede von Leuten, die sich selbst zu wichtig nehmen.
Da isoliert man sich selbst und behauptet, andere würden sich isolieren. Da man im eigenen Denken ja der Nabel der Welt ist, kann es auch nicht anders sein.
Vorm geistigen Auge sehe ich den letzten Europäer mit erhobener Faust schreiend "Die ganze Welt hat sich isoliert."
Nun ja, streckenweise waren sich in der ...
... europäischen Geschichte Deutschland und Russland streckenweise sehr nah.
Wenn D und Rus sich jetzt voneinander entfernen, liegt der Hauptgrund sicher neben Russlands etwas aggressiver Aussenpolitik hauptsächlich in der Ausführung der NATO- und US-Wünsche durch Deutschland.
Wenn Deutschland also den nahen Kontakt zu Russland behalten möchte, könnte es, wenn es nur wollte.
Bitte ein "streckenweise"...
.. streichen, lieber Leser. Sorry.