An einem Abend in Davos sitzt ein Amerikaner chinesischer Herkunft in einem dunklen Pub und trinkt sich die Sorgen von der Seele. Er hat lange für eine große chinesische Internetfirma gearbeitet und steht für den Typus, dem man in diesen Tagen auf den verschneiten Straßen des Schweizer Skidorfs so oft über den Weg läuft: den Menschen, die mit ihren Biografien, Jobs und Zielen die Grenzen des Nationalen schon lange hinter sich gelassen haben und sich für die Zukunft hielten. Die die Globalisierung verkörpern. Nun spüren sie eine schlimme Ahnung in sich aufsteigen: Sind sie vielleicht die Typen von gestern? Dreht sich die Welt zurück?
"Ich bin depressiv", sagt der Mann und bestellt sich das zweite Bier, wie ein Vorhang hängt sein Haar vor dem Gesicht. "Das dumme Amerika hat das smarte Amerika besiegt, und jetzt müssen es alle ausbaden."
In Davos ist die Luft jetzt so klar und kalt, dass man nach dem Einatmen stets einen leichten Hustenreiz verspürt. Gleichzeitig herrscht eine Atmosphäre von nervöser Fiebrigkeit. Es scheint, als schwebe der Geist von Donald Trump über den weißen Bergen, die das Dorf umrahmen. Die schwarzen Shuttles pendeln zwar über dieselben abgesicherten Routen wie in den Jahren zuvor, die Hotels und Restaurants sind wie immer von großen Firmen ausgebucht. Doch die 3.000 Teilnehmer des diesjährigen Weltwirtschaftsforums befinden sich in einem zauberbergsähnlichen Zustand, der vom Warten auf die Katastrophe geprägt ist.
Das liberale Erbe bewahren
An diesem Freitag, an dem die Globalisierungskonferenz endet, wird der Nationalist Trump auf den Stufen des Kapitols vereidigt. Ende einer Ära, Beginn einer anderen?
Es ist Mittwoch, als Joe Biden die große Bühne des Konferenzraums betritt und sich als "Vizepräsident der Vereinigten Staaten für weitere 48 Stunden" vorstellt. Sein Gesicht ist gebräunt und fein geschnitten, mit seiner Eleganz passt er perfekt in die hier versammelte Welt der einflussreichen Geschäftsmänner und Spitzenpolitiker. Er beginnt seine Rede damit, dass die Welt nun womöglich ohne amerikanische Führung auskommen müsse. In zwei Tagen werde schließlich ein neuer Mann übernehmen. Er nennt den Namen nicht, es ist ein bisschen wie mit Voldemort in den Harry-Potter-Büchern, aber alle wissen, wer wie gemeint ist.
"Buh!", ruft eine Frau aus dem Publikum.
Ein technischer Fehler führt dazu, dass der Scheinwerfer hinter dem Rednerpult ausgerechnet dann ausfällt, als Biden über die Errungenschaften der liberalen Demokratie spricht: "USA, Nato, die Länder Europas, wir sitzen alle im gleichen Boot. Als älteste Demokratien dieser Welt haben wir die Verantwortung, die Probleme zurückzudrängen, die vor uns liegen." Im Dunkeln fordert er das Publikum dazu auf, für die gemeinsamen Werte zu kämpfen: "Wir dürfen nie vergessen, wie weit wir gekommen sind. Oder annehmen, dass unser Erfolg weitergehen wird." Es klingt, als beschwöre er nicht nur das Publikum, sondern auch sich selbst: Es ist möglich, das liberale, globale Erbe zu bewahren. Die ungeklärte Frage ist nur, wie.
Das wissen auch – oder gerade – die hier anwesenden, gut vernetzten, exzellent ausgebildeten Experten nicht.
Kommentare
Einen Anfang könnte man machen, indem man sein Geld nicht "parkt", sondern ausgibt. Das schafft Nachfrage und damit Arbeitsplätze.
Wer aber sein Geld nur auf dem Konto hat, der schafft nichts. Im Gegenteil: Er entzieht dem Kreislauf das notwendige "Blut", das den Kreislauf am Leben hält.
So einfach ist das.
