Der Bundesregierung droht nicht nur aufgrund ihrer kontrovers diskutierten Atompolitik ein "heißer Herbst". Nach der Entscheidung, die Hartz-IV-Regelsätze um lediglich fünf Euro zu erhöhen , muss Schwarz-Gelb auch in dieser Frage mit heftigen Protesten rechnen. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, kündigte Großdemonstrationen an. Wer soziale Kälte predige, werde heiße Antworten bekommen, sagte Sommer. Der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verkündete Herbst der Entscheidungen werde "mehr und mehr zum Herbst der falschen Entscheidungen".
Sommer griff insbesondere den FDP-Chef und Vizekanzler Guido Westerwelle an. "Dessen Reaktion auf das Hartz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts war das Beschimpfen der Arbeitslosen . Das wird jetzt ganz offiziell zum Regierungshandeln", sagte der DGB-Chef. Hartz IV müsse ein Leben in Menschenwürde ermöglichen. Die Bundesregierung jedoch bediene Vorurteile und flüchte sich in "Populismus à la Sarrazin". Das sei unerträglich, sagte Sommer.
Die Koalition will den Hartz-IV-Regelsatz für Erwachsene von 359 auf 364 Euro im Monat anheben. Für die rund 1,7 Millionen Kinder der Langzeitarbeitslosen zahlt der Bund zusätzliche Bildungshilfen, unter anderem pauschal 10 Euro monatlich für außerschulische Kurse und Mitgliedschaft in Sportvereinen.
Westerwelle hatte die nur geringfügige Erhöhung der Regelsätze zuvor noch einmal verteidigt. Es sei eine gerechte und sachlich fundierte Entscheidung, sagte der FDP-Chef. Es ginge um eine faire Balance zwischen denjenigen, die auf Hilfe angewiesen seien, und denjenigen, die diese Hilfe mit ihrer Arbeit und ihren Steuern erst möglich machten. Das sei gelungen.
Auch die federführende Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte die Erhöhung der Regelsätze bereits als "sehr gerecht" bezeichnet . Zudem strich sie heraus, dass jedem Kind garantiert 250 Euro an Sachleistungen für Bildung zustehen. Dies hatte die Bundesregierung als Kompensation dafür beschlossen, dass die Regelsätze für Kinder und Jugendliche nicht erhöht werden. Von der Leyen zeigte sich zuversichtlich, dass der Bundesrat die Bildungshilfen für Kinder nicht blockieren werde.
Ob die Ministerin in dieser Frage Recht behält, ist allerdings mehr als fraglich. Die Opposition hat bereits angekündigt, die geplante Regelung in der Länderkammer zu blockieren , falls sich Schwarz-Gelb nicht zu einer stärkeren Erhöhung durchringen könne. Linken-Chef Klaus Ernst forderte SPD und Grüne in diesem Zusammenhang noch einmal auf, im Bundesrat nicht einzuknicken. Schwarz-Gelb werde alles daran setzen, einzelne Länder aus dem Nein-Lager herauszubrechen. Zudem will Ernst mit Gewerkschaften und Sozialverbänden eine "geschlossene Front gegen Merkels Fünf-Euro-Almosen" organisieren. Der Regelsatz müsse sofort auf deutlich mehr als 400 Euro angehoben werden, verlangte er.
Die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, sagte, ihre Partei werde zudem sehr genau prüfen, ob die Neuregelung verfassungskonform sei. "Es sind Zweifel angebracht." Es sei ein großes Problem, dass auch Aufstocker in die Berechnungen einbezogen und dadurch die Zahlen künstlich kleingerechnet worden seien. "Wir wollen ein transparentes Verfahren, das darf nicht laufen wie beim Hütchenspielen", sagte Nahles.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende in Nordrhein-Westfalen und Chef der der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, wies die Kritik an den Berechnungen zurück. "Dieses Gesetz wird allen gerichtlichen Auseinandersetzungen standhalten", sagte er. Es sei sauber alles herangezogen worden, was eine Durchschnittsfamilie aus dem unterem Lohnsegment benötige.
Kommentare
Seit wann kümmert sich "die Gewerkschaft" oder "der DGB"
denn um HartzIV-ler? Das wäre immerhin mal was neues.
Ansosnsten macht sich "das Christliche" ja wohl eher an den sich so nennenden "Christlichen Gewerkschaften" fest. Da wird ja auch "sauber alles herangezogen, was eine Durchschnittsfamilie aus dem unterem Lohnsegment benötigt"
Naja, die DGB....
....hat Mitglieder, die älter werden. Diese haben Jahrzehnte Arbeitslosenversicherungen ein bezahlt. Da sie statistisch fast sicher arbeitslos werden und bleiben werden und schnell zu HartzIVler werden, sind die sauer, wenn die abgesicherten Abgeordneten und Beamte ihnen Zigaretten und Schnaps im Alter weg nehmen.
