Frage: Die Studenten, die auf der Absolventenfeier der FU auffielen, trugen orangene Mützen und schwarze Jacken, die Farben der "Berliner Burschenschaft Gothia". Lässt sich erkennen, wie weit rechts die Gothia steht?
Kurth: Es gibt eine Reihe von Hinweisen darauf, dass sie sehr weit rechts steht. Dazu gehört, dass sie statt Englisch "E-Mail" deutschtümelnd "E-Post" auf ihrer Homepage schreibt, wie es in Rechtsaußen-Kreisen üblich ist. Auch die Themen, mit denen die Gothia sich befasst, und die Wahl ihrer Referenten, darunter aktuell ein Redakteur der "Jungen Freiheit", zeigen, dass sie am alleräußersten rechten Rand der CDU und rechts davon einzuordnen ist. Im Jahr 1999 hat die "SZ" ausführlich über einen Vortrag von Horst Mahler berichtet, bei dem 50 uniformierte Gothia-Mitglieder im Berlin-Zehlendorfer Ratskeller anwesend waren. Ein Jahr später berichtete der Stern über martialische Fechtrituale der Nachwuchsgruppe Iuvenis Gothia. Nicht zuletzt ist die Gothia Mitglied des ultrarechten Dachverbands Deutsche Burschenschaft ( DB ), und ihr aktiver Teil, wenn auch nicht die Alten Herren, ist auch Mitglied der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG).
Frage: Wodurch zeichnen sich die DB und die BG aus?
Kurth: 42 der 45 Mitgliedsburschenschaften der "Arbeitsgemeinschaft" BG sind Mitglied in der DB. DB und BG stehen am rechten Rand des Verbindungsspektrums. In beiden wird ein volkstumsbezogener Vaterlandsbegriff vertreten. Einigkeit besteht darin, dass das "deutsche Vaterland" größer ist als das Territorium der Bundesrepublik Deutschland . Über die Frage "wie groß?" wird kontrovers diskutiert. Für beide gelten Österreicher als Deutsche, die BG wurde 1961 mit dem Zweck gegründet, durchzusetzen, dass österreichische Burschenschaften in die DB aufgenommen werden. Die DB steht politisch weit rechts , doch das ist der BG noch nicht rechts genug, sie bildet die pressure group innerhalb der DB. Die BG tritt in der DB gemeinsam auf, stimmt gemeinsam ab und treibt so die anderen Burschenschaften vor sich her. Dabei den öffentlichen Skandal zu suchen, kann Teil der Strategie sein. Womöglich gehört dazu auch der Auftritt der vier Uniformierten an der FU. Der DB bröckelt seit vielen Jahren, weil die Gangart manchen Burschenschaften dann doch zu scharf ist.
Frage: Werden Burschenschaften vom Verfassungsschutz beobachtet?
Kurth: Ja, aber es hängt davon ab, wie die Landesämter agieren. In Hessen wurde das Landesamt vor einigen Jahren vermutlich aus politischer Rücksichtnahme zurückgepfiffen. In Bayern hat der damalige Innenminister Günther Beckstein Burschenschaften beobachten lassen, nachdem ein ausländerfeindlicher Schläger sich in einem Verbindungshaus verstecken durfte. Meines Erachtens gibt es in allen Bundesländern Burschenschaften, die vom entsprechenden Verfassungsschutz beobachtet werden müssten.
Frage: Michael Büge, Berlins Staatssekretär für Soziales, wird von Thomas Elsholtz, dem Vorsitzenden der Gothia, in den "Burschenschaftlichen Blättern" der Deutschen Burschenschaft als "Verbandsbruder" mit Gothia-Mütze präsentiert. Die "Blätter" haben wegen ihres Schriftführers Norbert Weidner von sich reden gemacht, der als ultrarechts gilt. Müsste Büge sich als Staatssekretär da nicht deutlich abgrenzen?
Kurth: Es ist geradezu schockierend, wie offensiv Büge zu seiner Mitgliedschaft in der DB steht – und das als Staatssekretär für Soziales! Er war ja auch als Pennäler bei Iuvenis Gothia. Von deren brutalen Fechtritualen, mit denen letztlich ein "Habitus ohne Mitleid" ( Norbert Elias ) erzeugt wird, sollte er sich distanzieren. Man muss sich fragen, welches demokratische Verständnis Büge hat.
Frage: Elsholtz erklärt in der Öffentlichkeit energisch, die Gothia habe mit der NPD und der "rechtsextremen Ecke" nichts am Hut. Nun gehört die öffentliche Abgrenzung von der NPD und dem Rechtsextremismus aber auch zur Strategie Ultrarechter, die so ihre Ideologie hoffähig machen wollen. Wie können Burschenschaften sich glaubwürdig abgrenzen?
