Glyphosat ist das Unkrautvernichtungsmittel der Superlative. Kein anderes ist weltweit so verbreitet – und keines so heftig umstritten. Schon lange steht das Totalherbizid unter Verdacht, neben der Vielfalt der Arten auch die menschliche Gesundheit zu gefährden. Doch nicht mehr nur deshalb ist die Frage hochbrisant, ob der Wirkstoff in Europa weiter zugelassen werden soll. Glyphosat ist längst zum Symbol geworden für den Grundsatzstreit über die Zukunft der Landwirtschaft. Und für das Misstrauen, das Umweltorganisationen und viele Bürger gegenüber den Aushandlungsprozessen zwischen Regierungen, Politik und Wissenschaft in der EU empfinden.
Dass die Europäische Kommission letztere – oft auch irrationale – Skepsis durch ihr politisch unsensibles Vorgehen bestätigen wollte, haben die Vertreter einiger Mitgliedsstaaten der EU heute klugerweise verhindert. Im zuständigen Fachausschuss stoppten sie den Brüsseler Versuch, Glyphosat vorschnell einen großzügigen Passierschein auszustellen. Die Kommission hatte die Zulassung mit allzu laschen Auflagen erteilen wollen, obwohl die wissenschaftliche Kontroverse um die Gesundheitsrisiken keineswegs ausgestanden ist.
Nachdem die renommierte Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) den Wirkstoff vor einem Jahr als "potenziell krebserregend" eingestuft hatte, hatte sich die Kommission eigentlich bis Ende Juni 2016 Bedenkzeit eingeräumt. Dass sie nun doch schon Ende Februar vorschlagen hatte, die Zulassung zu verlängern, begründete sie damit, dass sowohl das deutsche Bundesamt für Risikobewertung (BfR) als auch die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Glyphosat für unbedenklich erklärt haben.
In den Bewertungsmethoden dieser beiden Behörden sehen aber auch ernst zu nehmende Kritiker zu viele Widersprüche und Einflussnahmen der Konzerne. Die Kommission hätte diese jetzt nicht einfach vom Tisch wischen dürfen. Vor allem beraten bedeutende Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gerade noch über die gegensätzlichen Einschätzungen, zu denen IARC und EFSA gelangt sind. Diese sind nämlich nur bedingt miteinander vergleichbar: Die Krebsforschungsagentur hat das allgemeine Potenzial von Glyphosat ermittelt, Krebs zu begünstigen. Die konkreten Risiken für Landwirte und Verbraucher aber werden von einem anderem anderen WHO-Gremium erst noch aktualisiert. Seine Expertise soll Mitte Mai fertig sein, also vor Ablauf der Brüsseler Entscheidungsfrist. Guter politischer Stil hätte erfordert, dass die Kommission diese Ergebnisse abwartet. Auch die Europäische Chemikalienbehörde arbeitet noch an einer umfänglichen Neubewertung des Giftes.
Aus der Kommission verlautete zwar, sie werde die Auflagen für den Glyphosat-Einsatz neuen Erkenntnissen über mögliche Risiken jederzeit anpassen. Doch warum dann eine Verlängerung von gleich 15 Jahren?
Ein Verbot hätte immense wirtschaftliche Folgen
Laut Medienberichten sind vor allem Schweden, die Niederlande, Italien und Frankreich auf die Bremse getreten. Deutschland konnte sich wegen regierungsinterner Meinungsverschiedenheiten nicht festlegen: Die Umweltministerin Barbara Hendricks lehnte die Verlängerung ab. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt hingegen erklärte, als Politiker könne er nicht das Urteil "der Wissenschaft", sprich des Bundesamtes für Risikobewertung, überstimmen. Damit freilich macht er sich die Sache zu einfach.
Denn es stimmt zwar: Politiker sind selbst keine Experten. Doch sie können und müssen den Umgang mit wissenschaftlichen Kontroversen managen und bewerten, und zwar so feinfühlig und glaubwürdig wie nur möglich. Diese Verantwortung ist umso größer, wenn wie im Fall von Glyphosat in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, das Vorsorgeprinzip könnte zugunsten wirtschaftlicher Interessen hintenan gestellt werden.
