Das Spiel muss Kraft gekostet haben. Für diese Erkenntnis genügte ein flüchtiger Blick auf die beiden Fußballlehrer, die sich nach der Partie zwischen dem FSV Mainz 05 und dem SC Freiburg zur Pressekonferenz schleppten. Matt und müde sahen sie aus, wie zwei Großmeister nach der finalen Partie der Schach-WM. "Zäh", "schwer" und "komplex" sei so ein Spiel gegen den SC Freiburg, sagte Mainz’ Trainer Thomas Tuchel, der sich passend zur Stimmung einen grauweißen Bart wachsen ließ. Sein Gegenüber aus Freiburg, Christian Streich, ergänzte mit ein paar Ringen unter den Augen: "Spiele gegen Mainz sind sehr anspruchsvoll."
Argumentativ unterstützt wurden die beiden Trainer vom Freiburger Mittelfeldspieler Julian Schuster. "Das war für den Kopf heute sehr anstrengend. Das Spiel war sehr intensiv", sagte er. Und fügte dann diesen Satz an, der das Grundproblem dieses Nachmittags am Besten umriss: "Auch wenn das vielleicht von außen nicht so aussah."
Nein, von außen konnte man zunächst wirklich nicht erkennen, wo die Energie aller Beteiligten geblieben sein soll. Auf dem Rasen jedenfalls nicht. Dort fabrizierten die beiden Überraschungsmannschaften der Vorrunde lediglich ein 0:0, bei oberflächlicher Betrachtung sogar eines der unattraktiveren Sorte: Klare Torchancen ließen sich an einer Hand abzählen, schöne Spielzüge auch und zu allem Übel war es in der Mainzer Arena so eisig, dass selbst das sonst immer etwas beschwipste Karnevals-Publikum kalte Füße bekam. Anspruch und Komplexität, wie sie Tuchel und Streich gesehen haben wollten, haben sich dem Stadionbesucher auf Anhieb jedenfalls kaum erschlossen.
Und doch hatten beide Trainer auch irgendwie recht. Wäre auch schlimm, wenn nicht. Schließlich gehören Thomas Tuchel und Christian Streich derzeit zu den am meisten beachteten Trainern dieses Landes. Sie sind die Vorbilder der neuen, jungen Trainergeneration, die selbst nie hochklassig gespielt hat, ihren Sport aber dennoch besser lehren kann als jeder ehemalige Nationalspieler. Weil sie Fußballnerds sind, besessene Intellektuelle, die rund um die Uhr an Fußball denken. Querdenker, die der jungen Internatsfußballergeneration ihr Wissen glaubhaft vermitteln können, weil sie deren Sprache sprechen.
Thomas Tuchel, der Diplom-Betriebswirt, übernahm vor dreieinhalb Jahren den FSV Mainz 05. Bis dahin hatte er nur im Nachwuchsbereich gearbeitet. Seitdem führte er den damaligen Abstiegskandidaten auf die Plätze 9, 5 und 13. Überwintert hat der FSV in diesem Jahr auf dem sechsten Rang. Tuchel gilt als schwierig, aber genial. Mittlerweile ist er nach Jürgen Klopp der wohl begehrteste deutsche Trainer. Christian Heidel, Manager des FSV Mainz 05, sagte neulich, dass er Tuchel nicht einmal für 60 Millionen Euro gehen lassen würde.
Christian Streich, der Germanist, tickt ähnlich. Auch er arbeitete vorher ausschließlich im Nachwuchsbereich, 17 Jahre lang, als Jugendcoach und Leiter der Freiburger Fußballschule. Als Streich in der vergangenen Winterpause gefragt wurde, ob er die Profis übernehmen wolle, sagte er aus Loyalität zu, obwohl er mit dem Vorsatz ins Büro fuhr, abzusagen. Vor einem Jahr noch abgeschlagener Tabellenletzter, überwinterten die Freiburger nun sogar auf Platz fünf. Seitdem wird viel über Streich berichtet: Er sei "der verrückteste Trainer der Liga". Das ärgert ihn. Nur, weil er ab und an mit dem Fahrrad ins Büro fährt, weil er mal mit dem Rucksack durch Indien, Indonesien und Marokko reiste oder sich am Seitenrand so schön in seinen Emotionen verliert, muss man doch kein Kauz sein.
Kommentare
Event und Entertainment über alles
Es geht einem wirklich schon lange auf den Keks, dass man heute kein Spiel mehr nur ganz stinknormal einfach nur gewinnen darf, sondern dass dann gleich der unglaublich kindische Einwand kommt: "Aber es war nicht GLANZVOLL ..." Der Einfluss des Eventanspruchs an den Fußball in den letzten Jahren ist ein Grauen. Darf man mal daran erinnern, dass es hier - auch - um Sport und nicht nur im Party geht? Wer Partyfan sein will, soll zur Nationalmannschaft gehen.
Tuchel und Streich sind hervorragende, innovative, intelligente Trainer, die mit ihren jungen Mannschaften den Fußball spielen lassen, der sie in der 1. Liga überleben läßt. Dies tun sie mit taktischen Mitteln, die nicht immer Party-tauglich sind. Wem dies nicht gefällt, der soll in den Zirkus gehen.
Frage, Herr Spiller: Spielen Sie Schach?
Eine ganz andere Frage, Herr Spiller: Spielen Sie eigentlich Schach? Verfügen Sie über echte Kenntnisse? – Nichts für ungut, aber ich vermute, Ihre Kenntnisse über das Schach als solches und wie es dabei zugeht, bewegen sich zwischen vager Ahnung und völliger Ahnungslosigkeit, denn nur so ist es erklärlich, dass Sie in Ihrem Artikel mal wieder diese unselige, in zahllosen Sportberichten zu Tode gerittene Analogie vom „Rasenschach“ für ein trostloses Gekicke bemühen.
Als abschließender Hinweis für weitere Recherchen: Im Spitzenschach schießt der Puls der Protagonisten in brenzligen Situationen schon mal auf 150 Schläge und mehr hoch… Die Spieler stehen unter Dauerstress und verlieren während ihrer Wettkämpfe mehrere Kilo an Gewicht…
"Wird Fußball zum Rasenschach? Wahrscheinlich nicht."
Danke für diesen Kommentar. Er war kein bisschen überflüssig und es wurde mal Zeit, dass das jemand sagt. Auf 2 Seiten.
Seit 60 Jahen die immer gleiche Diskussion
Sorry, ein Mannschaftsspiel, das wesentlich von der Taktik lebt, sieht eben langweilig aus, wenn sich beide Taktiken blockieren.
Aber fragen sie mal Freunde des American Football. Welches Spiel ist interessanter: 36:9 oder 9:9? Bei welchem Ergebnis gab es mehr Touch-Down-Versuche?
Übrigens finde ich es prima, dass jede Schiedsrichter-Entscheidung öffentlich über Mikrophon erfolgt. So lernt man schnell Regeln des Spiels kennen und schaut auch auf Aufstellung und Wechselverhalten im Spiel. Auch mag ich beim Soccer, also unserem Fussball britische Kommentatoren lieber als Deutsche Sportreporter.