68 Cent. So viel kostet der "Kornknacker" von Christa Zimmermann. 68 Cent, das ist doppelt so viel wie beim Discounter . Das Weizenbrötchen gibt es bei Zimmermann zu 30 Cent, bei Aldi aus dem Backautomaten kostet es nur rund die Hälfte. Zimmermann weiß das. "Aber wenn wir den Preiskampf mitmachen würden, müssten wir bald schließen."
Die Bäckerei Zimmermann in der Kölner Altstadt gibt es in der fünften Generation. Und irgendwie ist es den Zimmermanns gelungen, eine Nische zu finden in der schönen neuen Bäckereiwelt. Zimmermann verspricht, ohne Farbstoffe, Backmischungen und andere Zusätze auszukommen. Den Teig macht die Bäckerei selbst und kauft ihn nicht von Massenproduzenten ein. Es gibt auch keinen Coffee to go, nur Filterkaffee, keinen "neumodischen Schnickschnack", wie Zimmermann sagt. Das Modell funktioniert, die Umsätze stimmen.
Und doch sind die Zimmermanns eine Ausnahme. Eigentlich sterben in Deutschland immer mehr Bäckereien, jedes Jahr rund 400, sagt die Statistik. Gab es vor 60 Jahren noch 55.000 Bäckereien in Deutschland, sind es heute nur noch 14.000. Viele davon sind Großbäckereien, meist mit mehreren Filialen. Insgesamt gibt es 44.000 Verkaufsstellen bundesweit, im Durchschnitt hat also jeder Bäcker mehr als drei Zweigstellen. "Der Druck in der Branche ist riesig", sagt Amin Werner vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks . "Die wenigen Bäcker, die geblieben sind, mussten ein neues Konzept entwickeln und sich vergrößern".
Doch auch das wird den Trend nicht stoppen. Zwar konsumieren die Deutschen weiterhin viel Brot und Brötchen. Nur kaufen sie diese immer öfter beim Discounter oder bei Selbstbedienungsketten. Die Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg rechnet vor, dass der Anteil der traditionellen Bäckereien zuletzt nur noch bei 35,5 Prozent lag. Die meisten Deutschen gehen heute lieber zu Lidl, Aldi oder Backwerk statt zu ihrem Bäcker um die Ecke.
Die Backwaren sind dort nicht nur billiger. Es gibt auch am Abend noch warme Brötchen und frisches Brot. Die Ketten backen nicht selbst, sondern nutzen tiefgefrorene Teiglinge, die aufgebacken werden müssen, meist nur zehn Minuten lang. Das entlastet sie auch von der Frage, wie viel Teig in der Nacht produziert werden muss, damit er am nächsten Tag reicht. In den neuen Backautomaten von Aldi geht das Backen sogar noch schneller. Per Knopfdruck erhält der Kunde nach Sekunden Brezeln oder Brötchen. Der genaue Vorgang ist geheim. Das Prinzip dahinter ist jedoch immer gleich: In der Filiale wird aufgebacken, was andere liefern.
Enzyme machen die Teiglinge haltbarer
Diese Zulieferer sind Industriebäckereien. Sie stellen Teiglinge am Fließband her und beliefern anschließend Discounter, SB-Ketten und Tankstellen in ganz Deutschland. Aus Katalogen und in Onlineshops können die Kunden die Produkte bestellen – von Brezeln über Mini-Windbeutel bis hin zu Torten. Eines dieser Unternehmen ist DeWiBack aus Berlin . Es bietet seinen Kunden rund 600 verschiedene Backwaren an, teilweise selbst hergestellt, teilweise aus anderen Großbäckereien in Polen hinzugekauft. Einmal tiefgefroren, können die Teiglinge quer durch die Republik transportiert werden.
Damit die Backwaren auf dem Weg frisch bleiben, braucht es Zusatzstoffe. Die Industriebäckereien verwenden vor allem Enzyme. Diese verstärken die Eigenschaften des Teiges, sie machen ihn lockerer und die Kruste knuspriger. Emulgatoren binden das Wasser im Teig und verhindern, dass es beim Aufbacken verloren geht und das Brot austrocknet. Eines der Unternehmen, das die Enzyme erforscht und herstellt, ist die dänische Firma Novozymes. Die Firma gewinnt die Mikroorganismen etwa aus Pilzen, bevor sie dann dem Teig beigemischt werden. Traditionelle Bäckereien wie jene von Christa Zimmermann halten das Verfahren für Chemie. Firmen wie Novozymes widersprechen. "Wir alle haben Enzyme in unserem Körper, sie stecken in Pflanzen und anderen Rohstoffen", sagt René Tronborg von Novozymes. Das Verfahren beeinträchtige die Gesundheit nicht im Geringsten.
Kommentare
Massenproduktion vs. Nische
Das ist nur ein kleiner Aspekt dieses "Kampfes" (polemisch ausgedrückt) der in praktisch jedem produzierenden Gewerbe geführt wird (oder wurde, denn in vielen Branchen ist der "Kampf" längst vorbei).
