Der jüngste EU-Gipfel in Brüssel hat wieder enttäuscht. Wieder lange Debatten ohne wirkliche Ergebnisse, was die Flüchtlingskrise betrifft. Die Türkei, eingeladen zu einem Sondergipfel Anfang März, soll nun die erhoffte Entlastung auch innerhalb der Europäischen Union bringen.
Immer noch schrecken die Mitgliedsstaaten vor grundsätzlichen Veränderungen der Flüchtlingspolitik zurück. Die Debatte um europäische Solidarität, gemeinsame Verantwortung und Grenzen ist so verworren wie unvermeidbar. Wir werden mit den Folgen jahrzehntelanger unverantwortlicher Flüchtlingspolitik konfrontiert. Wir erkennen, dass Schengen auf wackligen Füßen steht. Die Außengrenzen funktionieren nicht und die Türkei-Politik war gelinde gesagt kurzsichtig.
Nach Angaben des UNHCR waren 2015 weltweit rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie noch nie. Schon die Zahlen zeigen, dass angemessene Hilfe nicht von einzelnen Staaten geleistet werden kann. Und sie zeigen auch, dass nicht alle Probleme des Nahen Ostens oder Afrikas in der EU zu lösen sein werden. Ohne eine neue, große Anstrengung im Rahmen der Vereinten Nationen, zu der alle wohlhabenden und stabilen Länder beitragen, wird es nicht gehen. Im Rahmen der UN muss die EU darauf drängen, dass wir nicht länger nur auf katastrophale Zuspitzungen reagieren. Wir müssen mehr Resettlement-Programme zur Flüchtlingsumsiedlung schaffen und dafür endlich zu angemessenen europäischen Quoten kommen. Mit europäischen Kontingenten könnte effektiv geholfen und die irrsinnige Geschäftemacherei der Schlepper gebremst werden. EU-Kontingente schaffen für die Menschen auf der Flucht wie für die aufnehmenden Gesellschaften mehr Verlässlichkeit.
Es stellen sich aber sofort die nächsten Fragen: Was tun wir für die, die nicht in die Kontingente kommen? Wann ist es richtig, Menschen auf der Flucht in den Regionen um Kriegs- und Krisengebiete besser zu schützen? Wie wird dafür gesorgt, dass sie in Camps nicht nur unterkommen und überleben, sondern ein Leben haben?
Der europäische Geiz hat mit dafür gesorgt, dass die Menschen in den Flüchtlingslagern in der Türkei, im Libanon und Jordanien nicht genug zu essen hatten – und viele deswegen weiterzogen Richtung Europa. Deshalb sind jetzt großzügige und zuverlässige Beiträge notwendig. Und bei aller berechtigten Kritik an der Politik Erdoğans in der Türkei bleibt es unverzichtbar, mit der türkischen Regierung über die Versorgung der Flüchtlinge zu verhandeln, genau wie mit anderen Regierungen der Nachbarländer Syriens.
Es können nicht jedes Jahr im gleichen Umfang Menschen aufgenommen werden
Seit dem Spätsommer 2015 haben in Deutschland, Schweden oder Österreich Freiwillige, Beamte und Politiker auf allen Ebenen den Paradigmenwechsel von der Abschottung hin zur Offenheit gemeistert. Mal besser, mal schlechter. In Deutschland, dem beliebtesten Land unter den Flüchtlingen, das seine Grenzen allein offen hält, stehen viele Flüchtlinge in einer Phase zwischen Ankunft und dem Aufbruch in die neue Gesellschaft. Diejenigen, die sich in den Kommunen und Städten mit Sprachunterricht, Schule, Aus- und Weiterbildung, Wohnungen und Jobs befassen, sagen immer noch, dass sie das schaffen können. Aber sie fragen schon, wie in Zukunft die anderen Mitgliedsstaaten der EU ihren Teil der Verantwortung in der Flüchtlingskrise übernehmen werden. Und sie sagen offen, dass in Zukunft nicht jedes Jahr im gleichen Umfang Menschen aufgenommen werden können, wenn das Versprechen auf Integration gut verwirklicht werden soll.
