Seit heute Morgen ist amtlich, was Experten bereits vor Monaten prophezeit haben. Nicht nur bei Föten im Mutterleib kann das gesamte Genom des werdenden Lebens lange vor der Geburt gelesen werden – auch die Erbinformation im Genom von künstlich befruchteten Embryos lässt sich vollständig entziffern, ehe sie in die Mutter übertragen werden.
Das erste Kind, das als Embryo dieser Prozedur unterzogen wurde, ist im Juni in den Vereinigten Staaten geboren worden, gab der britische Reproduktionsgenetiker Dagan Welss von der Uni Oxford am Vormittag bei der Jahrestagung der europäischen Reproduktionsmediziner (ESHRE) in London bekannt.
Als die Erbanlagen des Babys, das seine Eltern Connor tauften, lesefertig vorlagen, war seine Mutter noch nicht einmal schwanger. Die Eltern des Babys – die 36-jährige Marybeth S. und der 41-jährige David L. – hatten fünf Jahre lang vergeblich versucht, Kinder zu bekommen. Nach der Auswahl des genetisch gesunden Embryos war die Schwangerschaft nach künstlicher Befruchtung dann schließlich erfolgreich.
Auch andere Paare hätten das neue Verfahren bereits genutzt. Die Geburt eines weiteren Babys, dessen Genom nach demselben Verfahren noch vor seiner Verpflanzung in den Mutterleib entziffert wurde, stehe kurz bevor, berichteten die britischen Forscher.
Das neue Testverfahren ist eine Weiterentwicklung der Präimplantationsdiagnostik. Mit dieser Methode werden bisher Embryonen – bevor sie zur künstlichen Befruchtung eingesetzt werden – gezielt auf bestimmte Erbkrankheiten untersucht. Dabei entnehmen die Mediziner einzelne Zellen aus dem Embryo und testen einzeln Gene in der Erbsubstanz der Zellen auf Defekte.
Meist geht es dabei um Defekte, die auf nur einem Gen liegen (monogene Erbkrankheiten). Besteht ein Verdacht, etwa weil einer der Elternteile die Veranlagung für eine solche erbliche Erkrankung in sich trägt, können die Embryonen daraufhin getestet werden, bevor sie zum Ziel einer künstlich erzeugten Schwangerschaft in die Gebärmutter der Frau verpflanzt werden.
Inzwischen ist es den Forschern jedoch gelungen, aus der winzigen Menge Erbsubstanz von zwei oder drei Zellen des Embryos dessen gesamtes Genom zu entziffern und zu analysieren.
Ziel ist eine höhere "Baby-Take-Home-Rate"
Den Wissenschaftlern um Wells geht es derzeit jedoch nicht um die vollständige Genomdekodierung. Ziel der Untersuchung ist es, eine besonders hohe Schwangerschaftsrate bei der IVF-Behandlung zu erreichen, um den Patientinnen wiederholte Behandlungszyklen und Hormongaben zu ersparen. Reproduktionsmediziner sprechen bei der Quote der erfolgreichen Geburten nach künstlicher Befruchtung von der "Baby-Take-Home-Rate".
Kommentare
Das nennt man Zukunft
Aber wie praktisch immer wird das Neue den Menschen erstmal wieder Angst machen und Panik auslösen - wie sich hier bald in den Kommentaren zeigen wird ;-)
Kurz vor der Geburt meiner 1. Tochter hörte ich
die Mutter des gerade geborenen Kindes angstvoll rufen: Ist es denn gesund?
Zwischen den Wehen hatte ich die Zeit, mir zu überlegen, ob das auch für mich wichtig sei.
Ich kam zu dem Schluss, mit diesem Gedanken will ich meine Nachkommen nicht begrüssen.
Was wäre denn, wenn das Kind krank wäre? Was wäre da die Alternative?
Jedes Kind, jeder Erwachsene wird irgendwann mal krank, möglicherweise auch behindert oder was man da so nennt. Vor Unfällen ist niemand gefeit.
Zu meinen, weil man um Milliarden Dollars, Euros Kinder vor der Geburt da selektiert, würde die Menschheit nur mehr aus gesunden Individuen bestehen, ist irrig.
wieviele werden denn AUSSORTIERT
wieviele Embyronen mit "Defekten" werden denn aussortiert unter denen die "sauber" sind?
Für mich eher Geldmachen als Medizin.
Medizinischer Fortschritt und begrüßenswert
Eine Methode, die Frauen die körperliche Tortur erspart, mehrfach hintereinander schwanger zu werden und Aborte zu erleben, eine Methode, die Paaren mit Kinderwunsch die psychische Belastung durch Wechselbäder aus Hoffnung und Enttäuschung und abermals Hoffnung und Enttäuschung mit ständig anzupassenden Lebensentwürfen erspart, ist uneingeschränkt zu befürworten.
Wenn Sie sich am Wort _aussortieren_ stören, denken Sie bitte daran, saß es sich um nicht überlebensfähige Zellklumpen handelt, die einer Frau vor dem Absterben einfach gar nicht erst eingesetzt werden.
Das alles als Geldmacherei abzutun, greift zu kurz und ist vermutlich auch noch sachlich falsch.
Blinder Fleck
Wir ignorieren als Gesellschaft seit vielen Jahren die Tatsache, dass die IVF (auch bekannt under dem etwas irreführenden Namen "künstliche Befruchtung") stets damit verbunden ist, dass die meisten so gezüchteten Embryonen später getötet werden, nicht weil sie Gendefekte haben, sondern schlicht weil sie überzählig sind. Die ideologische Debatte setzt erst ein, wenn vor der Entscheidung, welcher Embryo abgetötet wird, eine Qualitätskontrolle stattfindet. Ein bisschen spät, könnte man meinen!
Ein bischen spät? Ein bischen falsch!
"Ein bisschen spät, könnte man meinen!"
Ein bischen falsch, könnte man meinen!
Es wird nicht überprüft, wie "sauber" oder "genetisch reinrassig" der Embryo ist, es wird untersucht ob er lebensfähig ist!
Ist er nicht lebensfähig wird er direkt entsorgt ohne ihn der Frau einzupflanzen und auf die "natürliche Entsorgung" 4-6 Wochen später in Form eines Abortes zu warten.
Mehr passiert hier nicht.
Und dass es scheinbar unfruchtbaren Frauen möglich ist überhaupt Kinder zu bekommen (ob behindert oder gesund) finde ich einen großartigen Erfolg!
Wenn das Genom bekannt war,
dann war es nicht nur bekannt, sondern ist es weiterhin. Wo bleibt da das Recht des betreffenden Kindes, nicht zu wissen?