Katholisch, kapitalistisch, konservativ: Das sind die drei hervorstechendsten Eigenschaften von Francois Fillon, der künftig Frankreich als Präsident regieren könnte. Und auch wenn dies altbekannt klingt für die Konservativen in Frankreich, die sich jetzt Republikaner nennen, treibt Fillon in seinem Programm das Konservative auf die Spitze: Er ist ein neuer Typus in der Riege der europäischen Politiker. Er ist seriöser und weniger populistisch als der große Verlierer der Vorwahlen, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, aber er ist konservativer und wirtschaftsliberaler als sein Kontrahent für die letzte Runde der Vorwahlen am kommenden Sonntag, Alain Juppé.
Fillon verkörpert damit den dritten Weg der oppositionellen Republikaner. Nachdem der ehemalige Premier im ersten Wahlgang am Sonntagabend überraschend rund 15 Prozent mehr Stimmen holte als Juppé, gilt er als Favorit für den kommenden Sonntag – und damit auch für die Präsidentschaftswahl im April kommenden Jahres, bei der eine Stichwahl zwischen dem Kandidaten der Republikaner und der Vorsitzenden des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, erwartet wird.
Möglicherweise kann Fillon sogar besser als andere Konservative Le Pen schlagen. Sie hatte bislang keinen Hehl daraus gemacht, am liebsten gegen den 71-jährigen früheren Premierminister und Außenminister Juppé anzutreten – sie hätte in ihrer Kampagne seine "multikulturelle Haltung" niedermachen können und auf die "alternde Politikkaste" schimpfen können. Mit einem Gegner Fillon hatte sie nicht gerechnet.
Wenn Fillon den Rechtsextremen Stimmen wegschnappen kann, dann hat dies einen einfachen Grund: Fillon vertritt in puncto Innere Sicherheit ein sehr strenges und gesellschaftlich ein sehr konservatives Programm. Nach den Anschlägen in Paris und Nizza zeigte er sich als Hardliner – er möchte mit niedrigen Quoten weniger Flüchtlinge aufnehmen. Er hat ein Buch über den "radikalen Islam" geschrieben und möchte Flüchtlinge ausweisen können, die allein unter dem Verdacht stehen, terroristischen Netzwerken nahezustehen.
Fillon münzt seine Ansichten direkt in Ratschläge für Bundeskanzlerin Angela Merkel um: Sie habe den Aufstieg des radikalen Islamismus unterschätzt, sagte er kürzlich auf einer Wahlveranstaltung. Für Merkel ist Fillon ein alter Bekannter – er war fünf Jahre lang Premierminister unter Sarkozy. Aber er ist viel traditioneller als der umtriebige Ex-Präsident. Katholische Vereine, die Hunderttausende Menschen gegen gleichgeschlechtliche Ehen auf die Straße brachten, werben massiv für Fillon. Er möchte Hausfrauen rechtlich anerkennen und dafür sorgen, dass es künftig mehr katholischen Schulen in Frankreich geben darf.
Wirtschaftspolitisch möchte er den staatlichen Einfluss radikal verkleinern. Er will 500.000 Beamtenstellen abschaffen – eine nie da gewesene Forderung. Firmen sollen selbst bestimmen können, wie lange ihre Beschäftigten arbeiten – bis zu 48 Stunden. Damit wäre die von den Sozialisten eingeführte 35-Stunden-Woche dahin. Die Arbeitszeit der Beamten soll von derzeit 35 auf 39 Stunden verlängert werden, Firmen sollen 40 Milliarden Euro weniger Steuern bezahlen und 100 Milliarden Euro weniger für staatliche Projekte ausgeben. Auf einer Veranstaltung von Wirtschaftsvereinen sagte Fillon kürzlich, er freue sich darüber, mit Margaret Thatcher verglichen zu werden, der Ikone der Neoliberalen. Er schrecke auch nicht davor zurück, "Gendarmen in Betriebe" zu schicken, wenn die Beschäftigten zu lange in den Streik treten würden.
