Das Europaparlament hat am Mittwoch dem umstrittenen Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada zugestimmt. Was wird sich nun ändern und was nicht? Kann Ceta nach wie vor gestoppt werden? Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengetragen.
Tritt Ceta jetzt in Kraft?
Formal gesehen tritt Ceta noch nicht in Kraft. Es kann aber teilweise "vorläufig angewandt" werden. Das bedeutet konkret, dass ein Großteil des Vertrages tatsächlich bereits umgesetzt werden kann. Sobald auch in Kanada alle notwendigen Prozeduren abgeschlossen sind, könnte das bereits am 1. April 2017 der Fall sein.
Volle Gültigkeit erlangen kann Ceta erst, wenn alle 28 EU-Mitgliedsstaaten das Abkommen in ihren nationalen Parlamenten ratifiziert haben. Nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU müssten nur noch 27 Mitgliedsstaaten zustimmen.
Welche Teile von Ceta werden nicht vorläufig angewandt?
Am 13. Oktober 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren entschieden, dass nur jene Teile von Ceta vorläufig angewandt werden dürfen, die im Kompetenzbereich der EU liegen. Im Urteil hieß es:
"Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass insbesondere Regelungen zum Investitionsschutz, einschließlich des Gerichtssystems (Kapitel 8 und Kapitel 13 CETA-E), zu Portfolioinvestitionen (Kapitel 8 und Kapitel 13 CETA-E), zum internationalen Seeverkehr (Kapitel 14 CETA-E), zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen (Kapitel 11 CETA-E) sowie zum Arbeitsschutz (Kapitel 23 CETA-E) nicht von der vorläufigen Anwendung erfasst werden."
Als besonders kritisch angesehen wird, dass private Unternehmen Staaten auf Grundlage des Investitionsschutzes verklagen könnten. Kritiker sehen hier die Gefahr, dass beispielsweise Umweltschutz und Verbraucherschutz umgangen werden könnten, weil der Investitionsschutz höher gewichtet würde. Auch das damit verbundene Errichten von privaten Schiedsgerichten außerhalb einer ordentlichen Gerichtsbarkeit ist nach wie vor heftig umstritten.
Wann kommen durch Ceta die umstrittenen Schiedsgerichte?
Erst dann, wenn alle Parlamente zugestimmt haben. Die belgische Regierung hatte außerdem angekündigt, eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Rechtmäßigkeit von Ceta einzufordern. Grund dafür sind die umstrittenen Investitionsgerichte. Dieses Vorgehen resultiert aus einem Kompromiss vom November 2016 zwischen der föderalen Regierung Belgiens und der wallonischen Regierung.
Eine Alternative zu den Schiedsgerichten könnte ein internationaler Schiedsgerichtshof mit unabhängigen Richtern sein. Dieser könnte beispielsweise bei der Welthandelsorganisation (WTO) angesiedelt sein. Die EU will gemeinsam mit Kanada daran arbeiten. Schnell, so viel ist klar, wird eine solche Institution aber nicht kommen, zumal die US-amerikanische Regierung Freihandelsabkommen derzeit kritisch bewertet.
Was verändert sich schon jetzt durch Ceta?
Durch Ceta sollen beispielsweise alle Zölle für gewerbliche Waren zwischen Kanada und der EU weitgehend abgeschafft werden. Ob das zwangsläufig zu niedrigeren Verbraucherpreisen führen wird, ist unklar. Dazu müssten Zwischenhändler und Endverkäufer die niedrigeren Kosten an ihre Kunden weitergeben.
Im Rahmen des Abkommens können sich Unternehmen aus der EU künftig auch auf in Kanada öffentlich ausgeschriebene Aufträge bewerben – und umgekehrt. Das erweitert für Unternehmen beider Wirtschaftsräume die Möglichkeiten, Umsätze zu erzielen.