Der Kunde ist meist rational. Vielleicht gibt es auch den ein oder anderen emotionalen Brötchenkäufer, aber die Mehrheit orientiert sich wohl an den Fakten: Geschmack, Inhalt, Preis. Wenn der Geschmack stimmt, der Inhalt unbedenklich ist und der Preis günstiger, warum sollte man dann dem "handwerklichen" Brötchen den Zuschlag geben und nicht dem Industriebrötchen? Zumal das Einkaufen des Industriebrötchens mit all den anderen Einkäufen zusammen erledigt werden kann.
Wer im kleinen Maßstab produziert (egal was) und dabei naturgemäß nicht mit den Großproduzenten mithalten kann, muss sich eben um eine Nische sorgen. Es wird immer einige Leute geben, die halt "alles wie früher" haben wollen und schätzen, dass bei ihnen um die Ecke ein Bäcker ist, den sie vielleicht persönlich kennen, mit dem sie beim Brötchenkauf einen Plausch halten können, oder was auch immer. Oder der Bäcker muss sich ein anderes Alleinstellungsmerkmal verschaffen, dass es so noch nicht gibt; er BRAUCHT aber diese Nische weil er im normalen Wettbewerb nicht wird mithalten können.
Ob man das jetzt traurig findet oder nicht, ist Geschmackssache. Ein Bäcker sollte sich aber nicht beschweren, wenn die Kunden woanders kaufen, weil dort die Eckdaten besser stimmen; dies ist nur logisch.
Der Kunde ist nicht rational
dass Geschmack und Qualität von Billigware und Qualitätsware gleich sind ist eine fromme Selbstberuhigung der Käufer um nicht zugeben zu müssen, dass "Geiz geil ist".
Es gibt eine Produktqualität beim guten Handwerksbäcker von der können Sie bei Billigback&Co. noch nichtmal träumen.
Und wenn dann alle traditionellen Bäckereien
verschwunden sind sehnen sich die Deutschen nach dem Bäcker um die Ecke und schimpfen auf die Billiglöhne und schlechte Warenqualität der Discounter.
Re: Und wenn dann alle traditionellen Bäckereien
> verschwunden sind sehnen sich die Deutschen nach dem Bäcker
> um die Ecke und schimpfen auf die Billiglöhne und schlechte
> Warenqualität der Discounter.
Genau so ist es. Und das geht mir persönlich jetzt schon so! Nichtmal in Großstädten in bester (Wohn-)Lage findet man noch einen gescheiten handwerklichen Bäcker. Alles nur noch gepanschter Einheitsbrei, geliefert von den drei Großbäckern die es für eine 2 Mio Stadt noch gibt und die überall ihre Filialen haben. Egal wo man hingeht: es ist nichts mehr richtig frisch, es schmeckt oft genug nicht aber die Preise sind dieselben wie beim Handwerksbetrieb.
Da kann man dann sein Brot auch beim Aldi kaufen - schmeckt genauso besch.. und hält maximal drei Tage, aber kostet wenigstens nur ein drittel.
... Es gibt noch Leben im besetzten D. ...
"Die meisten Deutschen gehen heute lieber zu Lidl, Aldi oder Backwerk statt zu ihrem Bäcker um die Ecke."
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Was bleibt den meisten Kunden heute übrig?
Die "Großen" haben die kleinen normalen Bäckerläden mittels Dumpingpreisen vor ein, zwei Jahrzehnten regelrecht "fertig gemacht" = direkt neben dem traditionellen Bäckerladen machte ein "Kamps" (oder der andere Große) auf und die alten Läden mussten dann aufgegeben. Nun ham wa den Salat: Überall dieses chemisch aromatisierte Plastik-Fraß.
In ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Bäckern (Ali Genc & zwei Freunde) und einer handvoll Verkäuferinnen & Bedienungen (Julia, Gunni, ...) bevölkerte Bäckerei in Berlin Lichterfelde hört nicht auf... (200 Meter hinter S-Bahn Licherfelde-West).
wider der maschinellen Abfertigung
Das ist eine wunderschöne Sache und ich hoffe sehr, dass die Kundschaft von Ali und seinen Freunden viele Bekannte mitnimmt, damit die auch mal den Unterschied zwischen einem maschinell gedrehtem Brötchen und einer von Menschenhand geformten Schrippe erfahren. Keine Maschine kann Geist und Seele in die Backware kneten. Der Mensch drückt beide gefühlvoll tief in den Teig, weil er Liebe hat, gibt und empfangen kann. Und das schmeckt man.
Qualitaet
finde ich bei den Discountern jedenfalls kaum. Aber fuer Qualitaet bin ich bereit, mehr zu zahlen - trotz kleinem Einkommen. Aber ich weiss, dass viele Leute nicht so denken, und dass sie die Discountermonokultur nich stoert.
Stichpunkt Qualität
diese leidet m.M. nach erheblich durch die Massenherstellung. Grade in den letzten zwei bis drei Jahren hat sich das bemerkbar gemacht, inzwischen kenne ich in meinem Wohnort u. Umgebung nur noch wenige Bäcker, die überhaupt noch selbst herstellen.