Der Pragmatiker
"Meine Promotion habe ich begonnen, um Professor zu werden. Schon während meines Studiums habe ich als wissenschaftliche Hilfskraft gearbeitet. Der Job hat mir so gut gefallen, dass ich die Wissenschaft für einen spannenden Karrierepfad hielt.
Studiert habe ich Politikwissenschaften. Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich als Professor viele Interviews zum Zeitgeschehen geben würde und mit Aufsätzen und Artikeln die Gesellschaft mitgestalten könnte. Während meiner Promotion habe ich dann gemerkt, wie langsam die Wissenschaft ist und wie wenig Einfluss sie hat.
Mittlerweile arbeite ich als Referent im Deutschen Bundestag. Das ist ein Vollzeitjob, für die Promotion bleibt kaum noch Zeit. Fünf Jahre promoviere ich nun schon. Meine Freunde sagen mir immer wieder, ich solle die Doktorarbeit doch endlich abschließen. Schließlich würde ein Doktortitel in Deutschland noch immer viele Türen öffnen.
Das glaube ich nicht. Deswegen werde ich meine Promotion wohl auch nicht zu Ende bringen. Meine jetzige Arbeit bereitet mir viel mehr Freude und ich mache jetzt genau das, was ich eigentlich als Professor machen wollte."
Anonym, 31, Berlin
Der Karrierist
"Mit meiner Promotion habe ich auch angefangen, um meine Karriereentwicklung zu verbessern. Das ist für mich ein wichtiger Antrieb. Ich untersuche, wie Unternehmen Veränderungen bewältigen, was Unternehmen auf dem Markt dauerhaft erfolgreich macht. Mit tiefgreifendem Know-how zu diesem Thema werde ich auch für viele Arbeitgeber außerhalb der Wissenschaft interessanter.
Jede "Karriere-Promotion" muss in meinen Augen selbstverständlich den wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Und wer sich nicht für sein Thema begeistern kann, wird die lange Phase der Promotion ohnehin nicht durchstehen. Ich habe 2010 mit meiner Arbeit begonnen und plane, sie in diesem Jahr abzuschließen.
Dass einige Doktoranden innerhalb von nur zwölf Monaten promovieren, finde ich fragwürdig. So schnell kann niemand ein einzelnes Thema vollständig durchdringen und angemessen weiterentwickeln. Würden schavanplag und VroniPlag solche Dissertationen analysieren, würden viele Doktortitel fallen."
Sven Petersen, 32, Witten und New York
Kommentare
Warum?
Ich schreibe hier als promovierender Biologe. In der Promotionsordnung meiner Universität wird ein Abschluss von mindestens Sehr gut vorausgesetzt.
Wenn man sich darüber beschwert, das im Vergleich zu anderen Fächern, Verhältnissmässig viele Biologen/innen promovieren sollte man einen Blick auf das System werfen. Im Vergleich zu anderen Fächern (Medizin oder ähnliches) ist die Finanzlage eher bescheiden. Die Ausbeutung der Promovierenden hat also System. Warum einen fertigen, gestandenen Dr. rer. nat. anstellen und ihn mit einer vollen Stelle bezahlen wenn man doch dafür vier Arbeitspferde mit 25%-Stellen anstellen kann, von denen 125% Leistung erwartet wird. Wie eine 25% Stelle nach dem öffentlichen Dienst Tarif bezahlt wird kann jeder googeln. Von einer 60 Stunden Woche kann ich im Normalfall nur träumen. Und ich habe noch Glück und habe eine 50% Stelle.
Jetzt kann man natürlich sagen, warum dann promovieren? Da reicht ein Blick auf die Stellenanzeigen in der Industrie. In 95% der Fällen wird hier eine Promotions als Biologe vorausgesetzt, in den restlichen 5% steht der Satz: Bewerbungen von Hochschulabsolventen mit Promotion werden bevorzugt berücksichtigt. Von Idealismus, Wissenschaftsbegeisterung und etwaiger Forschungskarriere als weitere Gründe, die zumindest für mich zutreffen, fange ich garnicht erst an, da wird man nur belächelt.
"Sehr gut" als Promotion
Das halte ich für ziemlich fragwürdig. Paradebeispiel ist doch Frau Nüsslein-Volhard, die ihr Biochemie Diplom mit 2,6 abschloss, was ja wirklich eine ganz schwache Note ist. Später jedoch hat sich herausgestellt, dass sie eine hervorragende Forscherin ist und erhielt später den Nobelpreis für Medizin und wurde Direktorin am Max Planck Institut. Die wäre dann ja bei Ihrer Uni durch's Raster gefallen...
Ich bin irgendwie alles von vieren
Ich interessiere mich stark für mein Thema, will seine gesellschaftliche Relevanz zeigen, die Denkweise dahinter würde auch zukünftige Entwicklungsvorhaben verändern und dies möchte ich gern weitervermitteln und es bringt meine Karriere voran, nur lasse ich diese nicht von anderen definieren, sondern ich definiere meine Karriere.
Auf den Doktortitel verzichtet ich gern. Ein Doktortitel macht niemanden besser, ich bin für eine unabhängige und verantwortungsvolle Forschung.
Nicht repräsentativ ...
Einige Fachrichtungen sind prinzipiell und grundsätzlich für Karrietisten-Promotionen sehr anfällig zumal sich der angesprochene Nutzfaktor der erbrachten Leistung schwer verifizieren lassen kann. Somit liegt es nahe die abgelassene heisse Luft mit der Promotion gegen das Hinterfragen der (scheinbaren?) Leistung abzusichern. Das ist doch des Pudesl Kern!
Warum nur wurden keine Promovierenden von 'serösen' Fachrichtungen befragt? Deren Ergebnisse können schließlich besser Überprüft und auf Nutzen bewertet werden. Dazu braucht es kein vroniplag, sondern nur ein gut ausgerüstetes Labor bzw. einen verlässlichen Teststand.
Mitleid hatte ich
als ein Ex-Kommilitone in Mathematik promovierte.
In der Endphase gab es weltweit noch exakt zwei Menschen mit denen er über Probleme reden konnte. Einer war in Russland, der andere in Japan.
Er hat s.E.n. eine "dünne Diss" (80 S.) eingereicht und war sehr gut.
Er befindet sich inzwischen in einer verantwortungsvollen Position.... und ich überlege immer noch, ob ich nicht mehr Tee, Kekse un Kommentare hätte abliefern sollen, um dem Jungen mehr Ruhe zu geben...