Kurth: In der Tat kann es eine Strategie sein, " Rechtsextremismus " abzulehnen. Man bezeichnet dann das, was als rechtsextrem gilt, als konservativ, etikettiert also einfach um. Wenn eine Burschenschaft sagen will, wo sie politisch steht, muss sie erklären, wo die Grenzen des "deutschen Vaterlandes" sind, ob "Deutschsein" für sie durch die Abstammung oder durch den Pass definiert wird und wie sie zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen steht.
Kommentare
Alexandra Kurth
Die schon wieder.
Am Wochenende ist Burschentag in Stuttgart. Hab mich schon gewundert, wo die vorbereitenden Artikel über die Burschenschaften/NDP/NSU bleiben. Ist doch wichtig zum Einstimmen auf die Gegendemos.
Ja, da haben sie Recht.
Das ist wichtig zum Einstimmen auf die Gegendemos. Kann ja nicht sein, dass man auf den Straßen nur die Dummen sieht, irgendwo muss ja auch die intelligente Gegenposition zu sehen sein.
Deutsche
Österreicher als ethnische Deutsche zu betrachten scheint mir nicht genuin "rechts" zu sein, es könnte auch einfach einen übernationalstaatlichen Volkstumsbegriff widerspiegeln. Deutsch wäre demnach wer deutsch spricht und dem deutschen Kulturraum angehört.
Die Überwindung von Nationalstaaten und die Anerkennung der Willkürlichkeit von Grenzziehungen (bei der Grenze zwischen Bayern und Österreich besonders evident) wäre ja sogar ein eher linker Ansatz.
Wenn man den Österreichern das Deutschtum absprechen wollte, also eine ethnische Definition zugunsten der staatsrechtlichen zurückweist, könnte man auch keine ethnischen Minderheiten mehr anerkennen: Dann wären z.B. die Sorben, Friesen oder die dänische Minderheit alle Deutsche, und die Südtiroler Italiener. *Das* schiene mir nun rechtsextrem.
Sichtweisen
Das Rechtslastige in der burschenschaftlichen Sichtweise zum Beispiel auf Österreich sehe ich darin, das eine, ähnlich erscheinende zu vereinnahmen - haben Sie mal Österreicher gefragt, ob sie sich "deutsch" fühlen? - um damit anderes auszugrenzen. Im Leben gibt es wesentlich weniger Grenzen als in der Politik. Eigentlich hat es schon immer Wanderfreudige gegeben, und dann Kinder, deren Mutter aus dem einen Land kam, der Vater aus einem zweiten, und die ihr Leben in einem dritten verbracht haben. Es gab auch schon immer Völker, wie zum Beispiel die Friesen, die eine gemeinsame Kultur teilen und keinem Staat zuzuordnen sind. Wenn man das zwanghaft in ein Schema pressen muss, spricht das schon für eine gewisse Rechtslastigkeit.
Und wo ist da jetzt der "Rechtsextremismus"
(rote schrift...) aus der überschrift zu finden? Burschenschaften sind oft im 19. jahrhundert aus der opposition gegen die monarchien heraus entstanden, verkörperten also eher liberale ideen und traten für bürgerrechte ein.
Jedem linken - und solchen die sich dafür halten - gestatten wir mit dem palästinensertuch/schwarzer-block-kleidung genehmigte castortransporte zu blockieren oder bei "Einheit(z)feiern" u. "1.mai-feiern" zu randalieren u. bürger u. polizisten mit leib u. leben zu gefährden. Über diese uniformierungen und deren verhalten wird sich nicht sonderlich aufgeregt. Auch klammheimliche unterlegungen u. suggestionen kommen da nicht vor.
Also noch mal die frage: Wo ist da "Rechtsextremismus" zu finden, wenn einige studenten alte traditonen pflegen?
@Hermannrohleder
Bei manchem gehen schon beim Wort "Traditionen" die geistigen Rollläden runter. Das ist schon, sagen wir, interessant. Ich find es auch traurig, dass Studentenverbindung mittlerweise unter dem Schlagwort Rechtsextremismus einsortiert werden.
Es gibt ein wunderschönes, altes, traditionelles (!) Studentenlied: "Nein, ihr könnt uns nicht begreifen", das fällt mir immer ein, wenn ich Leute wie Frau Kurth lese/höre, die darüber schwadronieren, einem Männerbund sei "ein homoerotisches Element immanent".
Vielleicht fliegt am Samstag ja der Dachverband auseinander, und alle liberalen Bünde bis auf die 42 von der BG treten aus, aber dann würde Kurth und Konsorten vielleicht auch unterstellen, das sei dann nur aus Berechnung geschehen.
Entfernt. Kein konstruktiver Beitrag. Danke, die Redaktion/jp