Der Bundestag hat nach monatelangen Beratungen ein Gesetz der großen Koalition für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern verabschiedet. Viele Arbeitnehmer haben nun einen individuellen Auskunftsanspruch, der durch Berichtspflichten für Unternehmen und neuartige Prüfverfahren ergänzt werden soll.
Die Neuerungen gelten für Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten. Diese können künftig Auskunft verlangen über die Lohnstrukturen in ihrer Firma. Sie sollen erfahren können, nach welchen Kriterien ihre Tätigkeit bewertet wird und wie sie im Vergleich zu Kollegen dastehen. Notfalls können sie dann eine höhere Bezahlung einklagen. Zudem müssen Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten, die einen Lagebericht nach dem Handelsgesetzbuch zu erstellen haben, künftig regelmäßig über den Stand der Gleichstellung und der Lohngleichheit informieren.
Für die zuständige Familien- und Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) wird damit das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit" in einem Gesetz festgeschrieben. Schwesig hofft, dass sich die Unternehmen künftig verstärkt mit ihren Entgeltstrukturen auseinandersetzen. "Ich bin überzeugt davon, dass das neue Gesetz langfristig zu einem Kulturwandel in den Unternehmen und der Gesellschaft beitragen und das Tabu gebrochen wird, über Geld nicht zu sprechen."
Der Opposition geht das Gesetz nicht weit genug. Die Linken-Politikerin Sabine Zimmermann sprach von "Alibi-Politik", die Grünen-Parlamentarierin Ulle Schauws von einer "Luftnummer". Beide beanstandeten, dass Frauen erst ab einer Betriebsgröße von mehr als 200 Mitarbeitern das Auskunftsrecht bekommen sollen und fordern zudem ein Verbandsklagerecht, damit Frauen nicht allein den risikoreichen Klageweg gehen müssten. Und Schauws' Parteikollegin Beate Müller-Gemmeke beklagt, dass das Auskunftsrecht 92 Prozent der berechtigten Frauen "gar nichts" bringe. "Sie könnten einfach bei der Gewerkschaft nach ihrem Tarifvertrag fragen." Mehr Auskunft würden sie von ihrem Arbeitgeber auch nicht bekommen.
Hintergrund des Gesetzesvorhabens ist, dass Frauen in Deutschland im Durchschnitt 21 Prozent weniger verdienen als Männer. Selbst wenn strukturelle Faktoren herausgerechnet werden – Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit, übernehmen seltener Führungsposten und sind eher in schlechter bezahlten Berufen tätig –, verbleibt noch immer eine Lohnlücke von sechs bis sieben Prozent.
Kommentare
Ist das nicht schön? Endlich werden wir alle gleich. Danke SPD.
- Beate Müller-Gemmeke beklagt, dass das Auskunftsrecht 92 Prozent der berechtigten Frauen "gar nichts" bringe. "Sie könnten einfach bei der Gewerkschaft nach ihrem Tarifvertrag fragen." -
Das verstehe ich jetzt nicht ganz. Bedeutet das, dass die 21% Differenz aus den restlichen 8 Prozent kommen, oder gibt es unterschiedliche Tarife für Frauen und Männer?
Oder bedeutet es ganz einfach, dass die 21% wenig bis gar nichts mit Diskriminierung zu tun haben?
Oder haben wir es mit massiv diskriminierenden Einstufungen innerhalb der Tarifverträge zu tun?
Wenn letzteres - da liesse sich doch ganz einfach eingreifen. Ohne Gesetz, ohne moralisierende Zeitungsartikel, ohne Aufschrei - einfach durch analysieren und anklagen. Und die, die am lautesten rufen, könnten sich hier doch am einfachsten und besten profilieren - wieso geschieht nichts? Gibt es keine Lorbeeren zu holen, weil es die vielbeschworene Diskriminierung nicht gibt?
Irgendwie kriege ich gestellte Ansprüche und Realität einfach nicht übereinander bei diesem Thema.
Und jetzt die Gretchenfrage, was verdienen die restlichen 8% der Frauen wenn sie dafür sorgen, dass alle Frauen (auch die anderen 92%) zusammen 21% weniger Gehalt bekommen?
Besser noch: der öffentliche Dienst fliesst überhaupt nicht in die Berechnung ein. Also ein Riesenbereich mit sehr vielen Frauen, in dem selbstverständlich das Gehalt unabhängig vom Geschlecht ist.
Ich hab's eben überschlagen - es müssten bei 21% fast ein Viertel der restlichen Männer sein. Wenn wir 15% wegzaubern, um bei 8% bereinigtem Gap zu landen, wäre es immer noch nur die Hälfte.
Für gleichwertige Arbeit übrigens, wie üblicherweise postuliert wird.
Alleine diese Überlegung zeigt, dass auch innerhalb des bereinigten GPG noch ein hoher Anteil erklärbarer Differenz steckt.
Es sei denn, man postuliert, dass es innerhalb der Tarifverträge Diskriminierungen gibt (was ich mir übrigens durchaus vorstellen kann - die mehrdimensionalen Tarifsysteme der öffentlichen Hand lässt viel mehr Freiraum, als üblicherweise angenommen wird).
Dann sind wir aben wieder beim Ausgang: wieso tut genau hier niemand was dagegen, wo es am einfachsten wäre?
Wenn es 6% bereinigten Paygap gibt und bei den 92% der Frauen keine Diskriminierung vorliegt, sie also 0% paygap haben, muessten die uebrigen 8% Frauen 25% des Gehaltes der Maenner bekommen, damit insgesamt 6% Paygap herauskommt. (Rechnung 0.92*1+0.08*0.25=0.94) Da wohl niemand ernsthaft glaubt, das irgendwelche Frauen (nach einer Bereinigung!) ein Viertel von dem verdienen, was Maenner fuer die gleiche Aufgabe bekommen, sind diese Zahlen nicht alle gleichzeitig richtig.
Die naheliegendeste Vermutung ist, das auch bei Menschen die nach Tarif bezahlt werden, ein paar Prozent bereinigter paygap gemessen wurden. Da kein Tarif explizite Geschlechterdiskriminierung beinhaltet, ist das ein sicheres Zeichen, das die Bereinigung unvollstaendig oder schlecht gemacht ist.
Zitat: "Beate Müller-Gemmeke beklagt, dass das Auskunftsrecht 92 Prozent der berechtigten Frauen "gar nichts" bringe. "Sie könnten einfach bei der Gewerkschaft nach ihrem Tarifvertrag fragen." Mehr Auskunft würden sie von ihrem Arbeitgeber auch nicht bekommen."
*Lach* Da hat sie natürlich recht!
Und das würde für geschätzt 90% der Frauen auch völlig ausreichen, weil die nämlich nach Tarif bezahlt werden. Und die Tarife sind geschlechtsneutral, da ist rqual pay schon seit Jahrzehnten durchgesetzt.
Schade nur, dass nur noch etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland nach Tarif bezahlt wird.
Wenn die es radikal ehrlich meinten, dann würden die Einkommensdaten und bezahlten Steuern im Internet abrufbar einsehbar sein. Das würde die Sache vereinfachen. Die Daten liefert das Finanzamt.
wenns so weiter geht, wirds eines tages vielleicht auch so sein. das gesetz öffnet auf jeden fall schon mal die pforte zum transparenten bürger und seiner überwachung durch den staat und die hochmoralisierte öffentlichkeit