Die missverständliche Zahl ist in der Welt. 6,5 Millionen Arbeitskräfte würden im Deutschland des Jahres 2025 fehlen, berichteten jüngst die Süddeutsche Zeitung und der Tagesspiegel . Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, sprach im Interview mit der Welt von einer "Lücke von sechs bis sieben Millionen Fachkräften".
Zum Vergleich: In Deutschland gingen im März rund 40,5 Millionen Menschen einer bezahlten Arbeit nach. 4,5 Millionen weitere Personen wären prinzipiell in der Lage, eine Arbeit aufzunehmen, doch sie finden keinen Job, drehen in Weiterbildungsmaßnahmen Schleifen oder haben die Suche frustriert aufgegeben. Zählt man beide Gruppen zusammen, erhält man das sogenannte Erwerbspersonenpotenzial des Landes. Stimmt die Prognose von den 6,5 Millionen fehlenden Fachkräften, würde das einem Siebtel aller Menschen entsprechen, die in Deutschland arbeiten können.
Das wäre viel. Allerdings ist die Zahl mit Vorsicht zu genießen. Zu viele Unsicherheitsfaktoren können die Entwicklung noch beeinflussen: Die konjunkturelle Entwicklung zum Beispiel, der Strukturwandel in manchen Branchen, oder aber das Investitionsverhalten von Unternehmen. Unter dem Strich spricht viel dafür, dass die Lücke kleiner ausfallen wird als 6,5 Millionen.
Die Zahl stammt aus der Broschüre "Perspektive 2025: Fachkräfte für Deutschland" , welche die Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits im Januar veröffentlicht hat. Tatsächlich heißt es darin: Allein durch den demographischen Wandel werde das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland bis zum Jahr 2025 um rund 6,5 Millionen sinken. Die Prognose berücksichtigt jedoch ausdrücklich nicht, dass künftig mehr Menschen zuwandern könnten. Auch geht sie davon aus, dass der Anteil der Menschen, die eine Arbeit aufnehmen möchten, konstant bleibt. Beide Faktoren aber können das Ergebnis deutlich verändern.
Hinzu kommt: Erwerbspersonen sind nicht automatisch Fachkräfte. Als "Fachkraft" gilt der BA, wer mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung oder einen gleichwertigen Abschluss vorweisen kann. Eine Faustregel besagt, dass rund 80 Prozent des Erwerbspersonenpotenzials aus Fachkräften besteht. Nicht alle von ihnen werden unbedingt gebraucht. Der Fachkräftemangel fällt also kleiner aus – selbst, wenn die Prognose der BA ungefähr eintritt.
Dennoch wird es ihn geben. Einer McKinsey-Studie zufolge werden bis 2020 rund zwei Millionen Akademiker fehlen. Prognos geht in einem etwas älteren Papier von einem größeren Mangel aus, rechnet aber auch weiter in die Zukunft: Bis 2030 werde die Fachkräftelücke rund 5,2 Millionen Personen umfassen, davon 2,4 Millionen Akademiker und 600.000 Geringqualifizierte. Die Zahlen beziehen sich auf das Angebot an Arbeitskräften.
Auch künftig werden Arbeitslose nicht unbedingt leichter einen Job finden. Bewerber, deren Qualifikationen weniger gefragt sind oder die in strukturschwachen Regionen leben, werden es weiter schwerer haben als andere. Möglicherweise stellen die Firmen sich auf ein sinkendes Angebot an Arbeitskräften ein – im Extremfall bräuchten sie künftig so wenige Fachkräfte, dass sie die Knappheit gar nicht merkten. Andererseits ist der Mangel schon jetzt in einigen Branchen und Regionen spürbar. Es gibt zu wenige Erzieher und Fachleute aus Gesundheitsberufen. Und in Baden-Württemberg und Bayern brauchen die Maschinenbaufirmen länger als anderswo, bis sie freie Stellen mit passenden Ingenieuren besetzen können. Die Knappheit wird zunehmen.
Kommentare
Ein guter Artikel
der endlich mal wegkommt von der oberflaechlichen Debatte bei diesem Thema und in die Tiefe geht, bzw. Alternativen aufzeigt. Wie angesprochen gehen Statistiken immer von momentanen Zahlen und berechnen zukuenftige Szenarien linear oder exponentiell. Eventuelle Richtungsaenderungen werden nicht eingeplant. Zudem faellt auf, das die Debatte vor allem von der deutschen Industrie befeuert wird, die nur ein Interesse vertritt. Moeglichst billige, gut ausgebildete, flexible Arbeiter zu haben. Das ist verstaendlich, peinlich ist nur das Auftreten deutscher Politiker(oder sollte man besser Lobbyvertreter schreiben?) wie Bruederle, die sofort in den Tenor einstimmen und keinerlei Interesse an einer ehrlichen Debatte haben, bzw. versuchen Politik fuer deutsche Arbeitsnehmer zu machen. Zumal deutsche Politiker mit ihrer liberalen Wirtschaftspolitik dazu beigetragen haben, das 1-2 Millionen deutsche Facharbeiter ins Ausland gegangen sind.
