Protokoll aufgezeichnet von Alexandra Endres. Der Klimasekretariatsmitarbeiter ist der Redaktion bekannt, er bat um Anonymität.
"Hinter den Klimagipfeln steckt eine riesige Maschinerie, die von außen wohl kaum zu sehen ist. Auch in Paris läuft viel mehr zusammen als nur die offiziellen Verhandlungen zwischen den Delegationen – und die sind schon kompliziert genug, bei mehr als 190 teilnehmenden Ländern. Stellen Sie sich mehr als 190 Anwälte und technische Experten in einem Raum vor, die sich auf einen gemeinsamen Vertragstext einigen müssen! Selbst wenn sich inhaltlich alle einig wären, müssten sie noch intensiv über juristische Feinheiten feilschen. Im Ernst: Dass die UN-Klimaverhandlungen so langsam vorangehen, kann niemanden wundern.
Ich bin kein Anwalt, aber seit einigen Jahren arbeite ich für das UN-Klimasekretariat. Zum Beispiel habe ich die Konferenz von Kopenhagen 2009 mit vorbereitet. Seither haben sich viele Dinge geändert – zum Beispiel, dass alle Staaten sich heute freiwillig zum Klimaschutz verpflichten sollen. Was gleich geblieben ist: Zwischen den Gipfeln gibt es immer drei Vorbereitungsstränge, einen auf politischer Ebene, einen technisch-juristischen und einen für die Logistik.
Auf höchster politischer Ebene geht es um Grundsatzfragen, etwa darum, welche Verantwortung die großen Entwicklungs- oder Schwellenländer für den Klimaschutz tragen. Diese Fragen sind oft kompliziert zu entscheiden, deshalb müssen die Staats- und Regierungschefs das übernehmen. Vor Gipfeltreffen wie in Paris lassen sie auch mal Testballons steigen. Beispielsweise haben sich die Regierungen von China und Frankreich zu einem möglichen Ergebnis geäußert, die G20 wiederum haben die Bedeutung der internationalen Klimapolitik betont.
Das ist Teil des Verhandlungspokers: Aus den Reaktionen kann man möglicherweise ableiten, wie weit die Gegenseite auf dem Gipfel nachgeben oder ob sie Widerstand leisten will.
Wir dokumentieren alle Protokolle und Vertragsentwürfe. Kein Wort geht verloren.
Parallel laufen das ganze Jahr über die eigentlichen, die völkerrechtlichen Verhandlungen. Das ist von den politischen Treffen der Chefs relativ unabhängig, eine ganz andere Welt: die der Anwälte und technischen Experten eben. Den Staats- und Regierungschefs geht es um die Botschaft und politische Kompromisse, sie beschäftigen sich nicht mit juristischen und technischen Detailfragen. Erst auf dem Klimagipfel am Ende jedes Jahres läuft beides zusammen.
Die Unterhändler haben sich allein in diesem Jahr vier Mal getroffen, zuletzt mehrfach in Bonn, um möglichst viele Hindernisse aus dem Weg zu räumen, nur noch die allerwichtigsten Fragen offenzulassen und den Vertragsentwurf, über den in Paris entschieden werden soll, möglichst kurzzufassen. Jetzt ist er immer noch mehr als 50 Seiten lang und beinhaltet viele Klammern – das sind die Passagen, über die noch Uneinigkeit besteht. Anfang des Jahres waren es noch mehr als 80 Seiten.
Das Klimasekretariat ist für die Logistik und Dokumentation der Gespräche zuständig. Der Pariser Vertrag soll fünf Kernpunkte beinhalten: Emissionsminderung, Anpassung an den Klimawandel, Finanzierung, Transfer von klimafreundlichen Technologien sowie Kapazitätsaufbau in Entwicklungsländern. Wir sammeln die Informationen, die einzelne Länder über ihre Politik in diesen Bereichen veröffentlichen, stellen sie online, und garantieren, dass die Verhandlungsdokumente immer aktuell sind. Außerdem bereiten wir alle weiteren Dokumente vor: die Vertragsentwürfe, die Protokolle der einzelnen Verhandlungsrunden; und stellen auch sie auf unsere Webseite. Kein Wort geht verloren.
Kommentare
Müsste heißen...
