Nach der Einigung auf ein Reformpaket beim EU-Gipfel in Brüssel hat David Cameron das Datum für das Brexit-Referendum bekannt gegeben. Am 23. Juni sollen die Briten über ein mögliches Ausscheiden aus der
Europäischen Union abstimmen. Das Datum gab Cameron bekannt, nachdem sich auch sein Kabinett für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hatte.
The Cabinet has agreed to recommend that the UK remains in a reformed European Union. I will be making a referendum announcement shortly.
— David Cameron (@David_Cameron) 20. Februar 2016
Cameron lobte
die erreichte Einigung mit den 27
EU-Partnerländern. Zu den britischen Bürgern sagte er, das Schicksal der
Nation liege nun in deren Händen. Er selbst hatte am Freitag nach der
Einigung erklärt, er werde sich nun mit Herz und Seele für ein "Ja" für
einen Verbleib in der EU einsetzen. Er habe von den anderen EU-Ländern
die von ihm angestrebten Zugeständnisse erhalten.
Vertreter der deutschen Wirtschaft äußerten sich besorgt über einen möglichen EU-Austritt Großbritanniens. "Ein Brexit wäre der Schneeball, der eine Lawine in Gang setzen kann", sagte der Präsident der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er erwarte für diesen Fall "eine spürbare Erosion der europäischen Einheit".
Kein "europäischer Superstaat"
Durch das neue Brüsseler Reformpaket soll das britische Sozialsystem mehr Schutz vor ungerechtfertigten Ansprüchen durch EU-Migranten bekommen, sagte Cameron. Das Königreich werde dank der Einigung kein Teil eines "europäischen Superstaates". Der Deal erlaube Großbritannien, am Rande der Europäischen Union zu stehen, wenn andere Nationen eine engere Gemeinschaft anstrebten. Außerdem werde sich Großbritannien niemals der Eurozone anschließen.
Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, schrieb auf Twitter, es habe eine einstimmige Unterstützung für das neue Abkommen gegeben. Estlands Regierungschef Taavi Roivas sagte: "Ich glaube wirklich, dass David nach Hause gehen und dem britischen Volk raten kann, Ja dazu zu sagen, in der EU zu sein." Sein dänischer Amtskollege Lars Løkke Rasmussen twitterte: "David Cameron hat hart für Großbritannien gekämpft. Guter Deal für das Vereinigte Königreich und die EU. Glückwünsche!" Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite sagte, es liege nun an den Briten, zu entscheiden.
I deeply believe the UK needs Europe and Europe needs the UK. But the final decision is in the hands of the British people.
— Donald Tusk (@eucopresident) 19. Februar 2016
Die größten Spannungen während der Verhandlung gab es um die von Großbritannien gewünschte Einschränkung von Sozialleistungen an EU-Migranten. Vor allem die osteuropäischen Länder waren dagegen, da die meisten dieser Migranten aus ihren Ländern stammen. Nun wurde beschlossen, dass frisch nach Großbritannien kommende Arbeitnehmer aus der EU vier Jahre warten müssen, bis sie Sozialleistungen wie Steuergutschriften oder Kindergeld bekommen. Diese Befreiung gilt für Großbritannien sieben Jahre, Cameron hatte 13 Jahre angestrebt.
Darüber
hinaus muss sich Großbritannien dem Bekenntnis einer immer enger
zusammenwachsenden Union nicht anschließen. Der neuen Einigung zufolge sollen Empfehlungen für eine immer engere Union für Großbritannien nicht gelten.
Angesichts des anstehenden Referendums haben die EU-Gegner in London Premierminister David Cameron attackiert. Die Vereinbarung sei "nicht das Papier wert, auf der sie geschrieben ist", sagte Nigel Farage von der rechtspopulistischen UKIP bei einer Veranstaltung von Brexit-Befürwortern in London.
Zugleich berichteten britische Medien, dass sich mindestens vier Minister gegen Cameron stellen und beim geplanten Referendum für einen EU-Austritt werben wollten. Darunter sei auch Justizminister Michael Gove, ein bisheriger enger Vertrauter Camerons. Bis zu einem Fünftel der Tory-Abgeordneten seien Brexit-Befürworter.
Auch der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn äußerte sich kritisch. Camerons Verhandlungen in Brüssel seien lediglich eine "theatralische Sideshow mit dem Ziel, seine Gegner in der konservativen Partei zu beruhigen", sagte Corbyn kurz vor dem Ende der Verhandlungen in Brüssel. Er werde sich aber für einen Verbleib in der Gemeinschaft einsetzen, fügte Corbyn hinzu.