Gegner der Gewerkschaften und der Linken
So sehr Fillon Marine Le Pen schaden kann, so sehr ist er ein willkommener Gegner für die Sozialisten in Frankreich. Der Hardliner legt sich mit Lehrern und Gewerkschaften an – eine von Präsident François Hollande enttäuschte Gruppe, die er mit seinen geplanten Massenentlassungen im öffentlichen Dienst und seinen radikalen Kürzungspläne doch wieder zu den Linken treiben könnte. Aber bislang haben die Sozialisten nicht einmal einen Kandidaten, ihre Vorwahlen finden erst Anfang 2017 statt. Und sie sind so unbeliebt, dass ihr Kandidat es nach allen bisherigen Umfragen nicht in den zweiten Wahlgang schaffen wird.
Wen die Mitglieder der Sozialisten zu ihrem Kandidaten küren werden, ist unvorhersehbar. Auch bei den Vorwahlen der Republikaner hat sich das Blatt erst ganz zum Schluss für Fillon gewendet. Bis dahin drehte sich alles um ein erwartetes Duell zwischen Juppé und Sarkozy. Daher ist auch Vorsicht bei den Prognosen für die Stichwahl am kommenden Sonntag angesagt: Das Duell zwischen dem Thatcher-Fan Fillon und dem moderaten Ex-Außenminister Juppé ist noch nicht gelaufen, auch wenn Fillon jetzt der eindeutige Favorit ist.
Kommentare
Frau Thatcher wollte den Franzosen ja einst auf einem Frankreichbesuch ein Kompliment machen, indem sie sagte, dass sie Frédéric Bastiat für einen der größten ökonomischen Denker halte.
Sie wurde nicht verstanden.
Ob die Franzosen seitdem dazugelernt haben?
Es ist schon interessant, wenn da steht:
"Nach den Anschlägen in Paris und Nizza zeigte er sich als Hardliner – er möchte mit niedrigen Quoten weniger Flüchtlinge aufnehmen. Er hat ein Buch über den "radikalen Islam" geschrieben und möchte Flüchtlinge ausweisen können, die allein unter dem Verdacht stehen, terroristischen Netzwerken nahezustehen."
In D gelten solche Positionen doch als populistisch, gleichwohl freut man sich über einen Gegenpol zu le Pen mit einem "radikaln rechten Programm" ?
fillon könnte die vollkommen verkrusteten strukturen aufbrechen und damit frankreich nach jahren der stagnation wieder wettbewerbsfähig machen.
ob es ihm gegen die stets streikbereiten arbeitnehmer und starken gewerkschaften gelingt, diesen geplanten kurs auch wirklich durchzusetzen bleibt die spannende frage.
Ich bin zwar nicht katholisch, sondern atheistisch, aber freue mich, dass man mit einem wirtschaftsfreundlichen Programm in diesen Zeiten (Vor)wahlen gewinnen kann. Nachdem die Linken und Politik und Medien uns ja glauben machen wollen, dass man den wirtschaftlichen Verlierern nur viel Geld hinterherwerfen müsse und alles würde gut. Vielmehr ärgern sich viele aus der bürgerlichen Mitte über die "Werte-Polizei" derer, die sich für progressiv halten -- siehe auch den hervorragenden Kommentar bei der Konkurrenz:
http://www.spiegel.de/pol...
Ich wünsche Herrn Fillon bei den kommenden Wahlen viel Erfolg!
Fillon ist quasi mit der AfD gleichzusetzen - nur mal so zur Einordnung.
Könnte also sein, dass die Bundesrepublik nächstes Jahr in den Inselbetrieb umschalten muss.
Welche Punkte meinen Sie?
Vorsicht mit schnellen Urteilen.
An der ersten Runde der Vorwahlen der französischen Konservativen durften alle Bürger teilnehmen! Und man darf davon ausgehen, dass Front-National- und Links- Anhänger fleißig zur Wahl gegangen sind um für den schwächsten Kandidaten von der Konkurrenz zu stimmen.
So kapitalistisch wie der klingt, wird NACH seiner Amtszeit (wenn gewählt) lePen gewinnen. Der Grund für den Frust der Menschen ist der neoliberale Raubbau an allem was mal sozial hieß.