Zitat: "Kein Land will sich gern reinreden lassen"
...kein Land WIRD sich reinreden lassen.
Ich befürchte am Ende werden hier wieder nur Milliarden abgegriffen und die erklärten Ziele, als zur Zeit nicht erreichbar, in die Zukunft verschoben.
....."die erklärten Ziele, als zur Zeit nicht erreichbar, in die Zukunft verschoben."
Sie machen mir "Mut" Da wäre der Klima-Supergau nicht mehr weit!
Es wurde vier Jahre verhandelt, nun liegt ein Vertrags-Entwurf auf dem Tisch mit noch mehr als 1500 Optionen. Kommt wieder nur eine Absichtserklärung heraus? Also nichts. Oder werden diese Option ausverhandelt oder ausgeklammert. Nur dann kann
es einen neuen Vertrag geben. Im Vertrag müsste eine Begrenzung der weltweiten Erwärmung auf 2 Grad festgeschrieben werden. Das geht aber nur wenn die CO2 Emissionen um 70% reduziert werden. Das heißt: Das eigene Verhalten der 7,3 Milliarden Menschen müsste auf den Kopf gestellt werden
"Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das Ergebnis von Paris nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen."
Ach! Schade. Ist dann wenigstens auch Wort für Wort dokumentiert, wie es dazu kam?
Da gibt es gerade einen sehr detaillierten Verriss dieser ganzen Schauveranstaltungen
http://www.kontext-tv.de/...
Klimaschutz basiert auf einer Reihe von Zahlen. Wer Klimaschutzpolitik verstehen, kritisieren und die Verantwortlichen an ihre Verantwortung erinnern will, muss wissen, was hinter Budgets, Prozentzahlen usw. steht. Die Zahlen sind nämlich der Ort, an dem die Mächtigen tricksen und lügen. Es ist damit zugleich auch ihre Achillesferse. Die politischen Eliten wissen jedoch, dass die meisten Journalisten ungern rechnen, Studien nachprüfen und Fußnoten checken. Die Verursacher-Regierungen legen zudem jede Menge Hürden in den Weg, verzerren die Ergebnisse der Klimaforschung und lassen Unangenehmes schlicht weg.
Einer der am weitesten verbreitete Artikel zum Thema Klima ist der investigative Bericht des US-amerikanischen Klimajournalisten und -aktivisten Bill McKibben im „Rolling Stone“-Magazin von 2012. Der Titel des Artikels lautete nicht umsonst: „Global Warming's Terrifying New Math. Three simple numbers that add up to global catastrophe - and that make clear who the real enemy is” (2) (Die erschreckende, neue Rechnung der Erderwärmung. Drei schlichte Zahlen, die zur globalen Katastrophe führen – und klar machen, wer der wirkliche Feind ist). McKibben zeigte darin auf, dass das von Wissenschaftlern berechnete Globalbudget an Treibhausgasemissionen, das uns gemäß des 2-Grad-Ziels noch zur Verfügung steht, zur Folge hat,
.. I have a dream wird erneut nicht klappen können.
Seinen wir doch mal ehrlich: hätten die Bundesregierung in den 50. und 60. Jahren sich jemals von irgend jemanden vorschreiben lassen können/wollen: Ihr müsst das Klima schonen?
Der Wiederaufbau und die Beschäftigung der Bürger waren die ORIGINÄREN Aufgaben, die es zu erfüllen galt. Jetzt, wo wir das geschafft haben, machen wir im saturierten Deutchland auf einem den Vorreiter in Sachen Öko, weil wir es uns leisten können.
Niemand wird den anderen Völkern auf diesem Planeten den Öko-Schutz vorschreiben können. Wer wenig bis nichts hat, der hat auch nichts zu verlieren.
Wenn schon die richtig großen Verursacher da nur halbherzig mitmachen, dann können wir uns hier abstrampeln bis zur Ohnmacht - unsere und die des Planeten.
Das alles ist ein Traum und fernab von jeder Realität.
Nicht anderes als reine Wichtigtuerei. Wie die Parallelaktion in Musil´s "Mann ohne Eigenschaften".
Aber seinen wir froh, dass die Staatslenker kein anderes Thema haben, als über das Wetter zu reden. :-)