Beispielsweise bei Elektronikgeräten, Spielzeug oder Maschinen akzeptieren beide Vertragspartner ab sofort sogenannte Konformitätsprüfungen des anderen. Das heißt, dass für bestimmte Produkte auch nur die kanadischen Vorschriften ausreichen und umgekehrt. Dadurch müssen Produkte künftig nicht mehr kostenintensiv auf kanadische und europäische Standards hin geprüft werden. Das soll insbesondere kleinere Unternehmen entlasten und wettbewerbsfähiger machen.
Alle Kapitel des sehr umfangreichen Vertragstextes können auf der Webseite der Europäischen Kommission eingesehen werden.
Warum ist Ceta anders als bisherige Abkommen?
Ceta wird gerne als "lebendiges Abkommen" beschrieben. Das heißt, es soll stetig weiterentwickelt werden. So sollen beispielsweise europäische und kanadische Standards im Rahmen von regulatorischer Zusammenarbeit angeglichen werden. Dafür soll ähnlich wie bei dem Freihandelsabkommen zwischen Kanada, Mexiko und den USA eine Art Beratungsgremium eingerichtet werden. Dort treffen sich vor allem Vertreter von Großkonzernen und auch einiger Nichtregierungsorganisationen, um sich über etwaige Gesetzesvorhaben der Regierungen auszutauschen und Empfehlungen abzugeben.
Ähnlich dem Rat für regulatorische Kooperation (RCC) bei Nafta ist auch bei Ceta ein Forum für regulatorische Kooperation (RCF) geplant. Bei Ceta sollen dem Gremium zumindest von EU-Seite Regulierungs-Experten der Europäischen Kommission angehören (zu finden unter Artikel 21.6 in Ceta). Vertreter von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen sollen über Konsultationen eingebunden sein (Artikel 21.8 in Ceta), aber nicht direkt am RCF teilnehmen. Dennoch bekommen sie frühestmöglichen Zugang zu geplanten Gesetzesvorhaben.
Bestimmte Experten kritisieren das als Aushöhlung der Demokratie. Regierungen würden sich durch die Gremien stark hinsichtlich wirtschaftlicher Interessen beeinflussen lassen. Es würde dort ausschließlich der barrierefreie Handel im Focus stehen. Umweltschutz, Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechte würden lediglich als Hindernisse wahrgenommen. Befürworter sehen in solchen Gremien einen pragmatischen Weg, den Handel weiter zu internationalisieren, zu modernisieren und zu vereinfachen.
Kann Ceta noch gestoppt werden?
Theoretisch ja. In Artikel 30.7 des Abkommens ist festgelegt, dass eine Vertragspartei auch die vorläufige Anwendung von Ceta per "Mitteilung an die andere Vertragspartei" (Kanada) kündigen kann. Sollte beispielsweise das Bundesverfassungsgericht Ceta beanstanden, könnte Deutschland Ceta damit stoppen.
Das Abkommen muss außerdem noch durch die nationalen Parlamente der 28 beziehungsweise 27 Mitgliedsstaaten der EU kommen. Das wird noch einige Jahre dauern. Auch das kanadische Unter- und Oberhaus muss noch zustimmen. Es ist allerdings unklar, was passiert, wenn ein Parlament nicht zustimmt.
In Deutschland müssen der Bundestag und der Bundesrat über Ceta abstimmen. Noch hat die deutsche Regierung keinen Entwurf vorgelegt, aus dem hervorgeht, ob der Bundesrat lediglich einspruchsfähig ist (dann könnte der Bundestag den Bundesrat schlussendlich überstimmen) oder ob der Bundesrat zustimmen muss, weil Länderkompetenzen berührt werden.
Vermutlich wird Ceta aber zustimmungspflichtig sein. Unklar ist, ob es dann durch die Grünen gestoppt werden könnte. Die Grünen positionieren sich nicht eindeutig. Während Simone Peter auf Anti-Ceta-Demonstrationen verkündete, Ceta im Bundesrat zu stoppen, kommen aus Baden-Württemberg (Koalition aus Grünen und CDU) zögerliche Töne.
In Deutschland muss außerdem noch das Verfassungsgericht in einem Hauptverfahren entscheiden, ob das Freihandelsabkommen mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Bei einem Eilverfahren im Herbst 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht der Regierung außerdem auferlegt, eine völkerrechtlich bindende Erklärung dafür abzugeben, dass Deutschland wieder aus dem Abkommen aussteigen kann.
