Der BND darf laut Gesetz maximal 20 Prozent des Fernmeldeverkehrs zwischen Deutschland und dem Ausland belauschen und nach von der Kommission genehmigten Begriffen durchsuchen. Kommunikation, die nur zwischen Ausland und Ausland geführt wird, also ohne deutsche Beteiligung, darf er vollständig abhören. Der Dienst nennt das die "Routineverkehre". Doch erfand er nun ein "virtuelles Ausland", um internationale Kommunikation abhören zu können, die am Netzknoten in Frankfurt über deutsches Hoheitsgebiet läuft und damit technisch vom Ausland nach Deutschland kommt. Damit die Telekom dabei mitspielt, holte er sich eben den Freibrief vom Kanzleramt – und pro forma eine G-10-Genehmigung.
Uhrlau sollte aufklären, ob die G-10-Kommission dabei "hinter die Fichte" geführt werden sollte, wie es der grüne Obmann Konstantin von Notz immer nennt. Zitat Uhrlau: "Die Kommission genehmigt Suchbegriffe, die stellen den Filter dar, um, wenn es Treffer gibt, bei Grundrechtsträgern, diese Infos auch nutzen zu können. All das, was nicht durch den Filter geht, ist Routineverkehr. Und dieser Routineverkehr wird genutzt. Das ist der Kommission in den Sitzungen auch immer gegenwärtig gewesen."
Das bedeutet, die Kommission hätte sich ja zusammenreimen können, dass der BND auch auf deutschem Boden erst einmal alles abkeschert. Klar gesagt hat der Dienst es den Kontrolleuren aber offenbar nie. Es sei "der G-10-Kommission im Prinzip bekannt gewesen", sagte Uhrlau. Eine Lüge oder einen Trick wollte er darin nicht sehen. "Die G-10-Kommission wissentlich täuschen zu wollen, ist nicht die Absicht gewesen." Die Frage, ob das Kanzleramt entschieden habe, eine solche G-10-Genehmigung als Türöffner für alle Daten aus dem Kabel zu nutzen, konnte Uhrlau gleich gar nicht beantworten: "Das weiß ich nicht."
Keine Erinnerung
Mitglieder der G-10-Kommission hatten im Untersuchungsausschuss hingegen gesagt, sie seien sehr wohl getäuscht worden. Sie hätten das nie genehmigt, wenn sie gewusst hätten, dass es nicht um einzelne Begriffe, sondern um ganze Netzkabel auf deutschem Boden gehe. Auch ist aus internen BND-Akten inzwischen bekannt, dass auch dem BND klar war, dass er eigentlich ein neues Gesetz braucht, um die Daten mitschneiden zu dürfen, aber dass er keine Chance dafür sieht, ein solches Gesetz durch den Bundestag zu bringen.
Heute sind sich alle Fraktionen im Bundestag einig, dass es für dieses Abfischen von "Routineverkehren" keine gesetzliche Grundlage gibt, dass der BND es also nie hätte tun dürfen.
Wer den Türöffner-Trick damals entschieden, welcher gewählte Vertreter die Verantwortung dafür übernommen hat? Uhrlau konnte bei der Klärung nicht helfen. Er antworte auf die Frage danach mit einer interessanten Passiv-Konstruktion: "Über die Notwendigkeit, in Frankfurt ans Kabel zu gehen, ist mit dem Chef des Bundeskanzleramtes sicher gesprochen worden." Wann, wie, worüber genau? Keine Erinnerung.
Kommentare
War der Brief seine Idee oder die von Steinmeier? "Das kann ich ihnen nicht beantworten."
Steinmeier war involviert. Völlig klar.
Und die Misere?
"Ernst Uhrlau, der von Ende 2005 bis 2011 den Bundesnachrichtendienst (BND) leitete, hat Zweifel an der Aussage von Bundesinnenminister Thomas de Maizière im NSA-Unterschuchungsausschuss des Bundestags aufkommen lassen. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Geheimdienstbeauftragte Klaus-Dieter Fritsche 2008 den CDU-Politiker als damaligen Chef des Bundeskanzleramts nicht über das Ende der BND-NSA-Kooperation Eikonal zum Abfischen großer Datenmengen direkt an einem Frankfurter Netzknoten der Deutschen Telekom unterrichtet habe, sagte er am Donnerstag in dem Gremium."
http://www.heise.de/newst...
Bah. Was für eine Farce.
"Ex-BND-Chef Uhrlau kann sich leider nicht erinnern"
Nun ja. EIn Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern! ( (c) by de Maiziere)
Der Joke wird durch permanente Wiederholung weder besser noch witziger.
Ich freue mich über jeden Menschen, der Zeitung liest.
Bei solchen Artikelinhalten bin ich jedoch froh, dass die Menschen, die als unreflektiert gelten, meist keine Zeitung lesen. Was könnten sich für diese, hier, für Rückschlüsse ziehen lassen...?!
???
>> Zentrale Frage nun: War der Brief vom Chef des Kanzleramtes, damals Frank-Walter Steinmeier (SPD), genehmigt? Hatte er ihn gelesen? Wusste er überhaupt davon? <<
Alle Koalitionäre der GroKo stecken bis zum Hals im Skandal um die deutschen Dienste und decken sich gegenseitig, Aufklärung unerwünscht.
In Berlin regiert ein Schweigekartell.
Gleiches gilt für die Aufarbeitung des NSU-Komplexes.