Die Stimmung auf dem Gaidar-Forum war schon immer wenig optimistisch. Jahr für Jahr diskutiert die Wirtschafselite des Landes bei dieser Konferenz im Januar die drängendsten ökonomischen Probleme. Und seit Jahren kritisieren die Experten die Wirtschaftspolitik, den Umgang mit Investoren und der Haushaltsplanung. Doch so mies wie in den vergangenen Tagen war die Atmosphäre schon lange nicht mehr.
Selbst Skeptiker waren schockiert, als gleich zur Eröffnung Finanzminister Anton Siluanow davon sprach, dass Russlands Staatshaushalt schnellstmöglich an die Krisensituation angepasst werden müsse. "Ansonsten wird sich die Krise von 1998 wiederholen", sagte der Minister. Als Folge der letzten Staatspleite vor 18 Jahren verlor der Rubel etwa 80 Prozent seines Wertes und die Russen fast ihre gesamten Ersparnisse. Regierungschef Dmitri Medwedew versuchte kurze Zeit darauf zu beschwichtigen. "Wir beobachten derzeit in unserer Wirtschaft nichts, was mit der Krise von damals vergleichbar wäre", sagte er. Dennoch müsse man sich bei der Haushaltsplanung auf die schlimmsten Szenarien einstellen.
Dass sich nun höchste Regierungsmitglieder so drastisch ausdrücken, überrascht zunächst. Waren sie es doch, die unentwegt versicherten, der Zenit der Krise sei überschritten. Und in der Tat gab es zwischenzeitlich Anlass für Optimismus. Im September verzeichnete das Statistikamt zum ersten Mal im Jahr ein kleines Plus im Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent – wenn auch nur im Vergleich zum Vormonat. Der Rubel machte in den Herbstmonaten etwa 15 Prozent zum Euro wieder gut. Doch von dieser zaghaften Erholung ist nichts mehr übrig. Schon die zweite Dezemberhälfte zeigte, wie anfällig Russlands Wirtschaft bleibt, als der Ölpreis erneut absackte. Nun, nach den ersten Handelstagen der Börsen im Januar, zeigt sich der Ernst der Lage.
Zu optimistische Ölpreis-Szenarien
Russlands Problem Nummer eins ist die Abhängigkeit von Energieexporten. Nicht nur der Haushalt hängt zu großen Teilen an den Rohstoffeinnahmen, sondern auch das Wirtschaftswachstum. Das bisherige Grundszenario der Regierung sah vor, dass das Bruttoinlandsprodukt bei einem Öl-Kurs um die 50 Dollar pro Fass um knapp 0,6 Prozent zulegen werde, mit einem Haushaltsdefizit von drei Prozent. Doch mittlerweile dümpelt das Öl der Marke Brent, an dem sich auch russische Exportpreise orientieren, knapp oberhalb der 30-Dollar-Marke. Wenn Russlands Regierungschef nun sagt, man müsse sich auf die schlimmsten Szenarien einstellen, liegt ein Teil des Problems auch darin, dass die bisherigen Negativ-Prognosen weit unterboten worden sind.
In ihrem aktuellen Schock-Szenario kalkuliert die russische Zentralbank zum Beispiel bei einem Ölpreis von 35 Dollar mit einem BIP-Minus von zwei bis drei Prozent im laufenden Jahr. Die staatliche Sberbank hat derweil bereits Stresstests für den Fall eines weiteren Preisverfalls auf 25 Dollar pro Fass angekündigt. Auch die Regierung arbeite derzeit an neuen Plänen, denen ähnliche Preisniveaus zugrunde liegen, berichtete die Wirtschaftszeitung Vedomosti kürzlich. Kaum ein Experte zweifelt jedoch daran, dass das Land gerade im Eiltempo auf ein zweites Rezessionsjahr hinsteuert.
Den Ministerien bleibt nichts weiter, als die Ausgaben zu kürzen. Um zehn Prozent sollen diese laut Finanzminister Siluanow nun sinken, quer durch die Ressorts. Einen derartigen Einschnitt hat es in der Putin-Ära noch nicht gegeben. Außerdem kursieren Gerüchte über eine Rückkehr von Ex-Finanzminister Alexei Kudrin in die Regierung. Er gilt als Verfechter von strenger Haushaltsdisziplin und als Gegner hoher Sozialausgaben.
Für die ohnehin schwache Konjunktur wären Sparmaßnahmen, zu denen es zur Zeit wohl kaum Alternativen gibt, mit Sicherheit ein weiterer Schlag. Erst kürzlich räumte Präsident Wladimir Putin ein, hohe Rohstoffeinnahmen hätten in den vergangenen Jahren die Entwicklung im Land gebremst. Weil Reformen versäumt wurden, habe die Regierung derzeit genug damit zu tun, das System funktionsfähig zu halten.
Kommentare
Wenn die Welt umstellt auf erneuerbare Energien, dann ist die Frage: Wer darf den letzten Tropfen Öl verkaufen? Natürlich wird noch Öl und Gas für die chemische Industrie benötigt, aber in ganz anderen Dimensionen.
Die einzige Lösung lautet ein Krieg zwischen Saudi Arabien und Iran, dann sind wieder die "alten Preise" möglich - ich hoffe, auf diese Idee ist noch niemand gekommen!
"Wenn die Welt umstellt auf erneuerbare Energien"
Wer stellt denn bei dem Ölpreis auf erneuerbare Energien um?
Zudem können allein erneuerbare Energien niemals den derzeitigen Energiebedarf decken.
Wer nicht hören will muss spüren.
Putin muss weg.
Dann umreißen Sie doch mal grob Ihr alternatives Szenario! Sie werden feststellen, das es sich sehr (!) viel besser mit Putin leben lässt.
Entfernt, polemisch und substanzlos. Die Redaktion/fk
Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.
Schlimm, wenn ein Land so viel auf ein Produkt setzt. In Venezuela hat man das Brot rationiert, weil man neben dem Öl einfach "vergessen" hat, so Sektoren wie die Landwirtschaft zu fördern.
Ausbaden muss es so oder so wieder die Bevölkerung...
In welchem Land
"Ausbaden muss es so oder so wieder die Bevölkerung..."
eigentlich nicht?
Ob ich mir Deutschland anschaue da muss auch die Bevölkerung das ausbaden was die Regierung so beschließt oder negiert.
In der Regel gibt ganz ganz wenige die durch die Fehlentscheidungen ob Regierung oder Wirtschaft persönliche Konsequenzen tragen müssen.
Die Frage ist ja nur das ganze im Gleichgewicht zu halten damit die Bevölkerung nicht "aufmuckt". Sollte sie es tun dann hoffend das die staatliche Gewalt die auch in Deutschland vorhanden ist (siehe Stuttgart21 z.B.) die Proteste nicht massiv unterbindet. Besser ist daher die Balance zu finden damit es nicht zu den Protesten kommt und man somit nach außen ein positives Bild abgibt aber auch damit man die staatliche Gewalt nicht einsetzen muss was die Proteste nur befördert.
Derzeit ist die Balance in der EU und hier im Artikel genannten Land nicht mehr ganz gegeben. Daher auch in beiden populistische Maßnahmen die am Zustand nichts ändern.