Der Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift wollte seinen Augen nicht trauen: Da bot ihm doch jemand einen Aufsatz zur Veröffentlichung an, der klammheimlich aus der Doktorarbeit seiner Tochter abgeschrieben war. An anderer Stelle flog der Plagiator erst auf, als "sein" Artikel bereits in einem viel beachteten Fachorgan erschienen war. Dessen Chef ließ sich die Täuschung aber nicht gefallen und brachte den vorgeblichen Autor, einen Rechtsanwalt, in Bonn vor Gericht. In der Folge kamen weitere geistige Diebstähle zum Vorschein.
Einige Plagiate hatte er einem Hamburger Fachhochschulprofessor geliefert, der damit seinen eigenen Namen in der Wissenschaft aufpolierte. Für weitere Aufsätze nutzte der Professor den Hintermann als verschwiegenen Ghostwriter. Im Team fabrizierten die beiden sogar ein dickes Buch, mit dem sich der Fachhochschullehrer als angeblicher Alleinautor noch zum Universitätsdozenten in Erlangen weiterqualifizieren wollte. Das Prüfungs- oder Habilitationsverfahren wurde aber dank eines Hinweises vom Bonner Landgericht noch früh genug gestoppt. Am 9. April 2010 eröffnete der Präsident der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) ein disziplinarisches Ermittlungsverfahren gegen den Dozenten. Der will sich krankheitsbedingt nicht zu den Vorwürfen äußern. Im schlimmsten Fall muss er mit seiner Entlassung rechnen.
Das verdächtige Zusammenspiel ist schon vor ein paar Jahren passiert. In die Öffentlichkeit kommt die ganze Geschichte aber erst jetzt durch ein Buch des Münchner Rechtsprofessors Volker Rieble über "Das Wissenschaftsplagiat". Diese liefert eine Skandalchronik seit Anfang unseres Jahrzehnts mit lauter Klarnamen. Riebles Kernthese: Die viel beschworene "Selbstreinigung" der Wissenschaft versagt weitgehend, weil sie bei der Aufklärung von Abschreibereien die breite Aufmerksamkeit eher scheut. Betroffene Verlage regeln solche Vorkommnisse gerne intern; nachweislich falsche Autorenangaben werden nicht oder allenfalls als bedauerliches "Versehen" korrigiert. Überführte Professoren kommen mit einer dienstrechtlich unerheblichen Ermahnung davon, einem Rüffel durch den Hochschulleiter unter vier Augen oder im geschlossenen Briefumschlag.
Im konkreten Beispielfall hatte die Uni Erlangen, wie sie auf Nachfrage von ZEIT ONLINE bestätigt, den zwielichtigen Habilitationsversuch und die angemaßten Aufsätze auf sich beruhen lassen. Kein Hinweis ging an die HAW als Dienstvorgesetzte des Profs oder die Hamburger Uni, die ihm den Doktortitel verliehen hat, aber wegen Unwürdigkeit auch wieder entziehen könnte. Zum Vergleich verweist Rieble auf das Hochschulgesetz von Nordrhein-Westfalen: Danach droht einem Studenten für den Täuschungsversuch bei einer Prüfung, etwa mit einer aus dem Netz zusammengeklauten Examensarbeit, eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro. Hängt man also die Kleinen und lässt die Großen laufen?
Für Rieble sind die aufgedeckten Fälle nur die Spitze des Eisbergs. Wie kommen sie überhaupt ans Tageslicht? "Rein zufällig, durch kenntnisreiche Leser vom Fach, häufig durch Doktoranden", sagt der Experte. "Oder auch durch späteren Krach zwischen dem nominellen Autor und seinem Schreibknecht wie jüngst an der Goethe-Universität in Frankfurt."
Kommentare
Rausschmeißen - aber wie?
Das geht eben leider nicht einfach, werter Kommentator 26, weil die Plagiatoren oft Beamte sind.Warten wir also mal das Hamburger Disziplinarverfahren ab. Einfacher wäre die "Selbstreinigung", wenn alle Hochschulmitarbeiter Angestellte wäre. Dann könnte man wie in den USA einen zwingenden Code of Conduct vorgeben, mit dem Arbeitsvertrag unterschrieben lassen und danach ggf.s fristlos kündigen.
Verbeamtung von Professoren abschaffen.
Verbeamtung von Professoren abschaffen - die sollen ja auch nach der Verbeamtung noch was leisten: forschen, sich um Studis kümmern und auch mal Nachwuchswissenschaftler fördern (ohne den eigenen Namen damit zu verbinden). Mit Beamtenstatus haben die meisten Profs aber kein Inzentiv das zu tun. Schade.
Mehr sehen, als nur eine fragliche Handlung
Inhalte zu kopieren um sich somit einen Vorteil zu verschaffen (oder mit welcher Absicht auch immer) ist ein Punkt, wie auch einen Ghostwriter zu beschäftigen. Jedoch sollte man in diesem Zusammenhang doch bitte nicht die Lehre vergessen, die ein Professor auch noch ausübt. Seine Nähe und seinen Einsatz für Studenten, wie auch sein Engagement für Hochschulen und Studiengänge. Klar ist es nicht unterstützenswert und rechtlich absolut fraglich, was gewissem Professer aus Hamburg vorgeworfen wird. Jedoch kann ich aus Erfahrungen mit eben diesem Professor auch bestätigen, dass er genau die weiteren Punkte mehr als nur gut erfüllte. Dies soll keine Rechtfertigung sein, aber dazu beitragen einen Menschen nicht wegen solch einer Tat komplett abzustempeln.
Nicht zu nah am Menschen!
Kommentator 29 warnt davor, "einen Menschen" wegen Plagiats nicht "komplett abzustempeln". Der Artikel vermeidet das bewusst, indem der betroffene ja nicht beim Namen genannt wird. Wer aber, in Anlehnung an Rieble gesagt, seinen Namen mit fremden Federn in der Öffenttlichkeit schmückt, muss es grundsätzlich auch aushalten, wenn die Namenswahrheit im wissenschaftlichen Diskurs wiederhergestellt wird.