Der nordrhein-westfälische Sonderermittler im Terrorfall Anis Amri hat keine wesentlichen Versäumnisse der Behörden des Landes festgestellt. Erhebliche Mängel, die den Anschlag ermöglicht hätten, habe er nicht entdeckt, teilte der Strafrechtsprofessor Bernhard Kretschmer mit. "Da ist nichts, womit man ihn strafrechtlich hätte fassen können." Die Behörden hätten es aber versucht. Kretschmer war von der Landesregierung beauftragt worden.
Die wesentlichen Erkenntnisse gegen Amri stammten aus verdeckten Ermittlungen. Die Verwendung für ausländerrechtliche Zwecke sei vom Generalbundesanwalt untersagt gewesen. "Das war im Nachhinein vielleicht falsch, aber damals durchaus wohlerwogen", erklärte er.
Amri sei durch den
abgelehnten Asylbescheid ohnehin ausreisepflichtig gewesen. Tunesien
habe aber lange behauptet, ihn nicht zu kennen. Letztlich habe er ohne
Ausweispapiere nicht in Abschiebehaft genommen werden können. Auch Amris
Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht seien nach geltender Rechtsprechung
nicht ausreichend gewesen, ihn in Haft zu nehmen. In Berlin sei er dann
als weniger gefährlich eingeschätzt worden, was "leider fatal war".
"Zwar erfolgte das behördliche Handeln nicht in jeder Hinsicht fehlerfrei, doch es wäre lebensfremd, einen derartigen Erwartungshorizont für menschliches Handeln aufzubauen", schrieb Kretschmer weiter. Festzuhalten sei, "dass hier keine Mängel festzustellen waren, die entweder erheblich waren oder die das spätere Anschlagsgeschehen beeinflusst haben".
Der Tunesier Amri hatte am 19. Dezember einen Lkw auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert und zwölf Menschen getötet. Behörden in Nordrhein-Westfalen hatten Amri bereits im Februar 2016 als islamistischen Gefährder eingestuft. Vor dem Lastwagenattentat auf dem Breitscheidplatz konnte der Islamist allerdings untertauchen. Am Wochenende hatte die Bild am Sonntag gemeldet, das
nordrhein-westfälische Landeskriminalamt habe das Innenministerium bereits im März 2016 davor gewarnt, dass Amri einen Anschlag planen könnte.
Kritik an Berliner Behörden
Vor dem Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags zum Fall Amri hatte LKA-Chef Uwe Jacob nach rbb-Informationen die Berliner Behörden dafür kritisiert, die Observation des späteren Attentäters von Berlin im Juni 2016 gestoppt zu haben. Der Sender zitierte den LKA-Chef mit den Worten "Nur weil Amri ein Kleinkrimineller war und Drogendelikte beging, anzunehmen, er sei nicht gefährlich, war ein großer Fehler. Demnach berichtete Jacob von dem Tag nach dem Attentat, als der nach Deutschland geflüchtete Tunesier noch nicht als Täter gesucht wurde. Da hätten ihn seine Beamten angerufen und gesagt: "Hoffentlich war es nicht der Amri, an dem wir so lange dran waren."
Kommentare
Welch ein glücklicher Umstand für die NRW-Landesregierung!
In Berlin sei er dann als weniger gefährlich eingeschätzt worden, was "leider fatal war". etc. etc.
Sorry, bei soviel LEIDER und soviel FATAL, kann und darf kein Verantwortlicher aus der Haftung entlassen werden mit dem Verweis auf menschliches Versagen und höhere Gewalt. Ich sehe hier vor allem ein systematisches, politisches Versagen. Wer garantiert dem Bürger das sich das JETZT nicht wiederholen kann, was wurde hierfür geändert, mehr Personal, besserer, schnellerer Datenaustausch?
HA Ha Ha - mehr kann man dazu nicht kommentieren - leider
Dass der von der Landesregierung NRW eingesetzte Gutachter zu dem Ergebnis kommt, dass in NRW keine gravierenden Fehler begangen wurden, ist nicht wirklich verwunderlich. Auch der Verantwortungsverschiebenbahnhof Richtung Berlin ist naheliegend und sicher auch dem Umstand geschuldet, dass der im Sommer 2016 verantwortliche Senator (von der CDU) inzwischen nicht mehr im Amt ist.
Spannender als die Auftragsarbeit in Düsseldorf dürfte der Bericht des neuen Ständigen Bevollmächtigten des Kontrollgremiums Arne Schlatmann im Bundestag sein, mit dem in absehbarer Zeit zu rechnen sein dürfte. Zum einen ist Schlatmann ein ausgewiesener Fachmann im Bereich "innere Sicherheit" (und nicht reiner Strafrechtler) und zum anderen ist der Bund hier in einer eher neutralen Rolle. Bislang hat man Bundesbehörden, insbesondere den dortigen Nachrichtendiensten, in Sachen Amri bislang keine nennenswerten Vorwürfe gemacht. Der Bund kann somit sachlicher und neutrale an die Thematik herangehen.
CHILLY
Vor zwei Wochen hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit den Fäälen gleich zweier "Gefährder" zu befassen.
Der Innenminister Pistorius aus Niedersachsen hatte aufgrund Par. 58a Ausländergesetz die sofortige Abschiebung angeordnet.
Das BVerwG hat die Sofortige Abschiebung für rechtens erklärt.
Kann man erwarten, dass ein Strafrechtsprofessor eine öffentlich-rechtliche Rechtsfrage beurteilen kann? Oder zumindest aus der Presse davon erfährt?
Dieser Freifahrtschein des Innenminister Jäger (NRW) sollte durch die Medien für ungültig erklärt werden.
PS. BVerwG Pressemitteilung googlen
@Amri sei durch den abgelehnten Asylbescheid ohnehin ausreisepflichtig gewesen.
Spricht doch eigentlich dafür , solche Leute in Abschiebhaft zu nehmen .
Mit welcher Begründung?
Ende Juli 2016 versuchte AMRI, Deutschland in Richtung Italien und möglicherweise weiter nach Tunesien zu verlassen. Der Grund hierfür war nach damaliger Bewertung eine körperliche Auseinandersetzung mit einer konkurrierenden Gruppe aus dem Drogenmilieu. Aufgrund eines Hinweises der deutschen Sicherheitsbehörden wurde AMRI durch die Bundespolizei in Grenznähe festgestellt und die Ausreise untersagt.
http://dip21.bundestag.de... (Seite 15)
Ein Ausreisepflichtiger kann nicht ausreisen, weil sein Herkunftsland seine Staatsangehörigkeit wider besseres Wissen bestreitet, wird daher an der Ausreise gehindert, und soll dann in Haft?
Wann eine Inhaftierung von Ausreisepflichtigen im Zusammenhang mit der Ausreisepflicht in Frage kommt, können Sie hier nachlesen:
http://eur-lex.europa.eu/...
Das Gutachten kann man so zusammenfassen:
Bei der Operation gab es einige Komplikationen, aber im Allgemeinen war alles in Ordnung. Nur, der Patient (leider nicht er allein) ist tot.
Mir bleibt die Frage: Wie viele "Patienten" werden so behandelt?
Mit Fehlern in derartiger Dimension wie im Fall Amri operieren Sie nie wieder - versprochen. Das wird äquivalent jeder für seinen beruflichen Alltag bestätigen können. Nur in der deutschen Politik geht und darf alles, ausgenommen die Fallstricke der Political Correctness, da sei Gott vor.