Äh, ja genau, wenn sie das sagen und bis jetzt sonst keiner auf die so einfache Lösung aller Probleme gekommen ist. Gerade der Mittelstand und die unteren Schichten sollten alle Vorsicht fahren lassen und raushauen was nur geht.
Davos ist nichts anders als Konferenz Tourismus für Eliten. Man redet sich schön, trifft sich wieder und gleichzeitig macht ein Mini-Urlaub.
Aus Davos kam sowieso nichts gescheites raus.
Entfernt. Bitte beschäftigen Sie sich mit dem konkreten Artikelthema. Die Redaktion/kno
'Hört man sich einige dieser Panels an, beschleicht einen ein Gedanke: Sind die hier anwesenden Nobelpreisträger, Spitzenpolitiker und NGO-Chefs überhaupt in der Lage, jene Menschen zu verstehen, die die globale Elite gerade abgewählt haben? Wie glaubwürdig sind die Empfehlungen zur "Post-EU-Ära", zu "Russland in der Welt" oder "Syrien und Irak: den Konflikt beenden"? Ist diese Konferenz genau der richtige Ort, um über gesellschaftliche Probleme zu sprechen, die durch Einwanderung, Digitalisierung und Freihandel entstehen? Oder ist sie genau falsch dafür?'
Wow, gute Fragen. Die stelle ich mir auch. Überhaupt ein guter Artikel.
'Etwas hat sich umgedreht. Nicht die arme Welt ist das Problem. Die reiche ist es.'
Auch wenn ich diesen Schluss etwas verändert darstellen würde:
Die reiche Welt ist nicht mehr (so) reich.
""Ich bin depressiv", sagt der Mann und bestellt sich das zweite Bier, wie ein Vorhang hängt sein Haar vor dem Gesicht. "Das dumme Amerika hat das smarte Amerika besiegt, und jetzt müssen es alle ausbaden."
Das "dumme Amerika" hat einen Teil der Bevölkerung jahrelang ignoriert und behandelt wie Menschen zweiter Klasse.
Jetzt fliegt es ihnen um die Ohren.
Trump war schon immer wie er ist.
Ein Teil der Bevölkerung hat einem anderen Teil der Bevölkerung so lange so sehr zugesetzt, bis die einen Kandidaten gefunden haben mit dem sie ihrem Frust ausdruck verleihen konnten.
Vielerorts haben Afroamerikaner und Latinos Trump gewählt.
Das liebe "smarten Amerikaner" habt ihr euch selbst eingebrockt, indem ihr einen Teil der Gesellschaft ausgeschlossen habt.
"Das dumme Amerika hat das smarte Amerika besiegt, und jetzt müssen es alle ausbaden."
Wichtig wäre es, der jeweiligen Gegenseite eine grundsätzliche Intelligenz zu unterstellen. Es hört beim Wirtschaftsmenschen oder den Eliten ebensowenig bei der Gier auf wie bei Trumpwählern mit der Blödheit oder beim Terroristen mit Allah. Alle wähnen sich im Recht und jeder (!) kann begründete Punkte nennen, die das nachvollziehbar machen.
Erst, wenn wir alle dieses Verständnis für die Wehwehchen anderer aufbringen, werden wir das Problem angehen können.
Die reichsten 8 besitzen so viel Geld wie die ärmeren 3,6 Milliarden Menschen! (Und zB Bill Gates und Warren Buffet sagen: nehmt es uns endlich weg!) Dieses Geld "erwirtschaftet" in unserem System noch mehr Geld. Woher aber kommt dieses Geld? Der exakt gleiche Betrag entsteht als Schuld an anderer Stelle. Wächst hier das Haben, wächst dort gleichermaßen eine Schuld. Es ist gegenwärtig unmöglich, durch echte Arbeit die Zinsen dieser Vermögen zu bedienen. Zusammenfassen lassen sich alle daraus resultierenden Probleme in einem Wort: Stress! Der Mensch leidet unter Stress.
Haben Sie Schulden? Wie fühlt sich das an? Hätten Sie die Schulden lieber nicht? Was würden Sie tun, um diese Schulden zu verringern? Was tun Leute, die noch viel höher verschuldet sind? Da verorte ich unser Problem. Für jedes zehntel Prozentchen Wachstum (= Schuldentilgung) tun wir Dinge, die wir dringend überdenken müssen.