Geräusche wirken sich oft unbemerkt auf unsere Denkleistung aus. Die Psychologin Maria Klatte erklärt, unter welchen Bedingungen wir uns am besten konzentrieren können.
ZEIT ONLINE: Frau Klatte, Sie erforschen, wie sich Geräusche auf unser Denken auswirken. Was ist schlimmer für unsere Konzentration: Die Baustelle neben der Bibliothek oder die Party in der Nachbar-WG?
Maria Klatte: Beides ist ungünstig. Baustellenlärm ist in der Regel laut und aus vielen unterschiedlichen Geräuschen zusammengesetzt. Bei so einer Art von Lärm kann man nicht einfach weghören, er zieht die Aufmerksamkeit auf sich und unterbricht unsere Gedanken. Dasselbe gilt auch für den Lärm einer Party. Da kommt aber noch hinzu, dass er sich aus Musik und Gesprächen zusammensetzt. Sprache und flotte Musik wirken sich besonders störend auf geistige Leistungen aus – sogar, wenn man sie nur leise hört, oder wenn es eine Fremdsprache ist, die man überhaupt nicht verstehen kann.
ZEIT ONLINE: Wieso sind ausgerechnet Sprache und Musik so störend für unser Denken?
Klatte: Sprache, Musik mit Gesang, aber auch bestimmte Arten von instrumentaler Musik hindern uns, Information im Kurzzeitgedächtnis zu behalten. Bei Instrumentalmusik gilt das vor allem dann, wenn Folgen aus voneinander abgesetzten Tönen in schnellem Tempo gespielt werden wie etwa in schnellen, stakkatohaften Sätzen aus der Barockmusik. Die Störwirkung solcher Geräusche kann man nicht willentlich beeinflussen. Interessanterweise merken die Versuchsteilnehmer oft gar nicht, dass ihre Leistung bei diesen Geräuschen schlechter wird.
ZEIT ONLINE: Macht es einen Unterschied, auf was ich mich konzentrieren will?
Klatte: Ja. Wenn Sie sich zum Beispiel eine Telefonnummer merken wollen, sprechen Sie sich die Zahlenfolge immer wieder im Kopf vor, bis Sie die Nummer gewählt haben. Wenn Sie eine Rechenaufgabe lösen wollen, müssen Sie sich die Aufgabe und die Zwischenergebnisse merken, um auf das Ergebnis zu kommen. Sprachliche und sprachähnliche Geräusche scheinen direkt in das kognitive System einzudringen, das für das Behalten der sprachlichen Information benötigt wird, und dann leidet die Leistung. Wenn man aber eine Denkaufgabe löst, bei der sprachliche Merkprozesse keine Rolle spielen – etwa fehlende Puzzle-Steine in einem Muster ergänzen – dann stören diese Geräusche überhaupt nicht.
ZEIT ONLINE: Es gibt auch Studien, die klassischer Musik eine positive Wirkung auf die Konzentration zuschreiben.
Klatte: Ja. In einigen Studien zeigte sich, dass bestimmte Denkaufgaben besser gelöst wurden, wenn die Versuchsteilnehmer vorher einen Satz aus einer Mozart-Sonate hörten. Dieser "Mozart-Effekt" wurde aber in vielen Nachfolgestudien nicht gefunden, und wenn, dann nur bei ganz speziellen Denkaufgaben. Das ist sehr umstritten. Man kann aber sagen, dass ruhige, langsame Instrumentalmusik – wie zum Beispiel Meditationsmusik – zumindest keine negativen Wirkungen auf Lern- und Denkleistungen hat. Solche Musik schafft eine Klangkulisse, die vielen Menschen angenehmer ist als absolute Stille und zudem auch störende Geräusche maskieren kann.
Kommentare
Konzentration
Haben die Studien auch zwischen auditivem und visuellem Gedaechtnis/Konzentration unterschieden? Ich persoenlich merke mir naemlich Sachen weniger indem ich sie in meinem Kopf ausspreche, sondern eher indem ich sie mir visuell vergegenwaertige (z.B. Zahlenfolgen). Haette Laerm in diesem Zusammenhang weiterhin den gleichen Stellenwert?
Großraumbüros
Frau Klatte, Sie können sich glücklich schätzen, daß Sie eine Bürotür haben, die Sie schließen können.
Leider ist ein Großteil der deutschen Unternehmen davon überzeugt, daß man am kreativsten und besten im Großraumbüro mit maximalem Lärmpegel arbeitet. Schließlich sind deutsche Gehälter so gering, daß eingesparte Büromieten die Leistungseinbußen der Mitarbeiter durch intensive Beschallung von Besprechungen und Telefonaten aufwiegen. Meinen zumindest unsere Betriebswirtschaftler.
und das schönste daran...
...jene chefs, die das bestimmen, sitzen natürlich in ihren einzelbüros, während der gemeine mitarbeiter sich dauerbeschallen lassen darf.
Das mit der Party…
…ist nicht ganz richtig. Das Ausmaß der Konzentrationsstörung hängt mit Amplitude und Frequenz des akustischen Signals zusammen. Wenn durcheinander geredet wird (wie bei einer Party) gleichen sich die Schwankungen aus. Die Konzentrationsleistung ist dann zwar immer noch schlechter als bei Ruhe, aber besser als wenn nur eine Person spricht.
Partylärm
Das stimmt nicht ganz - wenn ich für eine Klausur lernen muß und im Stockwerk über mir findet eine Party statt, werde ich nicht nur den Lärm gestört - sondern leider auch davon, daß ich mich darüber aufrege ....man kann sich da leider ziemlich gut reinsteigern ;)
Arousal level
Also ich habe seinerzeit besonders gut in der Bibliothek arbeiten können, nicht weil es da besonders ruhig war, sondern weil im Hintergrund das sonore Rauschen der Klimaanlage zu hören war. In völliger Stille konnte ich mich nicht konzentrieren.
Auch jetzt arbeite ich gern, wenn ich nebenbei Dark Ambient höre. Böse Geister würden das nicht als Musik bezeichnen, sondern als bloßes Geräusch - was sicherlich der Wahrheit entspricht.
Tatsache ist doch, dass jeder anders auf Musik reagiert.
Es gibt Tage, da brauche ich Hintergrundgeräusche, um effektiv und effizient zu sein. An anderen Tagen pack ich mir Gehörschutz in die Ohren. Was nun, Frau Klatte?
Frau Klatte würde vermutlich sagen:
"Alles in Butter, liebe stabilobox. Denn Ihre Beobachtungen über sich decken sich mit meinen Beobachtungen und den universellen Schlüssen, die ich daraus gezogen habe."
Vielleicht, wenn Sie den Artikel nochmals lesen, diesmal etwas genauer?
Kleiner Tipp - die Stelle, die Sie anscheinend nicht ganz korrekt wahrgenommen haben:
"Man kann aber sagen, dass ruhige, langsame Instrumentalmusik – wie zum Beispiel Meditationsmusik – zumindest keine negativen Wirkungen auf Lern- und Denkleistungen hat. Solche Musik schafft eine Klangkulisse, die vielen Menschen angenehmer ist als absolute Stille und zudem auch störende Geräusche maskieren kann."