Die Versicherungsunternehmen zierten sich bislang, Männern und Frauen die gleichen Tarife anzubieten. Mit seinem Urteil zu Versicherungstarifen wollte der Europäische Gerichtshof für mehr Gleichberechtigung sorgen. Eine Gleichstellungsrichtlinie verpflichtet die Branche, ab dem 21. Dezember gleiche Beiträge, gleiche Leistungen und gleiche Tarife für die zwei Geschlechter einzuführen. Das klingt fair, ist aber nur ein kleiner Schritt.
Trotz der neuen Gleichstellungsrichtlinien wird es unterschiedliche Tarife für verschiedene Risikogruppen in der Versicherungsbranche weiterhin geben. Beispiel Krankenversicherung: Wer gesund lebt, Sport treibt und regelmäßig zur Vorsorge geht, bekommt von seiner Versicherung Beiträge erstattet. Raucher zahlen mehr als Nichtraucher. Ähnliches gibt es bei Autoversicherungen: Für Garagenwagen etwa sind die Tarife günstiger als für Straßenparker. Wie viel ich zahle, kann ich selbst beeinflussen, das hängt von meinem persönlichen Verhalten ab.
Oft sind die bisherigen Differenzierungen auf geschlechtstypische Verhaltensweisen zurückzuführen. Frauen verursachen statistisch weniger Unfälle als Männer. Wer vorsichtig fährt, sollte belohnt werden. Mussten deshalb aber Männer generell mehr zahlen, konnte ein einzelner Mann, der vorsichtig fährt, nicht von seinem Verhalten profitieren. In anderen Versicherungen wie der Krankenversicherung oder der Pflegepolice gilt der umgekehrte Fall: Frauen leben länger, weil sie gesünder leben und häufiger den Arzt aufsuchen. Sie beziehen statistisch deshalb länger und öfter Leistungen und mussten generell mehr zahlen. Damit ist es nun vorbei.
In der Autoversicherung haben es die Unternehmen bereits verstanden, die geschlechtstypischen Verhaltensweisen umzumünzen und somit indirekt beizubehalten: Was früher an der männlichen Fahrweise festgemacht wurde, wird künftig über Typklassen abgerechnet. Autos, die typischerweise von Männern gefahren werden, wie etwa große und PS-starke Wagen, sind demnach auch künftig teurer zu versichern als die von Frauen bevorzugten Kleinwagen. Immerhin: Wer welches Auto fährt, bleibt der persönlichen Entscheidung überlassen.
Bei anderen Differenzierungsmerkmalen, die sich unseres Einflusses entziehen, wird es aber auch weiterhin Unterscheidungen geben: Je älter wir sind, desto teurer wird eine Police. Wer ohne Vorerkrankungen einen Vertrag unterschreibt, zahlt weniger als Personen mit Vorerkrankungen oder gar Chroniker. Kaum jemand stört sich an dieser "statistischen Sippenhaft", wie Gerd Billen vom Verbraucherzentralenverband das Phänomen bezeichnete. Faire Tarife haben wir noch lange nicht.
Kommentare
was ist fair?
Eine Versicherung ist eine Wette, ich wette, dass ein Schaden nicht eintritt und zahle einen geringfügigen Einsatz (geringfügig im Vergleich zum möglichen Schaden). Je genauer das Risiko kalkuliert werden kann, desto genauer kann mein Einsatz kalkuliert werden, desto "fairer" ist die Wette, dieses dann "statistische Sippenhaft" zu nennen ... naja.
Die Unisextarife sind somit unfair!
Politisch sind sie gewollt, eine unterschiedliche Beurteilung von Geschlechtern soll es nicht geben. Okay, ich verstehe es, ich akzeptiere es, aber fair?
Etwas anders liegt der Fall bei Kapitallebensversicherungen und deutschen privaten Krankenversicherungen. Hier wird zusätzlich zur Wette noch Kapital angespart, bzw. Rücklagen zur Deckung des erhöhten Risikos im Alter gebildet. Je später ich eintrete, desto weniger Zeit bleibt zum Ansparen, desto höher wird der Beitrag. Die Begründung für den erhöhten Tarif ist hier anders, man sollte nicht immer alles in einen Topf werfen. Eine Differenzierung kann die Glaubwürdigkeit erhöhen.
Bravo!
Der erste Kommentar trifft auch gleich ins Schwarze.
Eine Versicherung ist wie beschrieben eine Wette zwischen dem Versicherten und dem Versicherer: Es gibt IMMER einen "Gewinner" und einen "Verlierer" (wobei das relativ ist, denn der Versicherte "gewinnt" nur im Schadensfall).