Anmerkung der Redaktion: Nach einem Leserhinweis haben wir uns dazu entschieden, die Funktionsweise des geplanten Forum für regulatorische Kooperation (RCF) verständlicher zu erklären. Dazu haben wir den Absatz unter "Warum ist Ceta anders als bisherige Abkommen?" korrigiert und spezifiziert.
Schneller Überblick: Die wichtigsten Freihandelsabkommen
TTIP
- 44 % des Welthandels
- 45 % des globalen BIP
- 820 Mio. Menschen
Seit dem Jahr 2013 verhandelt die EU-Kommission mit der US-Regierung über ein Transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Damit sollen Handelshemmnisse abgebaut werden. Gegner kritisieren, dass die Verhandlungen intransparent geführt würden und viele geplante Regelungen problematisch seien.
CETA
- 39 % des Welthandels
- 25 % des globalen BIP
- 535 Mio. Menschen
Das Freihandelsabkommen Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) der EU mit Kanada ist ausverhandelt. Die 28 EU-Staaten haben den umstrittenen Vertrag einstimmig beschlossen. Er tritt endgültig in Kraft, wenn alle Länderparlamente Ceta ratifizieren.
TPP
- 26 % des Welthandels
- 40 % des globalen BIP
- 800 Mio. Menschen
Das Freihandelsabkommen TPP (Trans-Pacific Partnership) wurde im Februar 2016 von den zwölf Ländern unterzeichnet. Der Pakt galt Kommentatoren als Verlagerung des Mittelpunkts der modernen Welt vom Atlantik in den Pazifik, weil es das erste große und damit maßgebliche Freihandelsabkommen der Welt werden sollte. US-Präsident Donald Trump hat Mitte Januar 2017 entschieden, aus dem Abkommen auszusteigen. Die Zukunft von TPP ist damit ungewiss.
RCEP
- 24 % des Welthandels
- 28 % des globalen BIP
- 3 Mrd. Menschen
Die RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) soll ein Freihandelsabkommen zwischen den ASEAN-Staaten und den sechs Pazifik-Ländern werden, mit denen der Verbund südostasiatischer Staaten bereits entsprechende Verträge geschlossen hatte. Der Grad der Integration soll geringer sein, als es zum Beispiel bei TTIP geplant ist. Vereinbart werden sollen Zollabbau, freier Wettbewerb, Schutz von geistigem Eigentum, wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit sowie Streitschlichtung. Die EU und die USA verhandeln nicht mit, könnten aber beitreten.
NAFTA
- 16 % des Welthandels
- 25 % des globalen BIP
- 465 Mio. Menschen
Die Freihandelszone North American Free Trade Agreement (Nafta) ist 1994 in Kraft getreten. Das Abkommen sieht Zollerleichterungen und die Öffnung einiger Märkte wie Finanzen und Energie vor und hat zwei Seitenabkommen zu Arbeitsrechten und Umweltschutz. In Mexiko wird unter anderem kritisiert, dass landwirtschaftliche Produkte aus den USA das Land überschwemmten – in den USA heißt es, dass sich Industrieproduktion in das Nachbarland verlagere.
Kommentare
In Deutschland sind Hunderttausende gegen Ceta auf die Straße gegangen. Aus guten Gründen.
Ich warte heute noch auf einen einzigen, wirklich durchschlagenden Grund. Und eine halbwegs verlässliche Statistik, wie viele der Hunderttausende auch nur eine Seite des Entwurfs wirklich selbst gelesen haben, geschweige denn alles. Oder eine, wie viele der Hunderttausende imstande sind, die zentralen Konzepte in CETA sachlich und vollständig in eigenen Worten zu erklären, und zu formulieren, was genau ihnen persönlich daran nicht passt.
"Dafür soll ähnlich wie bei dem Freihandelsabkommen zwischen Kanada, Mexiko und den USA eine Art Beratungsgremium eingerichtet werden. Dort treffen sich vor allem Vertreter von Großkonzernen und auch einiger Nichtregierungsorganisationen, um sich über etwaige Gesetzesvorhaben der Regierungen auszutauschen und Empfehlungen abzugeben."
