ZEIT ONLINE: Herr Kessen, was ist das eigentlich, so ein Fankongress?
Thomas Kessen: Das ist die Einladung der beiden großen deutschen Fanorganisationen Unsere Kurve und Pro Fans an Fans, die interessierte Öffentlichkeit und alle relevanten Stellen – also Vereine, Verbände und die Polizei – sich mit den Fans über den Fußball und die Abläufe des Spieltags auseinanderzusetzen und sie, so gut es geht, zu verbessern.
ZEIT ONLINE: Das Motto lautet an diesem Wochenende Fanfreundliches Stadionerlebnis: Wie Fans den Fußball wollen. Wie wollen Fans denn den Fußball?
Kessen: Wir wollen ihn besser. Wir fühlen uns noch immer nicht ernst genommen. Das diesjährige Motto ist angelehnt an das DFL-Konzept Sicheres Stadionerlebnis von vor gut einem Jahr. Wir wollen, dass mit uns geredet wird, nicht wie oftmals nur über uns. Auf dem Kongress dröseln wir den Fußball auf. Wir wollen auch über Themen wie die 50-plus-1-Regel reden. Besonders in Hoffenheim und Leipzig wird diese Regel stark gebogen.
ZEIT ONLINE: Was hat das neue Sicherheitskonzept verändert?
Kessen: Vereine dürfen nun beispielsweise Gästekartenkontingente begrenzen. Und machen auch reichlich Gebrauch davon, etwa bei den Relegationsspielen zwischen dem VfL Osnabrück und Dynamo Dresden. Das wäre früher nicht so einfach gewesen, mittlerweile geht das mit einem Zweizeiler per E-Mail.
ZEIT ONLINE: Wie sicher ist es im Stadion?
Kessen: Es ist absolut sicher. Es gab rund um das Sicherheitskonzept eine Onlinepetition namens Ich fühl mich sicher!. Da haben knapp 80.000 regelmäßige Stadiongänger unterschrieben. Aus meinem persönlichen Erlebnis kann ich sagen: Ich hatte im Stadion noch keine Probleme. Und wenn ich da jemanden höre wie den Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt, der sagt, man müsse Angst haben, ins Stadion zu gehen, kann ich nur mit dem Kopf schütteln.
ZEIT ONLINE: Trotzdem werden über die Medien immer wieder recht drastische Bilder von brennenden Fanblöcken vermittelt.
Kessen: Da muss man unterscheiden. Bengalos stehen nicht automatisch für Ausschreitungen. Ja, Pyrotechnik und was damit verbunden ist, ist ein Problem im Stadion, aber nicht das Hauptproblem.
ZEIT ONLINE: Wird am Wochenende über Pyrotechnik gesprochen?
Kessen: Nein. Nach dem Abbruch der Pyrotechnik-Gespräche seitens des DFB hat das keinen Sinn mehr. Die Argumente sind ausgetauscht, da würden wir uns im Kreis drehen. Wir würden lieber vorangehen.
ZEIT ONLINE: Was ist aus Ihrer Sicht das größte Problem im deutschen Fußball derzeit?
Kessen: Die Hörigkeit von Vereinen und Verbänden gegenüber der Politik und der Polizei. Nach dem Platzsturm beim Relegationsspiel zwischen Düsseldorf und Hertha meldeten sich Politiker zu Wort, die überhaupt nichts mit Sport und Fußball zu tun hatten. Und darauf haben Vereine und Verbände überhastet reagiert. Das halte ich für gewagt, bei solchen Schnellschüssen kommt selten etwas Gutes raus. In solchen Fällen sollte man auf Fanvertreter hören.
ZEIT ONLINE: Die Vereine stecken aber in einer Zwischenrolle. Sie brauchen ihre Fans, bekommen aber von der anderen Seite Druck aus der Politik. Die droht, Vereine müssten bald die Polizeieinsätze selbst zahlen.
Kessen: Das ist richtig. Aber da muss jeder Vereinsverantwortliche in der Lage sein, abzuschätzen, was konkrete Folgen von Verfehlungen wären, oder was einfach nur Populismus ist.
Kommentare
Fußball lebt von seinen Fans!
Ich bin regelmäßig im Fußballstadion und kann bestätigen, dass ich ebenfalls keine Angst zu haben brauche, meinen Verein zu besuchen. Auch Auswärts nicht. Die Stadien sind sicher.
Wenn mal Leute aneinander geraten passiert es eher an anderen Orten. Das hat dann allerdings eher wenig mit dem eigentlichen Fußballspiel zu tun. Es ist in dem Fall ein normales gesellschaftliches Problem betrunkener Menschen. Sowas passiert auf jeder Kirmes, jedem Oktoberfest, jedem Festival.
Es ist ganz wichtig, die Diskussion von beiden Seiten unaufgeregt zu führen. Da sind Panikmacher wie Herr Wendt sehr kontraproduktiv für beide Seiten.
Ebenso müssen die Medien aber auch nicht auf jeden Panikzug mit aufspringen. Wie Herr Kessen bereits schrieb, sind Bengalos nicht mit aggressiven Ausschreitungen gleichzusetzen. Sie wurden schon vor Jahrzehnten verwendet und irgendwie verstehe ich die Fans da auch ein Stück weit. Früher war es okay, es wurde toleriert und wurde von dem Medien auch gerne für stimmungsvolle Bilder verwendet. Nun verboten.
