Geld für neue Mitarbeiter hätte Johannes Slawig durchaus. Und das war in den vergangenen Jahren in Wuppertal nicht immer so, sagt der Stadtkämmerer. Erstmals seit 25 Jahren hat die Kommune im Bergischen Land wieder einen ausgeglichenen Haushalt. Davor häufte sie in erster Linie Schulden an und verhängte einen Einstellungsstopp. Jetzt aber könnte Wuppertal neue Mitarbeiter beschäftigen, auch offene Stellen gibt es zurzeit etliche. Sachbearbeiter für Wohngeld sucht die Stadt, Bauzeichner, Techniker, Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter im Desktopmanagement. Trotzdem dauert es oft lange, bis für solche Stellen tatsächlich neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefunden sind. Und das gilt nicht nur für Wuppertal, sondern auch für viele andere Kommunen der Republik.
Den Behörden, Verwaltungen und öffentlichen Einrichtungen in diesem Land fehlt Personal, sehr viel Personal. Deshalb betreiben Kommunen, Länder und sogar der Bund zunehmend eines: Mangelverwaltung. Die restlichen Beschäftigten müssen viele Aufgaben übernehmen, die sonst auf mehr Mitarbeiter verteilt werden könnten. Viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst fühlen sich überlastet – und dafür viel zu schlecht bezahlt. Deshalb hat die Gewerkschaft ver.di diese Woche zum bundesweiten Streik aufgerufen. Sie fordert mehr Lohn für die Beschäftigten. Denn angesichts der Gehälter im öffentlichen Dienst sei es ja kein Wunder, dass Kommunen keine Erzieherinnen, Krankenhausmitarbeiter oder Verwaltungsangestellte fänden. Mindestens 200 Euro monatlich für alle Gehaltsgruppen soll es mehr geben.
Aber löst wirklich mehr Geld das
Problem? Es stimmt, dass viele Verwaltungen stark unterbesetzt sind, das
bestätigen etliche Erhebungen. Etwa 185.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen aktuell in
Verwaltung und Behörden, beziffert der Deutsche Beamtenbund. Allein die
Kommunen könnten 140.000 Menschen mehr einstellen, hauptsächlich Erzieher
und Lehrerinnen. Auf sogar 300.000 bis 400.000 fehlende Mitarbeiter im gesamten
öffentlichen Dienst schätzt das Beratungsunternehmen PwC die Beschäftigtenlücke
bundesweit schon jetzt. Bis 2030 würden es sogar 800.000 unbesetzte Stellen
sein, weil immer mehr ältere Verwaltungsangestellte in Rente gehen.
"Erst fehlte das Geld, jetzt das Personal"
Und viele Verwaltungen bekommen die Stellen auch nach monatelanger Suche nicht besetzt: So klagte allein Berlin 2017 über 4.000 offene Stellen in seinen städtischen Behörden. Davon seien 1.500 bereits seit einem halben Jahr vakant. Köln meldete 1.300 freie Stellen bei 18.000 Vollzeitmitarbeitern und rief schon 2016 eine Kampagne ins Leben: "1.000 freie Stellen – wir suchen Personal!" Auch in Dresden hieß es zuletzt, jede elfte Stelle im Rathaus sei vakant. In Wuppertal wurden immerhin 221 Mitarbeiter dringend gesucht. "Erst fehlte das Geld, jetzt das Personal", titelten dort Lokalzeitungen.
"Ob mehr Geld und höhere Gehälter wirklich die Lösung wären, weiß ich nicht", sagt Stadtkämmerer Johannes Slawig. "Es ist eher ein strukturelles Problem, weswegen wir nur schwer Mitarbeiter finden." Der Hauptgrund: Die Wirtschaft läuft so gut, dass der Arbeitsmarkt in vielen Bereichen wie leer gefegt ist. Techniker, Elektriker und Ingenieure für den Bau etwa sind kaum zu finden, weil die Immobilienbranche seit Jahren boomt. Unbeschäftigte Erzieher sind noch seltener, weil gar nicht so schnell Mitarbeiter ausgebildet werden können, wie Kindertagesstätten neu entstehen. Auf 100 offene Stellen in der Altenpflege kommen zurzeit nur 22 Arbeitslose, belegen auch Erhebungen des Wirtschaftsforschungsinstituts IWD, und bei den öffentlichen Verwaltungsmitarbeitern sind es sogar 100 Stellen je elf Bewerber.
