Selbst die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen spricht davon: Die Landtagswahl sei eine "kleine Bundestagswahl" und fände in der "Herzkammer der SPD" statt. Wenn sich Hannelore Kraft da mal nicht irrt.
Zunächst wird durch die Etikettierung der nordrhein-westfälischen Landtagswahl als "Bundestagswahl" ja unterstellt, die Nordrhein-Westfalen wüssten nicht, dass am 14. Mai der neue Landtag und eben nicht der Bundestag gewählt wird. Außerdem wäre ihnen nicht klar, dass es um den Ministerpräsidenten geht, und eben nicht darum, ob Merkel oder Schulz besser das Kanzleramt besetzen. Tatsächlich sagen aber bei fast allen Landtagswahlen auch die Wahlbürger an Rhein und Ruhr zu etwa drei Vierteln, dass ihr Urteil über die Landesparteien für ihre Wahlentscheidung wichtiger sei als das über die Parteien in ganz Deutschland.
Im Wahlkampf spielen folglich für die Bürger Themen wie die Schul- und Bildungspolitik, die marode Infrastruktur im Land (vor allem der schlechte Zustand der Straßen), die Lage am Arbeitsmarkt oder die Bekämpfung der Alltagskriminalität die wichtigste Rolle. Bundespolitische Themen aber – wie die Außen- und Sicherheitspolitik, Deutschlands Rolle in Europa und der Welt etc. – sind für die Wahlentscheidung unerheblich.
Lediglich für die Anhänger der AfD spielen die landespolitischen Themen eine eher untergeordnete Rolle; denn sie lehnen ja mit großer Mehrheit das ganze demokratische politische System in Deutschland ab und wollen diese generelle Ablehnung auch mit ihrer Stimme bei der Landtagswahl zum Ausdruck bringen.
So falsch wie die Charakterisierung der Wahl als "kleine Bundestagswahl" ist, ist auch die Meinung, Nordrhein-Westfalen sei die "Herzkammer der SPD". Bei dieser Einschätzung wird nämlich ausgeblendet, dass die CDU bei neun der 16 Landtagswahlen seit dem Zweiten Weltkrieg stärkste Partei war, die SPD nur bei sieben. Die SPD gewann nur in den Wahlen mit Johannes Rau als Spitzenkandidat absolute Mehrheiten (1980 die der Mandate sowie 1985 und 1990 auch die der Stimmen). Ansonsten musste sie – wie 1966 bis 1980 und nach 1995 – Koalitionen mit der FDP und später mit den Grünen eingehen.
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Auch die Wahlergebnisse von Hannelore Kraft, eine Zeit lang als große Hoffnungsträgerin der gesamten SPD glorifiziert, deuten nicht darauf hin, dass man sich in der "Herzkammer der SPD" befindet. Kraft wurde nämlich 2010 und 2012 nur von 20 bzw. 23 von 100 Wahlberechtigten gewählt. Das war die schwächste Wählermobilisierung, die die SPD jemals (mit Ausnahme der ersten Landtagswahl 1947) in Nordrhein-Westfalen zu verzeichnen hatte.
Ein Drittel der CDU-Anhänger mochte den Kandidaten nicht
Kraft konnte nur deshalb Ministerpräsidentin werden, weil die CDU in den letzten beiden Landtagswahlen noch weniger Bindekraft als die SPD besaß. Die CDU, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Nachfolgepartei des alten Zentrums zunächst die beiden großen Kulturströmungen des zerklüfteten Landes zusammenführen konnte – den für ein Land nördlich des Mains starken Katholizismus und die ausgeprägte und noch heute in Teilen des Landes gepflegte Arbeiterkultur –, versäumte es nach 1966, sich zu einer in der Bevölkerung breiter verankerten Volkspartei zu entwickeln. Sie blieb bis heute eine eher klerikale Milieupartei.
Und: Sie stellte meist Kandidaten auf, die nicht nur in der Bevölkerung insgesamt, sondern auch bei den eigenen Anhängern nicht sonderlich attraktiv waren. Das war schon 1985 der Fall, als ein Drittel der CDU-Anhänger Rau lieber als Ministerpräsidenten wollte als den CDU-Kandidaten Bernhard Worms. Und auch 2012 hatte ein Drittel der potenziellen CDU-Wähler Vorbehalte gegen den Kandidaten Norbert Röttgen. Jenes Drittel der CDU-Anhänger, die den CDU-Kandidaten nicht akzeptierten, blieb am Wahltag zu Hause, um dem Zwiespalt zwischen der Loyalität zu ihrer angestammten Partei und den Vorbehalten gegen deren Kandidaten zu entgehen: 2012 gingen 1,7 Millionen CDU-Anhänger nicht zur Wahl, die aber 2013 bei der Bundestagswahl wieder der Merkel-CDU ihre Stimme gaben.