Die Gewichtung ist eindeutig:
-vor allem Vertreter von Großkonzernen
-einige NGO's
Bitte, irgendeiner muss die Gesetzestexte ja schreiben. Unsere Politiker können anscheinend nur copy\paste, aber was will man erwarten bei soviel "Neuland"....
"Im Rahmen des Abkommens können sich Unternehmen aus der EU künftig auch auf in Kanada öffentlich ausgeschriebene Aufträge bewerben – und umgekehrt. Das erweitert für Unternehmen beider Wirtschaftsräume die Möglichkeiten, Umsätze zu erzielen." Vielleicht kann mir das jemand genauer erklären: Wodurch werden die höheren Umsätze der Unternehmen erzielt, wenn man davon ausgeht, dass die Anzahl der Aufträge gleich bleibt?
Die Anzahl der Aufträge bleibt gleich , die Zahl der Bieter wird steigen ( und immer daran denken, dass auch alle US Unternehmen unter CETA in der EU agieren können) - in der Tendenz wird der Lohn-, Leistungsdruck auf die Arbeitenden steigen und so die Angebots-Preise zumindest in der Angebotsphase sinken
Aber wie wir alle wissen und empirisch gut belegt ist (BER, S21; Elb-Harmonie u.v.a), haben die Preise zu denen Öffentliche-Aufträge vergeben werden und was letztendlich vom Steuerzahler zu bezahlen ist, nur sehr rudimentär etwas miteinander zu tun
Der Aufschlagsfaktor der sich im Verlaufe der Durchführung ergibt liegt irgendwo zwischen den Faktoren 3 - 10
Das einzige was dabei sicher ist, bei den bezahlten Löhnen wird es keinen Aufschlagsfaktor geben
Viel viel Sand in die Augen der für dumm gehaltenen Bürger
"Beispielsweise bei Elektronikgeräten, Spielzeug oder Maschinen akzeptieren beide Vertragspartner ab sofort sogenannte Konformitätsprüfungen des anderen. Das heißt, dass für bestimmte Produkte auch nur die kanadischen Vorschriften ausreichen und umgekehrt. Dadurch müssen Produkte künftig nicht mehr kostenintensiv auf kanadische und europäische Standards hin geprüft werden. Das soll insbesondere kleinere Unternehmen entlasten und wettbewerbsfähiger machen."
Die Zulassungs-Kosten nach UL ( der größten US amerikanischen Zertifizierngs-Organisation) für eine komplette Elektro-Produkte Familie ( z. B E-Wasser-Pumpen einer Baureihe mit unterschiedlichen Leistungs-Daten ) liegt unter Berücksichtigung der Kosten für den hausinternen Ingenieur bei ca. 25-35-tsd Euro. Ein Unternehmen das diese Kosten nicht aus der Porto-Kasse zahlen kann, sollte besser seine Finger vom US Markt lassen. Da all die anderen Kosten für eine Bearbeitung des CDN Marktes deutlich teurer sind
und
Ich kenne kein Unternehmen in der EU das sofern es in Nord-Amerika tätig ist, nur den kanadischen Markt bearbeitet , in aller Regel geht es um den US Markt und CDN ist ein interessanter Zusatz-Markt
Deutsche Unternehmen würden also nur dann etwas Nasenwasser sparen, wenn denn die Zulassung in D nicht nur für CDN gelten würde, sondern auch in den USA (z.B über die NAFTA Verbindung)
Es ist halt viel viel Sand den man den Bürgern wissentlich in die Augen streut
Da haben sie wohl recht. Ich kenne auch keine Firma in der es eine Extra Vertriebsgruppe für Canada gibt. Läuft entweder unter USA mit, oder Nordamerika. Anteil in meiner Exfirma ca. 9:1 USA:CAN.
Kommt denk ich auch auf die Branche an.
Automobilbau z.B. denke ich Anteil Canada gleich 0.