Das man durch kluge Politik das Problem verhindern haette koennen, bzw jetzt noch loesen koennte, zeigt dieser Artikel auf. Ich habe aber wenig Hoffnung, das Politiker der CDU oder FDP an solchen Loesungen interessiert sind.
Verwaltung drastisch verkleinern, Talente erkennen und fördern
Wohin ich auch sehe, ist die Verwaltung viel zu aufgebläht. Wozu hat man Computer? Da dürfte ein erhebliches Potential an Fachkräften stecken. Das andere steckt in Bildung: bezahlt die Grundschullehrer besser (mindestens wie Studienräte, eher besser), stellt mehr davon ein, dann bekommt Ihr mehr "ausbaufähige Schüler". Fördert Realschüler in Arbeitsgemeinschaften nachmittags, dann wird sich vieles verbessern, auch bei den technischen Berufen. Es schlummern viele Talente, die erst einmal erkannt werden wollen. Wenn Eltern das nicht können, kann das eben die Schule. Fachkräfte müssen aber auch gut bezahlt werden. Das ist heute kaum der Fall, außer in der Industrie in einigen Firmen. Knochenverschleiß und Streß wird auch nicht bezahlt, z.B. in Bauberufen oder der Windkraftbranche.
Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, Ausbildungen breiter anzulegen, so daß man sich erst später spezialisiert und auch noch weitere Qualifikationen dazu erwerben kann. Und macht alles transparenter! Heute blickt ja kaum jemand durch, was alles angeboten wird, weil die Internetportale, die diese Informationen zu Berufen bereitstellen sollen, oft zu schlecht gemacht sind (unbezahlte Praktikanten?)
Vielleicht sehe ich es nur alleine so...
...,dass die Grundlage des Problems in der Schulbildung beginnt. Ja, es muss Fachkräfte geben und ja, diese können nur mit einer guten Schulbildung einen Ausbildungsbetrieb finden, der ihnen das Fachwissen beibringt. Problem dabei ist, dass selbst bei optimaler Grundlage aus Bildung und Ausbildung, der zukünftige Facharbeiter eben nicht unbedingt in seinem Beruf bleibt und als ungelernter/ angelernter eventuell einem Beruf nachgeht, von dem er erst in seiner persönlichen Entwicklung erfahren und in seine Interessen integriert hat. Ich selbst habe heute 4 Fachabschlüsse und erst die letzte Berufswahl mit Fachabschluss gab mir die Möglichkeit meine Interessen im Berufsleben einzubeziehen.
Woher soll ein/e 14,15 oder 16 jähriger/e wissen welchen Beruf man erlernen soll? Allein die Hinweise auf mehr Frauen im Beruf, das Gesundheitswesen u.v.m. in diesem Artikel zeigt doch deutlich die Rollen auf, in denen sich die zukünftigen Berufsanfänger wiederfinden sollen. Gleichzeitig wird auf dem Arbeitsmarkt eine feinfühlige Kranfahrerin gesucht, die es aber wegen der Rollenverteilung in der Vorentscheidung zur Berufswahl nicht gibt.
Hier liegen in der Schulbildung potentiale, die völlig ungenutzt werden. Eignungstests für alle in verschiedenen Berufsrichtungen in den letzten zwei Schuljahren, Berufsinformationen mit Probetagen verstärken und mehr Praxisbezogene Lehrstoffe in den Schulfächern. Da fängt es an!
Die entscheidende Frage lautet:
Was können die Unternehmen tun - wie oft denn noch?! Wenn man man nicht dauernd auf die Politik warten würde und endlich mal anfangen würde sich die Fachkräfte da wo man kann selbst auszubilden statt die eigenen Leute in den Abteilungen versauern zu lassen, dann wären wir den Mangel längst wieder los. Aber lieber ohne Ende quengeln - das ist ja viel einfacher. Hoffentlich spricht sich das mal bis zur Süddeutschen Zeitung und zum Tagesspiegel rum und die Bundesagentur könnte auch mal genauer recherchieren bevor man den Teufel an die Wand malt.