2017 gab es zu Beginn des Wahlkampfs wieder wie bei vielen Wahlen zuvor Vorbehalte vieler potenzieller CDU-Wähler gegen den Kandidaten Armin Laschet, so dass auch diesmal die Gefahr bestand, dass die CDU ihr Anhängerpotenzial nur unzureichend mobilisieren würde. Das könnte sich aber im Laufe des Wahlkampfs und unter dem Eindruck des Wahlerfolgs der CDU bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein geändert haben. Wie eine Untersuchung von forsa über die Auswirkungen des Wahlkampfs in der letzten Phase zeigt, ist das Bild Laschets im Gegensatz zum Urteil über Hannelore Kraft positiver geworden. Und der CDU wird wie der FDP bescheinigt, den besten Wahlkampf gemacht zu haben.
Wahlentscheidend wird am 14. Mai deshalb sein, ob es der CDU trotz der anfänglich recht massiven Vorbehalte gegen Armin Laschet doch noch gelingt, genügend ihrer potenziellen Anhänger zum Gang zum Wählen zu motivieren.
Kommentare
na ja.früher war die SPD in NRW unschlagbar und eine echte Arbeiterpartei..
Seit Schröder ist die SPD ja leider neoliberal geworden..Die Arbeitnehmer in NRW sind nicht so dumm,um dieses nicht wahrzunehmen!
Fakt ist aber auch,dass sich mit dem beliebigem Laschet von der CDU auch nichts ändern würde..
Mein Tipp für morgen:Rotgrün wird abgewählt..
De SPD wird knapp stärkste Partei..
Danach wird es zu einer großen Koalition kommen!
Es ist egal, was kommt, außer den LINKEN traut sich keiner konstruktive Möglichkeiten für die Zukunft (die für viele mit Verzicht zu tun hätten) überhaupt anzusprechen.
Stattdessen wird weiter das Lied vom ewigen Wachstum und starkem Standort Deutschland gesungen.
Is halt eher dings, so 5 vor 12.
Jeder Fünfte Stimmberechtigte in der Bundesrepublik ist morgen zur Wahl aufgerufen.
Der Kanzlerkandidat der SPD stammt aus diesem Bundesland und betont das auch bei jeder Gelegeheit.
Der Parteichef der FDP stellt sich hier zur Wahl.
Frau Wagenknecht kandidiert auf der Landesliste NRW zum Bundestag.
Ich glaube daher schon, dass die Wahl in NRW über die Landesgrenzen hinaus, Aussagekraft für die politische Stimmung im Land hat.
Mehr Aussagekraft als zB Meinungsumfragen
Ich habe mich gefragt, welchen Erkenntniswert dieser Artikel bringen soll.
Welche Relevanz hat denn die Aussage "NRW ist die Herzkammer der SPD" oder "NRW ist nicht die Herzkammer der SPD"?
Sinn gibt das ganze eigentlich nur, wenn angesichts einer vermuteten Wahlniederlage der SPD am morgigen Sonntag einem Abgesang an die SPD und ihren Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl "vorgebaut" werden soll.
Auch da hilft aber eine derartige Darlegung wenig, weil der Mediensturm dann eine ganz eigene Dynamik entfalten würde, unabhängig davon, ob NRW die Herzkammer der SPD ist oder nicht.
Liebe SPD, der (seit langem nicht mehr geführte) Kampf um ein "weniger ist mehr" ist verloren gegen Geld und Automatisierung.
Die Bürger wollen kein "Weniger" (und das wäre das einzige, für was sich eine eher linke Regierung ernsthaft einsetzen kann), sie wollen immer mehr, egal, wieviel an Umwelt, Jobs und sozialem Frieden dafür draufgehen.
Schulz wird nie Kanzler, denn das NeoLib in Rot hatten wir schon und das wird lieber von schwarz-gelb angenommen werden.
@ #4
zitat:"und das wäre das einzige, für was sich eine eher linke Regierung ernsthaft einsetzen kann"
sie sollten ironie vllt als solche kennzeichnen. die forderungen der politischen linken nach "weniger" sind mir noch nicht begegnet. es wird doch immer nur nach mehr (staat / umverteilung / steuern / bevormundung / sozialausgaben) gerufen. allsamt unrealistische, ideologisch verblendete und nicht finanzierbare wünsche.
"Lediglich für die Anhänger der AfD spielen die landespolitischen Themen eine eher untergeordnete Rolle; denn sie lehnen ja mit großer Mehrheit das ganze demokratische politische System in Deutschland ab..."
Mit Verlaub, ich werde niemals diese Partei wählen, aber was hat das denn bitte noch mit seriösem Journalismus zu tun?
Oder glaubt wirklich ernsthaft jemand, die Anhänger (Wähler) der AFD wollen "mit großer Mehrheit" die Demokratie in Deutschland abschaffen?
Das ist doch lächerlich.
Genauso, wie Die Linke nicht den Kommunismus einführen will, wenn es auch ständig behauptet wird.
Und schaden wird man mit solchen Zuschreibungen der AFD sicher nicht, falls das die Absicht gewesen sein sollte.
Eher wird das Gegenteil der Fall sein.
Sachlich begründetete Kritik an der AFD ist doch nun wirklich nicht so schwer.
Aber ihre WählerInnen sollten wir als MitbürgerInnen unseres Landes ernst nehmen und nen vielleicht einfach mal zuhören, ohne sie wie armselige Idioten zu behandeln.
"Ihnen"
sorry