Sarah hat ihr Studium nicht in Regelzeit geschafft, der Staat hat das Bafög gestrichen. Zwischen Jura-Bibliothek und Tafel-Ausgabestelle kämpft sie für ihren Abschluss.
Weil ihr ein halber Punkt fehlt, ist Sarah arm geworden. Sie fiel durch die Examensprüfung, der Staat strich wegen Überschreitung der Regelstudienzeit das Bafög. 648 Euro im Monat sind weg. Jetzt steht Sarah an der Ausgabestelle der Tafel Berlin-Friedrichshain. Sie ist auf Lebensmittel angewiesen, die anderswo aussortiert wurden. Unter den Bedürftigen fällt Sarah auf: eine junge Frau, 25 Jahre alt, zierliche Statur, Brille mit dunklem Rahmen, die Haare zum Dutt zusammengebunden.
Sarah studiert Jura und hat weniger Geld als ein Hartz-IV-Empfänger. Einem Langzeitarbeitslosen wird die Wohnung bezahlt, zum Leben werden ihm 356 Euro gewährt – ohne Zweifel ein geringer Betrag. Sarah muss von 500 Euro im Monat wohnen, sich kleiden und ernähren. 400 Euro verdient sie mit einem Aushilfsjob bei einem Rechtsanwalt. Dazu kommen gut 100 Euro Wohngeld. Die Eltern können Sarah nicht helfen, sie sind selbst bedürftig.
Sarah fühlt sich nicht wohl, wenn sie zur Tafel geht. Darf sie als junge Studentin hierher kommen? Herr Heil, der Leiter der Tafel Berlin-Friedrichshain, unterscheidet nicht zwischen jungen und alten Bedürftigen. Sarah bekommt Obst und Gemüse, Brot und Aufschnitt. "Die werden eben erst Elite", sagt Heil. Die Studentin sei kein Einzelfall.
Jeder vierte Student ist arm
Andere Ausgabestellen sehen das anders und versorgen keine Studenten. Es fällt ihnen offenbar schwer, sich vorzustellen, dass junge Leute, die die höchste Bildung in diesem Land genießen, nicht automatisch hohe Beträge auf ihrem Konto haben. Dabei ist für viele das Studium nicht nur intellektuell, sondern auch finanziell eine Herausforderung.
Armer Student – nach offiziellen Zahlen trifft diese Bezeichnung auf jeden vierten Studenten zu. Die Behörden definieren, diese Menschen fielen unter den "unterhaltsrechtlichen Richtwert", einen Betrag von 640 Euro, an dem sich der Bafög-Satz orientiert. Wer studiert, hat im Schnitt 812 Euro pro Monat zur Verfügung. Obwohl zwei von drei Studenten nebenbei jobben, sind 87 Prozent auf Unterstützung ihrer Eltern angewiesen.
Kommentare
Bravo Sarah
Ich finds gut, dass sie sich durchbeißt, keine Schulden macht und lieber jobbt und sich einschränkt. Das bildet den Charakter und zeigt die dunklere Seite unserer Konsumgesellschaft. Wenn man später die Früchte dieser Arbeit erntet, dann weiß man wenigstens dass man es sich selbst erarbeitet und verdient hat - und nicht durch Erbschaft oder reiches Elternhaus hochgepampert wurde.
Ich kenne 2 solcher Kämpfer (eine Frau, ein Mann) in meinem Umfeld, und das sind die stärksten und angenehmsten und klügsten Charaktere die ich kenne.
Kämpfer.
Das ist gut, dass es auch solche Leute gibt, die sich hochgekämpft haben und daraus offenbar mit gereifter Persönlichkeit hervorgegangen sind. Ich kenne auch so jemanden, der sich vom kleinen Dienstboten mit Hungerlohn hochgearbeitet hat in die Geschäftsführung eines größeren Unternehmens, nur hat bei dem der Charakter sehr gelitten (wenn er nicht schon immer so war). Er denkt halt, wenn er das geschafft hat, dann kann es auch jeder schaffen, und sieht in denen, die mit 50 immer noch "nur" kleine Angestellte sind, wahlweise faules oder dummes Pack, das seiner Gesellschaft nur dann würdig ist, wenn es ihm angemessen huldigt und die eigene Minderwertigkeit anerkennt.
Studienabschlusskredit
Eine Jurastudentin, die Angst davor hat, dass ihr das Konto gepfändet wird... und dann lieber bei den Tafeln echten Bedürftigen, denen niemand mehr einen Kredit geben würde, die Reste wegessen.
Neinnein, ich will jetzt nicht dem Schuldenmachen das Maul reden, aber zur Selbstverantwortung gehört m.E. auch dazu, dass man in einer solchen Lage die Backen zusammenkneift, sich die Hilfe holt, die einen weiterbringt - einen Studienabschlusskredit - und dann die freiwerdenden Ressourcen dazu nutzt, das Examen zu stemmen.
Mit dieser Rumeierei zwischen Minijob, Ämtergängen und Essenspenden organisieren kommt man doch auch nicht wirklich weiter. So hat sie dann im schlimmsten Fall das Examen erneut vergeigt, zwar keine Schulden, aber auch keinen Abschluss, und ein paar Jahre richtig in den Sand gesetzt.
Außerdem wird die KV immer teurer, je älter man wird, ab 30 ist das ein ernstzunehmender Posten.
Sie verstehen den Sinn des Lebens nicht.
Genau dafür ist das Studium da.
So eine Überlebenserfahrung, die Sarah momentan durchmacht, ist viel mehr wert als Examen.
Gerade während der Studienzeit muss man viel erleben.
Damit meine ich natürlich nicht nur die Sonnenseite (Auslandssemester => studieren am Meer, neue Leute kennenlernen und Partys, Sex etc.), sondern auch die dunkle Seite, wo man wirklich weiß, was für eine Gesellschaft ein Land zu bieten hat.
Ich bin mir sicher, dass Sarah schon als Überlebenskünstlerin gesehen hat, dass jede Gesellschaftsform immer versagt ist.
Ich bin stolz auf Sie und ich gönne ihr erfolgreiches (sowohl geistige als auch finanzielle Erfolge) Leben.
Nach dem Winter kommen warme Frühlingstage. Im Leben genauso.
Traurig ...
dass es so etwas in einem der reichsten länder der welt immer noch gibt und das gegen jede empfehlung verschiedenster studien (s. z.b. osze). aber stark wenn jemand so etwas durchsteht!
ps. besten dank an die redaktion fürs entfernen des ersten posts, ich wollte schon an die decke gehen, ob soviel dummheit.
....offene Fragen
Warum wohnt sie nicht bei Eltern/Verwandten/Freund/Zimmer für 200 EUR ?
Warum soll der Staat die Karriere eines Anwalts bezahlen? Gibt es nicht längst genug Anwälte?
Warum soll man sie über die Regelstudienzeit finanzieren? Bis auf ewig?
Wahrscheinlich kein Einzelfall
Ich habe schön ab und zu von Studenten gehört, die in der Tafel aufschlagen, habe aber nie persönlich so jemanden gekannt. Ich finde es bewundernswert, dass sich solche Leute durchbeißen. Zu Anfang meines Studiums kam ich mit ca. 100 Euro im Monat (exklusive Miete natürlich) durch, das war schon schwierig und das schafft man nicht das ganze Studium. Später wurde es zum Glück Stück für Stück besser. Das Dumme ist nur: Viele Studiengänge bieten ihren Absolventen dann auch keine besonders gut bezahlte Arbeit - da wird es für die Elite sehr schwierig, angemessen zu leben.