Zahlen die Kommunen außerdem wirklich so schlecht, dass sie als Arbeitgeber derart unattraktiv sind? In München, Deutschlands teuerster Großstadt, werden derzeit unter anderem zehn Erzieherinnen und Erzieher gesucht und ein Bibliothekar. Laut Stellenausschreibung verdient ein Erzieher ohne Berufserfahrung hier knapp 2.600 Euro brutto, plus 126 Euro Münchenzulage, plus 200 Euro Arbeitsmarktzulage, plus 24 Euro je Kind, plus Zulage zur betrieblichen Altersvorsorge. Das macht schon ohne Kinder 2.900 Euro Monatsbrutto. Auf dem freien Markt wären es maximal 2.600 Euro.
Mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind es im öffentlichen Dienst sogar knapp 3.100 Euro monatlich. Und da ist die zusätzliche Altersvorsorge von 200 bis 300 Euro monatlich noch gar nicht eingerechnet. Für Angestellte im öffentlichen Dienst bleiben so rund 1.950 Euro netto. Zudem steigert sich das Gehalt automatisch, weil man schon nach einem Jahr in eine höhere Entgeltgruppe rutscht, nach drei Jahren sind es 2.166 Euro netto. Und mit zwei Kindern noch einmal 50 Euro mehr. Zudem gibt es bei der Stadt ein kostenloses Jobticket und Bahnfahrten umsonst. Für den Bibliothekar sieht es ähnlich aus: Auf dem freien Markt könnte er beim Berufseinstieg mit rund 2.500 Euro Brutto rechnen, bei der Kommune sind es inklusive Zulagen rund 3.170 Euro. "Damit sehen wir doch so schlecht nicht aus", findet ein verantwortlicher Personalreferat der Stadt München.
Kommentare
Eine gute Werbung für den Öffentlichen Dienst könnte auch sein, nicht mehr von "Jobs", sondern wieder wie früher von Arbeitsplätzen zu sprechen.
Im ÖD wird jeder schnell zum Sachbearbeiter. Schnarch. Und dann auch noch für 2 Jahre befristet ? Uncool.
Man hat halt nun mehrere Generationen lang erklärt, dass sich jeder selbst verwirklichen muss. Im ÖD gibts dröge Strukturen in denen das Bestandspersonal dahinvegetiert und die Befristet angestellten Neuankömmlinge hin und herggerissen sind nun den Aufstand zu wagen (und die Festanstellung zu riskieren) oder sich anzupassen (und ebenfaslls die Festanstelltung zu riskieren da man nicht liefert).
„Man hat halt nun mehrere Generationen lang erklärt, dass sich jeder selbst verwirklichen muss.“
Selbstverwirklichung ist nicht das Problem, sondern eine Selbstverständlichkeit. Nur wurde sie hauptsächlich in der Freizeit gepflegt. Mit der zunehmenden Amerikanisierung Deutschlands wurden jedoch auch hier durch das turbokapitalistische Selbstbild Arbeit und Selbstverwirklichung mit einander verquickt. Aus Arbeit als Mittel zum Zweck (denn, oh Wunder, Selbstverwirklichung erfordert Zeit und Geld) wurde Arbeit als Selbstzweck. Da braucht man sich aber auch nicht zu wundern, dass Sachbearbeitung als keine hippe und sexy Berufung so wie etwa die Fotografie angesehen wird.
Im Übrigen bietet der ÖD neben Sicherheit noch einen weiteren Vorzug: wenn Dienstschluss ist, dann ist Dienstschluss. Man muss also nicht befürchten, wegen turbokapitalistischer 24/7-Servicementalität um 3 Uhr nachts aus dem Schlaf gerissen zu werden.
Das Problem ist: Befristung macht Job nicht wirklich attraktiv. Und die meisten ÖD Jobs im Moment sind nun mal (erst mal) befristet.
Klar die Bezahlung ist auch nicht der Hammer.
Es weiß nur der, was Befristung wirklich bedeutet, der betroffen ist.
Und das Problem im ÖD ist Unterbesetzung. Wenn man ständig kranke Kollegen ersetzen muss wird man selber krank. Wie die Regierungen dabei zuschauen ist skandalös. Dass das Volk sich nicht empört genauso.
Einfach alle verbeamten
So wie's früher mal war. Mittlwerweile wird nur noch ab gehobenem Dienst verbeamtet. Der einfache Dienst wurde ganz abgeschafft.