Interessanterweise wird diese Diskussion beim Skispringen nicht geführt. Sind Skifans besser?
Wollte das Thema gar nicht in Richtung Pyro lenken. Es ist ein schwieriges Thema.
Viel wichtiger ist es, Rassismus im Stadion im Keim zu ersticken und dafür zu sorgen, dass Fußball keine reine Showveranstaltung wird in der Sponsoren das sagen haben. Es gibt schon zu viel "Danke/Bitte" und "das Tor wird präsentiert von...".
Fußball lebt von seinen Fans!
" Die droht, Vereine müssten bald die Polizeieinsätze selbst zah
len" Was mich am meisten an dieser Frage stört ist, dass die Redaktion (entschuldigung, falls ich es überlesen habe) auch hier bei ZO sehr wenig mit Klischees aufräumt, wenn es um Finanzen im Fußball geht. Häufig kann man hier im Forum viel populistischen Schmarrn lesen ala "von meinen (!) Gebühren finanziert" "von meinen Steuergeldern bezahlt" ... ohne dass die Redaktion klarstellt, wie eigentlich die rechtliche Situation zwischen Fußballligen/Verein/Staat ist, wie das Finanzverhältnis ist (1,5Mrd.Steuereinnahmen stehen 0,5Mrd Ausgaben gegenüber) was besagter Herr Wendt ja auch ganz gern verschweigt.
Was ebenfalls sehr nervt ist die Berichterstattung bei den ÖR. Es brennen zwei drei Bengalos und es klingt, als würde es extreme Gewaltausbrüche geben, derweile Weltweit die Bengalodebatte zwar kontrovers, aber differenzierter angegangen wurde. Dabei finde ich die Einstellung von Kessen lobenswert, zu sagen, dass die Argumente ausgetauscht worden sind und eben kein Konsens gefunden wurde.
Im Bezug auf den Einfluss der Politik auf Verein, bzw. den Fußball stimme ich Kessen ebenfalls zu. Es nervt, wenn sich diverse Politiker berufen fühlen, die selbst kein Stadion besuchen und auch generell wenig vom Fußball halten, sich zu drastischen Wortmeldungen berufen zu fühlen und Ängste zu schüren, die völlig unangebracht sind. Auch Medien und Polizei dramatisieren da ganz gerne, was deutlich wurde, als die Randale der Dresdner in Bielefeld aufgearbeitet wurden und sich ein anderes Bild
ergab
und sowohl Polizei, wie auch Medienaussagen schlicht falsch waren, bzw. falsch wiedergegeben wurden.
Ich würde mich freuen wenn es wirklich so wäre
"Wir fühlen uns noch immer nicht ernst genommen."
Mit Recht. Wer kann das, worum es in diesem Interview geht schon ernst nehmen?
Ich finde es absurd und lächerlich, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Kinder ihren Anspruch äußern, mit ihrem Steckenpferd ernst genommen zu werden.
Aber die Tatsache dass das tatsächlich ein Thema für ein seriöses Online Medium ist und das diesen Bubis hier wirklich ein Forum geboten wird bedeutet eigentlich das genaue Gegenteil: So sind die Prioritäten in unserer Gesellschaft gesetzt. Albern aber wahr.
Vielleicht sollte man
sich selbst hinterfragen, wenn man in einem seriösen Online Medium in der Rubrik Sport einen Artikel liest einem nichts besseres einfällt, als solch einen inhaltsleeren Kommentar zum besten zu geben. " So sind die Prioritäten in unserer Gesellschaft gesetzt." Worüber wäre es denn dem Herrn oder der Dame genehm, dass berichtet wird, in der Rubrik Sport in einem seriösen Online Medium mit Forumsfunktion? Oh wir können gern auch über die Krise in Zentralafrika diskutieren, hier im Sportteil des seriösen Online Mediums, oder über den Erfolg/Misserfolg der ersten Regierungstage der neuen Bundesregierung hier in der RUBRIK SPORT!!!
Aber um es vielleicht auf die Formel der Vernunft herunterzubrechen. Wenn 13Millionen Zuschauer 306Spiele pro Saison besuchen, viele Millionen jedes Wochenende Spiele am TV verfolgen, dann muss man kein Soziologe sein, um ein Interesse an Fragen zu haben, die jene Fans betreffen, wie ihr Verhältnis zu den Vereinen, ihre Sicht auf Probleme, Perspektiven etc. ist.
Die Fußballstadien sind sicher ...
... wie die Renten.
Ich gehe zu Fußballspielen häufig mit einem Gefühl des "Unwohlseins". Das betrifft sowohl die Anreise, den Besuch des Spiels als auch die Abreise.
Und das Gefühl hatte ich schon beim Besuch eines Spiels von F95 gegen den BVB vor über 25 Jahren. Bestätigt wurde das durch Schlägereinen von "Fans". Ich bin dann zum Eishockey gewechselt - da funktioniert es bis heute!
Der Vergleich eines Foristen mit der Kontrolle bei Konzerten der Toten Hosen oder anderen Veranstaltungen hinkt schon deshalb, weil hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Was unterscheidet Fans von den anderen Zuschauen bei einem Fußballspiel? Gibt es gute und schlechte Fans?