Am frühen Morgen ist die Luft mal für ein paar Stunden klar und im Horizont sind die Westberge zu sehen. Doch kaum hat der Morgenverkehr eingesetzt, wird der Himmel wieder trüb. Auf die Zunge legt sich ein seltsam matter Geschmack. Die Luft riecht beißend nach einer Mischung aus Schwefel und Kohlebriketts. Und 200 Meter entfernte Hochhäuser sind nur noch in Facetten zu erkennen. Passanten halten sich ihre Ärmel vor dem Mund, um den gefährlichen Smog nicht einzuatmen.
So geht es in Peking seit nunmehr drei Wochen. Auf einige wenige klare Morgenstunden folgen mehrere Tage mit dichtem Nebel und Luftverschmutzung. "Ich weiß nicht, ob ich das meinen Kindern noch länger zumuten kann", sagt ein deutscher Firmenvertreter, der seit 25 Jahren in der chinesischen Hauptstadt lebt. "Wir überlegen ernsthaft, nach Deutschland zurückzukehren."
In Peking und weiten Teilen Nord- und Ostchinas gehört der Feinstaub seit vielen Jahren zum Alltag. Doch die Werte, die die staatlichen Stellen in den vergangenen Wochen gemessen haben, schrecken nun auch die chinesische Öffentlichkeit auf. Die US-Botschaft in Pekings Innenstadt, die seit einigen Jahren eigene Untersuchungen vornimmt und sie stündlich per Twitter und online veröffentlicht, hat vor zwei Wochen 884 Mikrogramm gemessen. Der Wert bezieht sich auf eine Feinstaubmenge in einem Kubikmeter Luft mit Teilchen, die einen Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer pro Partikel (PM2,5) haben. Dieser Staub ist besonders gefährlich, weil er über die Lunge direkt ins Blut gelangen kann und so etwa das Krebsrisko erhöhen kann.
884 Mikrogramm pro Kubikmeter war der höchste bislang gemessene Wert in Peking. In der Industriestadt Shijiazhuang südöstlich von Peking soll der Feinstaubwert am gleichen Tag sogar 1.100 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten haben. Im Südosten des Landes brannte zwischenzeitlich für mehrere Stunden eine ganze Fabrikanlage, ohne dass es jemandem auffiel. Der Smog war zu dicht. Und auch heute Morgen lag die Feinstaubkonzentration in Peking wieder bei mehr als 400 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die US-Botschaft warnt: "gefährlich."
Die Weltgesundheitsorganisation sieht ab 25 Mikrogramm pro Kubikmeter die Gesundheit beeinträchtigt. Werte über 300 gelten als sehr ungesund. Der offizielle Index der chinesischen Behörden reicht bis 500. "PM2,5 ist ein tägliches Risiko für die Gesundheit der Öffentlichkeit", sagt auch Greenpeace in China. Die Umweltorganisation hat gemeinsam mit der Pekinger Universität eine Studie über die Folgen der Luftverschmutzung erstellt. Allein in den Städten Schanghai, Peking, Guangzhou und Xi'An sollen im vergangenen Jahr mehr als 8.500 Menschen infolge der schlechten Luft frühzeitig gestorben sein.
Längst sind nicht mehr nur Metropolen betroffen
Krankenhäuser in Peking berichten seit Wochen über eine steigende Zahl von Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen. Alte Leute trifft die schmutzige Luft besonders hart, berichtet ein Arzt des Pekinger Xiehe-Krankenhauses. Aus Unwissenheit ignorierten viele von ihnen die Warnungen und verrichteten in alter Manier ihre morgendliche Frühgymnastik im Freien. Der Arzt berichtet von schweren Lungenentzündungen bis hin zu Herzstillstand. "Die Luft ist eine Katastrophe."
Hohe Feinstaubkonzentrationen gibt es zudem längst nicht mehr nur in Metropolregionen, sondern im gesamte Land. Auch die Pekinger Qinghua Universität hat zusammen mit der Asiatischen Entwicklungsbank vor Kurzem eine Studie vorgestellt. Von den 500 größten Städten Chinas erreichen weniger als ein Prozent die Standards der Weltgesundheitsorganisation für die Luftqualität. Danach sollten im Laufe von 24 Stunden im Schnitt die Werte für PM2,5 25 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht überschritten werden. Von den zehn Städten mit der höchsten Luftverschmutzung weltweit befinden sich sieben in China.
Kommentare
Der saure Apfel des Wohlstands
Warum nicht? Wer nicht hören will, ..................
Entfernt. Kein konstruktiver Kommentar. Die Redaktion/kvk
Supi Wachstum!
Tolle Sache das mit dem stetigen Wachstum, dem Kapitalismus und dem Wirtschaftsaufschwung.
Heute stirbt man in China nicht mehr an Unterernährung, sondern an Vergiftungen, Krebs und Verkehrsunfällen.
Es lebe der Fortschritt!
the_cat
Typisch für China
Das letztendlich zu späte und offensichtlich eher inkonsequente Eingehen auf die Luftverschmutzung ist typisch für die chinesische Regierung. Es wird immer erst dann gehandelt wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
Andere Beispiele:
Aufgrund massiver Schadstoffeinleitung in einen großen See aus dem aber gleichzeitig Metropolen in der Umgebung Trinkwasser beziehen ist der See letztendlich eutrophiert (umgekippt). Dass heißt es kam zu extremen Algenwachstum und sämtliche (noch lebenden) Fische sind aufgrund des Sauerstoffmangels gestorben. Die vom Wasser abhängigen Städte konnten nicht mehr versorgt werden. Die Reaktion: mit Pumpen und kleinen Booten werden die Algen abgetrennt. Jedoch wurden nicht die Fabriken, welche für die Verschmutzung verantwortlich sind kontrolliert.
Weiterhin bilden sich um die Großstädte aufgrund mangelnder Müllentsorgung riesige Müllringe. Hier wurden noch keine Maßnahmen getroffen...
Man könnte noch unzählige weitere Beispiele aufzählen. Aber es sollte klar sein, dass Chinas Umwelt vor dem absoluten Kollaps steht und dies sich auch drastisch auf die Menschen dort auswirkt.
Mal davon abgesehen: gegen den Feinstaub selbst helfen auch keine einfachen Filter für den Mund, da die Partikel zu klein sind um sie dadurch effektiv von der Luft abzuscheiden.
Ja, das machen die Regierungen in anderen Ländern
natürlich ganz anders.
Die reagieren weit früher, das konnte man sehr gut in einem mir ziemlich gut bekannten Land sehen, wo das Wasser der Elbe nur deswegen wieder halbwegs erträglich ist, weil der Staat am Oberlauf pleite gegangen ist.
Ach so, das war ja auch ein kommunistisches Land, die DDR. Eignet sich also nicht als Vergleich.
Aber was war mit dem Rhein?