Überlebenskosten
dieses Thema sollte vielleicht (endlich) mal in einem sachlichen Zusammenhang diskutiert werden...
was wurde oder wird von berufenen Seiten festgestellt:
was ein Mensch in unserem Lande (finanziell) zum Überleben braucht, Luxus und Lebensfreude außen vor...
Tatsache ist in diesem Zusammenhang - nicht nur die unteren Lohngruppen, Zeitarbeiter, ALG-I- Bezieher, Rentner etc. fühlen sich zum Teil verarscht in diesem Land, können sie von solchen (Gesamt)leistungen nach einem Blick auf ihre monatlichen Ausgaben nur träumen...
das ist sogar nachvollziebar !!!!
trotzdem sollte man nicht ständig fragen ob ein HartzIV-Empfänger nun zuviel bekommt, die Frage stellt sich eher umgekehrt...
es wäre wirklich Zeit sich mit den Lohnkosten und auch der Leistungen für jahrelanges Einzahlen in Kassen zu welchem Gegenwert zu beschäftigen...
wo bleiben bitte die eingezahlten Beiträge in die Arbeitslosenversicherung die letztendlich im Schnitt nur 1 Jahr lang bezahlt werden...
was bitte ist das für eine Überlebensversicherung wenn man als Normalverdiener nur 60 % seines letzten Einkommens in ALG I ausgezahlt bekommt...
was bitte ist das für eine Rentenversicherung die für 40 Jahre einzahlen noch nicht mal das Überleben sichert...
ich denke was ein Mensch zum nackten Überleben braucht wäre ja nun geklärt...
Heiße Luft vom DGB
Über solche Ankündigungen kann man ja nur lachen. Ohne die Mitwirkung der Gewerkschaften wären die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze gar nicht möglich gewesen.
Die Führung der Gewerkschaften besteht aus Verrätern der Arbeiterinteressen. Seit dreißig Jahren hört man von denen keinen Pieps, wenn mit Hochzinspolitik wieder Massenarbeitslosigkeit erzeugt wird.
Da würde der Widerstand gegen den Neoliberalismus und Gangsterkapitalismus beginnen, nämlich die Mitglieder erst mal aufklären, dass die Massenarbeitslosigkeit absichtlich(!) verursacht wird, um die Löhne zu drücken und die Lohnabhängigen härter auszubeuten.
Lohnabstandsgebot unmaßgeblich
Die Regierungsparteien führen das falsche Argument an. Das BVerfG hat ausdrücklich gesagt, dass der tatsächliche Bedarf ausschließlich maßgeblich ist. Wenn der Lohnabstand zu niedrig ist, muss die Politik Lösungen, wie z.B. Mindestlohn, finden, um den Lohnabstand zu gewährleisten.
Eindeutig geklärt ist inzwischen auch, dass die Zahl 364 Euro nicht errechnet wurde. Sie wurde schon im Jahre 2008 für 2010 auf Grund der Rentenentwicklung berechnet.
Ein Skandal sonder Gleichen, dass die gesamte Regierungsmannschaft sich vor laufende Kameras stellt und die fingierten Statistiken als Berechnung verkaufen will.
Ich glaube schon
dass eine "Rückrechnung" nach Finanzlage/Vorgabe gemacht wurde.
Wahrscheinlich ergibt diese "Vorschau" des Existenzberichtes 2008 den jetzigen Wert. Aber in dieser "Vorausberechnung" waren für die Jahre 2009/2010 Rentensteigerungen eingerechnet, und die waren dann faktisch null und nichtig.
Es ist allerdings schon verblüffend wie zielgenau nach "verfassungskonformer Berechnung" (die ja noch nicht veröffentlicht ist) die seinerzeit von Rot-Grün "erfundene Höhe" der Sätze auch diesmal "berechnet" wurden.
Sogar die abgeleiteten Sätze für Kinder traf man fast Punktgenau mit vom Hundert des Regelsatzes (errechnete 361€) mit
59,1% (60%),
69,3% (70%),
78,8% (80%)
Und da soll man (kein) Vertrauen in die Rechenkünste des statistischen Bundesamtes haben?
In der Talk-Show vom 26.9.2010 bei Anne Will hat Frau UvdL stets darauf hingewiesen, dass das Statistisches Bundesamt diese Sätze berechnet habe.
Sie war ja selbst überrascht, dass bei Kinder weniger herausgekommen sei als bisher.
Ganz offensichtlich hielt Frau UvdL sich selbst und ihr Ministerium nicht für vertrauenswürdig genug, diese Sätze zu berechnen.
Also schon ein Abwiegeln und evtl. Schuld abschieben zum Stat. Bundesamt.
Ein Schelm der Böses dabei denkt.
Aber Frau UvdL hat die Vorgehensweise festgelegt!!!
Die Gewerkschaft sollte nun einmal wirklich den flächendeckenden Mindestlohn einfordern, zur Not mit Generalstreik. Ein Tipp an Herrn Sommer:
Aus Rückrechnung H4 beträgt der gesetzl. Abstand einen Lohn von 11,75 €!!!!