Der Versicherte wird dabei nicht einfach in einen Topf mit allen anderen geworfen. Vielmehr hat der Versicherer verschiedene "Töpfe", Pools, in dem er das Risiko des Versicherten klassifiziert. Je genauer der zugewiesene Pool dem tatsächlichen Risiko des Versicherten entspricht, desto profitabler ist die Versicherung, denn: Ist das tatsächliche Risiko höher als das berechnete, verliert der Versicherer direkt und ist das tatsächliche Risiko niedriger, so verliert er "risikoarme" Kunden an die Konkurenz.
Der Kern des Versicherungsgeschäfts ist also die Diskriminierung zwischen verschiedenen Risikogruppen. Erlaubt man diese Diskriminierung nicht, werden alle in einen Pool geworfen. So zahlen die risikoarmen Gruppen für die risikoreichen.
Das hat weitere Implikationen: Weder das risikoarme noch das risikoreiche Individuuum hat eine ökonomische Initiative sein Risiko zu senken (z.B. ein sicheres Auto zu fahren, das Haus zu modernisieren, mit rauchen aufhören etc...). Eher wird das Individuum sein Risiko erhöhen. Dadurch steigt das Risiko für den Versicherer insgesammt und er muss die Beiträge für alle Versicherten erhöhen.
Was von der EU verlangt wird nennt sich "Moral Hazzard".
Unsinn ...
... das Gefühl von fairer Behandlung hatte ich in den letzten Jahrzehnten meines Lebens weder bei den Versicherungsunternehmen noch bei der Politik. Und immer wenn die Worte "fair" und "gerecht" ins Spiel gebracht wurden, war dies mit Mehrkosten verbunden.
Fairness? Vonwegen
"Frauen leben länger, weil sie gesünder leben und häufiger den Arzt aufsuchen. "
Das ist doch Blödsinn impliziert wiedermal, dass die Männer nur nicht länger leben, weil sie selber Schuld daran sind. Das ist dann gleich die moralische Begründung, warum Männer die Frauen quersubventionieren müssen in Unisex-Tarifen. Das ist das genaue Gegenteil von fair.
Männer nur nicht länger leben, weil sie selber Schuld daran sind
naja, der peak in der sterbestatistik von männern zwischen 20 und 30 ist wohl selbstverschuldet - und drückt den schnitt. genau aus diesem grund haben ja männer bisher erhöhte autoversicherung bezahlt.
Was ist Fairness?
Es ergibt wenig Sinn, dass eine zu starke Differenzierung hier als unfair bezeichnet wird. Es scheint, dass zwischen den Begriffen "Fairness" und "Solidarität" nicht unterschieden wird. Warum haben wir nun eine "fairere" Situation, wenn Frauen höhere Beiträge für eine Risikolebensversicherung zahlen müssen als zuvor bzw. die selben Beiträge wie Männer, obwohl diese doch wesentlich häufiger sterben? Oder wieso sollte es umgekehrt plötzlich so viel fairer sein, wenn Männer höhere Beiträge für eine Rentenversicherung zahlen dürfen als zuvor bzw. eben die selben wie Frauen, obwohl diese wieder früher sterben und somit auch weniger von diesen Einzahlungen haben?
Das hat nichts mit Fairness zu tun. Wenn wir uns einmal vorstellen, die Versicherungen könnten (theoretisch) für jede Person eine absolut individuelle Aussage darüber treffen wie gut oder schlecht sie ihr Auto fährt oder gesund sie eben lebt, dann wäre damit doch das Maximum an Fairness erreicht. Natürlich hat das dann nichts mehr mit Solidarität zu tun. Der Sinn der Versicherungen ist es eben punktuell übermäßig hohe Kosten auf eine extrem breite Masse zu verteilen und so handhabbar zu machen. Der Gedanke hinter der Einführung von Unisextarifen ist sicherlich löblich, man hat jedoch das genaue Gegenteil erreicht.
Übrigens ist es keineswegs so, dass nun eines von beiden Geschlechtern pauschal mehr bezahlen muss, dazu ist vll. die folgende WISO Grafik interessant: http://www.zdf.de/ZDF/zdf...
Quersubventionierung
"Übrigens ist es keineswegs so, dass nun eines von beiden Geschlechtern pauschal mehr bezahlen muss, dazu ist vll. die folgende WISO Grafik interessant: http://www.zdf.de/ZDF/zdf..."
Naja, aber wenn man sich mal anschauen würde, was für jährliche Belastungen bei den einzelnen Versicherungen anfallen, dann würde man sehen, dass Männer in der Summe künftig massiv mehr Geld abdrücken müssen, um Frauen zu subventionieren.