Kommentare
Gegen den undemokratischen Superstaat. Aufgeklärte und nicht von Europa-Romantik vernebelte EU-Bürger sollten sich genauso deutlich gegen den Brüsseler Superstaat aussprechen wie die Briten. Eine bessere EU ist möglich.
Mannmannmann.. die EU ist mit Nichten ein "Superstaat". Die EU-Kommission wird gänzlich von den nationalen Regierungen bestimmt, das EU-Parlament hat da garkein Mitspracherecht. ALLE Gesetze die aus der EU kommen sind auf dem Mist der jeweiligen Nationalregierungen gewachsen. Man kann das "intransparent" nennen, aber undemokratisch ist es nicht, da sämtliche nationalen Regierungen demokratisch gewählt sind. Das ist als ob man den Bundesrat ein undemokratisches Konstrukt nennen würde.
Auch ist die EU längst nicht so mächtig wie Sie vielleicht denken. Das EU-Budget beträgt 3-5% des gesamten BIP der EU, was verschwindend gering ist, wenn man bedenkt was die Staatsquote in Ländern wie Deutschland, Frankreich etc. ist.
Also bitte hören Sie auf mit dem Gerede von "Superstaat", wenn wir wirklich MEILENWEIT davon entfernt sind. Auch muss man sich die Frage stellen, was denn jetzt so schlimm wäre an einem Superstaat, wenn er demokratisch organisiert wäre? Macht es wirklich einen so großen Unterschied, ob die Hofschranzen in Berlin oder Brüssel sitzen?
Am Ende wird bei den Briten die Angst vor dem Ausscheiden überwiegen.
Leider! Siehe hierzu auch bkkopp!
Europa ist keine Demokratie und jeder britische Demokrat muss zwangsläufig gegen diesen selbstherrlichen Staatenverbund stimmen.
Bis dahin wird man den Briten allerdings im medialen Dauerfeuer die Angst vor dem wirtschaftlichen Niedergang einprügeln und es steht zu befürchten, dass diese Atmosphäre der Angst zu einem Votum für Europa führt.
Und falls sie doch dagegen stimmen, kann man ja weitere Sonderregeln verhandeln und so lange abstimmen lassen, bis das Ergebnis stimmt. Das wäre ja nicht das erste Mal.
Trotzdem bleibt die vage Hoffnung, dass nun endlich das Ende des zentralistischen Einheitsbreis Europa eingeleitet ist und wir auf ein gesundes Verhältnis zwischen staatlicher Souveränität und europäischer Gemeinsamkeit zurück kommen.
naja,die Medien in GB sind überwiegend auch sehr EU-skeptisch,wenn man die linke Presse dort mal außer Acht lässt.
Die auflagenstärksten Zeitungen in Großbritannien titeln heute wiefolgt:
Daily Express..." Camerons Rückzieher"
Daily Mail: "... Nennst du das einen Deal,Dave? "
Londoner Times:.. .Cameron bringt dünnen Haferbrei heim "
Daily Telegraph Cameron habe nach dem Gipfel nur kümmerliche Gewinne zu
verbuchen
Dann gibt es noch ca. 5 Minister in der Cameron Regierung,die sich für einen Brexit aussprechen.
Cameron wird versuchen,den mageren Kompromiss als Erfolg zu verkaufen.
Jetzt muss man mal abwarten,was der populäre Londoner Oberbürgermeister ,Boris Johnson so aussagen wird.
Man munkelt ja,dass Cameron nach einem NEIN der Briten nicht mehr zu halten ist und Boris Johnson als sein Nachfolger gehandelt wird.
Fazit ist:In Großbritannien gibt es noch wirkliche kritische Medien,die diesen Kompromiss auseinander nehmen und nicht von einem tollen Erfolg reden,wie es in verschiedenen deutschen Medien verbreitet wird.
Der Ausgang des Referendums ist offen und es kann gut möglich sein,dass die Briten sich für einen Brexit entscheiden werden,da ja jeder auch weiß,dass dieser Kompromiss keinerlei rechtliche Bindung hat und von ungewählten Richtern am europäischen Gerichtshof wieder ausgehebelt werden kann,wie es in der Dailymail zu lesen war.
Ich tippe daher auf Mehrheit für BREXIT
>> Außerdem werde sich Großbritannien niemals der Eurozone anschließen. <<
Und exakt deshalb hätte man Cameron nie und nimmer ein Mitspracherecht bei Entscheidungen der Eurogruppe einräumen dürfen.
Nie ist in der Politik und im wirklichen Leben nie ein Nie.
..."hätte man Cameron nie und nimmer ein Mitspracherecht bei Entscheidungen der Eurogruppe einräumen dürfen." Hat man das? Muß ich überlesen haben. Wo steht es denn?