Es bleibt dabei: Die Europäer müssen sich dringend verständigen über die Verantwortung, die sie gemeinsam innerhalb der EU und außerhalb übernehmen wollen. Als die Kanzlerin angesichts der bedrohlichen Eskalation in Budapest Anfang September die deutschen Grenzen geöffnet hat, war das nicht allein eine moralische Entscheidung. Es geschah, weil sie in dieser Zuspitzung als Europäerin das Scheitern der Abschottung durch das Dublin-System erkannt hat. Und es geht seitdem für Merkel und andere verantwortungsbewusste Europäer auch um die innere Freiheit der EU, garantiert durch offene Binnengrenzen.
Kommentare
Die Außengrenzen (Türkei, Griechenland, Mazedonien) werden anscheinend absichtlich nicht geschützt, weil man so wunderbar Brüssel erpressen kann.
Hoffe, Seehofer Klöckner & Co werden sich durchsetzen, ansonsten sehe ich Schwarz!
Zunächst einmal, informieren sie sich richtig über die EU Außengrenzen.
Die Einzige relevante ist von der Türkei nach Griechenland, da Griechenland das einzige EU-Mitgliedsland von den von ihnen erwähnten ist!!!!!!!!
2. Auch wenn die Grenze nach FYROM (ehem. Jugoslawische Republik Mazedonien) geschlossen bleibt, werden die Flüchtlinge gen Norden kommen. Dann halt mit Schleppern.
3. Anstatt sich auf korrupte nicht demokratisch legitimierte Regierungen wie in FYROM oder Türkei verlassen zu wollen, denn dann ist man wirklich verlassen, sollte die Intention der EU die Absicherung der Grenze gegen die Türkei sein.
Aber in ihrer einfachen kleinen Welt geht ja alles pi mal Daumen nach Stammtischmanier.
Lasst uns der Wahrheit ins Gesicht sehen:
Europa ist nicht für all das Elend in der Welt verantwortlich. Und kann auch nicht die ganze Welt retten.
Ihre These widerspricht aber gleich zwei aktuellen Glaubenssätzen!
Ich bin gegen eine Vermengung der Begriffe Flüchtling und Einwanderer! Es gibt eine große Bereitschaft in der Bevölkerung in Deutschland Flüchtling zu helfen, aber eben nicht Einwanderern. Ich behaupte sogar ohne es wissen oder nachweisen zu können, das diese Bereitschaft in ganz Europa existiert.
Politik und Medien in Deutschland muss endlich wieder beginnen zu trennen zwischen Einwanderer- und Flüchtlingskrise. Bei der ersten Gruppe können wir nur vor Ort helfen! Alles andere zerstört ganze Regionen, wenn die Lebensperspektiven sich nur noch um das Verlassen der Heimat drehen und nicht um den Aufbau einer eigenen besseren Zukunft. Schlimmer noch: Wir nehmen uns selbst die Zukunft, wenn wir Heere von Menschen aufnehmen, denen wir keine Teilhabe auf Augenhöhe bieten können, wir werden uns so die Kraft nehmen, vor Ort helfen zu können - das wäre eine Katastrophe für alle: Einheimische, Flüchtlinge und Einwanderer.
@CuriousCornflakes
Sie haben Recht, dass man die Begriffe nicht vermengen darf. Ich würde aber Einwanderer nicht grundsätzlich ablehnen. Es ist allerdings legitim und nötig, dass das die Bewerber handverlesen nach den Regeln und Bedürfnissen des Einwanderungslandes ausgewählt werden.
Zur Bildunterschrift: "Flüchtling spielt mit seinem Baby " Klar, zwischen Stacheldrahtzäunen und kantigen Metallstangen wird fröhlich gespielt. Die Vermummung ist eine Variante des Versteckspiels. Wer den kleinen Zwerg am weitesten wirft, hat gewonnen. Oder geht es vielleicht gar nicht um ein Spiel?
Sie werden doch nicht etwa andeuten wollen, daß dieses Bild in manipulativer Absicht entstanden ist und hier veröffentlicht wurde? Das würde ein seriöses Medium doch niemals tun! Ich bin entsetzt!