Was
ist Terrorismus? Wenn jemand mit seiner Gewalttat eine gesellschaftliche Gruppe oder
eine ganze Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen will. Und wenn er damit
eine Regierung dazu bringen will, ihr Handeln gemäß seiner politischen Ansicht
zu ändern.
Nach
diesen Kriterien ist die Neonazi-Gruppe, die die brandenburgische Polizei in
Nauen ausgehoben hat, eine Terrorzelle. Die Männer sollen eine Turnhalle
angezündet haben, in der Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Sie sollen
das Auto von Politikern der Linkspartei in Brand gesteckt und Wahlkreisbüros der
Partei attackiert haben. Sie sollen dazu aufgerufen haben, Flüchtlinge mit
Sprengsätzen anzugreifen. Was soll das anderes sein als Terrorismus?
So
sehen es auch Brandenburgs Innenminister
Karl-Heinz Schröter (SPD) und Justizminister Helmuth Markov (Linke). Noch
ermitteln ihre Behörden wegen der Bildung einer kriminellen
Vereinigung. Doch der Fall liegt längst beim Generalbundesanwalt. In Karlsruhe
wird nun entschieden, ob auch wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung
ermittelt wird.
Das
wäre ein wichtiges Signal. 279 Mal sind nach Recherchen von
ZEIT ONLINE im vergangenen Jahr Flüchtlingsunterkünfte gewaltsam angegriffen worden. In vielen
Fällen konnten bislang keine Täter gefunden werden. Die Tatverdächtigen aber, die
ermittelt werden konnten, zeigen in der Mehrzahl rechte
Ideologien und pflegen rechte Kontakte.
Das Problem: Was im allgemeinen
Sprachgebrauch Terrorismus genannt wird, gilt juristisch längst noch nicht
als solcher. Da braucht es mindestens drei Täter, eine klare
Organisationsstruktur und Hierarchie in der Gruppe. Es braucht mehrere Taten, der Einzelne muss sich dem Gruppenwillen unterordnen und am besten verschicken die Täter noch ein
Bekennerschreiben, damit ihre politische Motivation eindeutig definiert ist.
Doch
die wenigsten Täter entsprechen diesem Bild. Viele von ihnen bilden lose
Netze, verknüpft über geschlossene WhatsApp-Chats oder Facebook-Gruppen. Sie
brauchen keine Anführer mehr, sondern radikalisieren sich in den Hassdiskursen
dieser Communities, bis sie schließlich zur Tat schreiten.
Das Beispiel
Nauen zeigt, welche Gefahr in diesen Strukturen liegt: Maik S., die mutmaßliche Schlüsselfigur der
Terrorzelle, stand offenbar via WhatsApp mit seinen Mittätern in Kontakt. Im
April 2015 zerstachen die Täter noch die Reifen eines Autos, das einem
Jugendverein gehörte, der sich für Flüchtlinge engagiert. Im August brannte
dann bereits eine noch unbewohnte Sporthalle. In diesem Jahr verbreiten sie schließlich
offenbar Anleitungen zum Bau von Molotowcocktails und Rohrbomben, wollten Plastiksprengstoff herstellen und forderten zum Widerstand gegen eine
"Invasion von Ausländern" auf.
Der Fall belegt, wie die Gewaltbereitschaft über ein Jahr hinweg
massiv angestiegen ist, wie aus einer losen Facebook-Gruppe eine Terrorzelle wurde. Er zeigt auch, dass hinter solchen Taten mehr steht als eine
unbestimmte Sorge vor Fremden in der Nachbarschaft. Mindestens einer der Täter, Maik S.,
ist NPD-Mitglied und stand offenbar auch in Verbindung mit weiteren extrem rechten
Organisationen.
Ermittelte Täter und ihre politische Gesinnung
Angriffe auf Flüchtlingsheime im Jahr 2015
- 1 Alle Angriffe 2015
- 2 Fälle in denen Tatverdächtige ermittelt wurden
- 3 Klarer extrem rechter Täterhintergrund
- 4 Keine rechte Motivation erkennbar
Allein durch ihre Anschläge gelang es den Tätern, ein "Klima der Angst" in Nauen zu verbreiten, wie die beiden Minister sagten. Ihr explizites Bekenntnis zu ihrer rassistischen, ausländerfeindlichen und extremistischen Ideologie verstärkt den Eindruck noch, dass es ihnen um Terror ging.
Deshalb müssen Taten wie die in Nauen als das verfolgt werden, was sie sind: Nicht als Aktionen aufgebrachter Wutbürger, die Angst vor Flüchtlingen haben, sondern als terroristische Akte, die den Rechtsstaat destabilisieren sollen, indem sie Flüchtlinge und deren Helfer bedrohen und gefährden. Am Fall Nauen kann die Justiz nun auch durchdeklinieren, was modernen Terrorismus ausmacht und wie er verfolgt werden kann.
Kommentare
Hier kann man sich anhören, was der Terror mit den Opfern macht: https://www.youtube.com/w...
Das bezieht sich zwar auf Clausnitz, ist aber sicherlich auf andere Fälle übertragbar.
Entfernt. Themenfern. Die Redaktion/ges
Obwohl es mich nicht erstaunen sollte, bin ich trotzdem erschrocken wie blind unsere Eliten auf dem rechten Auge sind.
Ich bin in den 50igern und 60igern mit Nazis und Mitläufern groß geworden. Nein da war nix, der Führer hat von nichts gewusst, es war Bormann, die USA haben auch Völkermord begangen usw. usw. Aber irgendwie hatte ich gehofft es wächst sich irgendwie aus. Tut es aber nicht.
Ich ziehe daraus den Schluss, dass Teile unserer Regierer Affinitäten zum Faschismus haben, anders kann ich mir das nicht erklären.
Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Kommentare, die vom eigentlichen Thema des Artikels wegführen. Die Redaktion/lh
Entfernt, da relativierend. Die Redaktion/lh
Entfernt. Anmerkungen, Fragen und Kritik an der Moderation senden Sie jederzeit gerne an community@zeit.de. Die Redaktion/th
Was einmal mehr belegt, das die NPD kein Skatclub ist !
Noch immer muss man sich über den schwachen Sachvortrag der Kläger im NPD Verbotsverfahren wundern !
Damit widersprechen Sie dem Artikel, denn die NPD ist nunmal ziemlich eindeutig eine Organisation.
Und hier steht ja, dass die Leute eher losgelöst von organisierten Strukturen agieren.