"Deutsches Eck" heißt der Ort, an dem sich in Koblenz die beiden Flüsse Rhein und Mosel vereinen. Kaum einen Kilometer davon entfernt, durch die Katakombe einer Kongresshalle, in der sich die Europäischen Rechten trafen, lief an diesem Samstag eine Gruppe Jungmänner. Einer trug unter dem Arm einen Stapel bunter, gefalteter Stoffbahnen. "So", verkündete er dann in einem Ton, der auch von jenen gehört werden sollte, die ihn nicht hören wollten, "das wird jetzt erst mal schön nationalbeflaggt hier".
Das scheint das Bild dieses Wochenendes zu sein: Die Welt wird
wieder nationalbeflaggt. In Washington verkündet Donald Trump, dass seine USA
nicht mehr führen, sondern nur noch gewinnen sollen. "America First" nennt er
das. Dem Volk wolle er die Macht geben, behauptet Trump. Und in Europa
versuchen sie alles, um etwas von diesem so erschütternden Triumph über den
Atlantik hierher zu retten. Europa soll angesteckt werden.
Am prägnantesten formulierte das in Koblenz der routinierte Volkswutredner Geert Wilders: "Gestern ein neues Amerika, heute Koblenz und morgen ein neues Europa!", rief der Rechtspopulist. Mit solchen Sätzen bliesen Wilders und die anderen ihre paar gemeinsamen Stunden zur weltpolitischen Zeitenwende auf. Am Deutschen Eck soll alles kippen.
Nicht im Wahlkampf, sondern auf einer Mission
Natürlich sind das Beschwörungsversuche zum eigenen Nutzen. Wenn sie "das Jahr der Patrioten" ausrufen, Wilders gar vom "Jahr der Befreiung" spricht, soll das den kommenden Sieg als historische Zwangsläufigkeit erscheinen lassen. Sie sind nicht im Wahlkampf, sie sind auf einer Mission.
Die europäischen
Nationalisten gehen dabei weit über das normale Maß politischer Rhetorik
hinaus. Sie erzeugen so viel Pathos, dass daraus ein Rausch wird. Sie zielen
auf den Bauch ihrer Anhänger. Zu diesen Rauschmitteln
gehört die Behauptung, dem Volk wieder zu seinem Recht verhelfen zu wollen
gegen seine Beherrscher, sei es "Washington", "Brüssel" oder sei es Merkel. Man
muss das immer mitdenken, um den
totalitären Charakter dieser Aussage zu verstehen: Wer sich von den jetzt Regierenden
vertreten fühlt, kann also nicht Teil des Volkes sein. Sein Wille ist wertlos.
Gekaperter Patriotismus
Marina Le Pen, Frauke Petry und ihre Mitstreiter versuchen außerdem, den "Patriotismus" für ihre Zwecke zu kapern. Das schwierige und gleichzeitig praktische am Patriotismus ist, dass er mal gut war und oft böse. Der Patriotismus der USA war bisher meist ein inklusiver. Menschen wollten Teil dieses Gemeinschaftsgefühls sein und sie durften es auch. Jeder konnte stolzer Amerikaner werden. In der französischen Revolution ebenso wie im Deutschland von 1848 hatte der Patriotismus emanzipative Funktion. Er verhalf zur Selbstbestimmung gegen die herrschende Minderheit.
An diese Tradition wollten die Koblenzer Redner anknüpfen. Dass sie dabei die EU mit der Herrschaft der Sowjetunion, Napoleons und auch der Nationalsozialisten vergleichen, ist Gegenwartsklitterung. Die Mächtigen der EU sind, zumindest indirekt, demokratisch gewählt und kontrollierbar. Die Monarchen und Diktatoren waren das nicht.
Kommentare
Man könnte sich ja auch mal fragen, warum es den Rechten gelungen ist, den positiven Begriff Patriotismus zu kapern.
https://lh3.googleusercon...
https://gruene-jugend.de/...
Die politische Linke - vor allem in Deutschland- hat es versäumt, den Begriff mit Leben zu füllen. Während es in anderen Ländern völlig selbstverständlich ist, sich auch als Linker als Patriot zu bezeichnen, hat das Wort hierzulande immer noch den Igitt-Stempel.
https://www.wsws.org/de/a...
http://www.zeitschrift-lu...
Ich finde Patriotismus richtig und in gewissem Maße wichtig.
Eine Solidargemeinschaft braucht Regeln und Grenzen. Wer das nicht versteht braucht auch kein Konto und kein Hausschlüssel mehr.
Wie soll man den Zusammenhang zwischen dem ersten Satz - Ihr Wohlgefühl - und dem zweiten Satz - eine Banalität, der niemand widersprechen dürfte - verstehen?
Die Pseudomoralisten und EU-Eliten haben es übertrieben — und damit Europa langsam krank gemacht bzw. die eigentlich gute, europäische Idee vergiftet. Da muss nichts angesteckt werden, der Patient ist schon lange am Dahinsiechen. Eine Rettung wäre das klare Benennen der Krankheitsursachen und eine Behandlung dieser. Was wir jedoch sehen: Symptome werden behandelt. So wird das nichts mehr.
Gebe Ihnen Recht, jedoch wird der grundlegende Umbau der EU, der nötig ist, aus einem ganz einfachen Grund nicht passieren: er ist innerhalb einer Legislaturperiode nicht zu schaffen.
Die USA sind ein deutlich stärkerer Verbund als die EU und Trump stellt die USA nach vorne, nicht etwa die einzelnen Bundesstaaten.
Trump als Vorbild nehmen hieße die EU stärken wollen.
Aber hey... Logik und Konsequenz bei den rechten Populisten?
Eine ausgesprochen interessante Perspektive, und Sie haben recht.