Die ökonomischen Folgen eines Verbotes, ja selbst von Beschränkungen, wären tatsächlich immens. Viele Landwirte müssten mehr Zeit und Arbeit aufbringen, um gegen Unkräuter vorzugehen. Ein Verdikt in Europa könnte sich außerdem weltweit auswirken. Von den USA bis nach Argentinien hängt ein Großteil der gentechnisch veränderten Futtermittelmonokulturen am Glyphosat, gegen das sie resistent gemacht wurden. Auch das Konzept der Agrarkonzerne für eine klimaschonende Landwirtschaft ohne Pflug funktioniert meist nur, wenn der Landwirt Unkräuter mit dem Totalherbizid niederspritzt. Dabei hat vor allem Monsanto in so hohem Maße auf das eine Produkt Roundup Ready gesetzt, dass dem Konzern Milliardenverluste drohen.
Dieser hohe Stellenwert eines einzigen Wirkstoffes ist das Gegenteil von fehlerfreundlich und schon deshalb ein ökologisches Problem, das nach Alternativen ruft. Und: Er steigert den politischen Druck auf die Europäische Union.
Umso wichtiger ist, dass sie ihr Urteil unzweifelhaft begründet. Gut also, dass heute eine Entscheidung für den Aufschub der Entscheidung fiel.
Kommentare
Damit der öffentliche Druck gerade vor diesem Hintergrund nicht nachlässt, hat der BUND eine Protestbrief-Aktion ins Leben gerufen:
https://aktion.bund.net/k...
Der öffentlich Druck oder ein Shitstorm?
Gegen Wildwuchs von Bäumen, die weder gepflanzt noch gewollt sind, hat sich das Zeug bewährt.
Muss man auch nicht sprühen...
Die Diskussion um Glyphosat zeigt eindeutig eine gespaltene Wissenschaft.
Eine Gruppe versucht auch unter Zuhilfenahme von dubiosen Rückstandsstudien die Bürger aufzubringen, wie es schon so oft und einfach möglich war.
Die andere Gruppe sieht keinen Grund diesen Stoff in Zweifel zu ziehen, und hat auch dafür Forschung und Untersuchungen vorzuweisen die ihren Standpunkt belegen.
M.E ist das icht alles: wir brauchen eine Abwägung der Vor und Nachteile des Glyphosateinsatzes um abwägen zu können welches Risiko sich für uns noch lohnt einzugehen.
Ich spekuliere darauf daß am Ende einer solchen Betrachtung eher andere Herbizide abgeschafft werden als Glyphosat.
Es gibt zahlreiche Belege dafür das Glyphosat am menschlichen Köper Schädigungen verursacht. Besonders einfach lässt sich das im Ausland Nachweisen - hier wird hemmungslos mit Flugzeugen gespritzt und in den Dörfern erkranken über 80% der Bewohner an schwerwiegenden Organschäden. Das ZDF hat darüber ausführlich berichtet.
Leider wird wieder mal aus wirtschaftlichen Gründen und Profitgier die Gesundheit der Menschen und die Umwelt belastet. Wie beim Abgas-Skandal oder besser Betrug!
In einigen Ländern haben Behörden erste vorsorgliche Massnahmen ergriffen.Wenn dieses Pflanzengift kein Problem ist warum haben dann folgende Länder diese Maßnahmen ergriffen?
El Salvador hat Glyphosat 2013 verboten, weil die Behörden eine Epidemie von Nierenerkrankungen auf das Pflanzenschutzmittel zurückführten.
Dänemark verbot Glyphosat in der Landwirtschaft bereits 2003, weil es das Grundwasser belaste.
Die Niederlande verbot 2014 jede nicht-kommerzielle Verwendung von Glyphosat ab Ende 2015.
Und hier noch eine interessanter Beitrag.
MIT-Ärztin entlarvt Verbindung zwischen Glyphosat, GVO und der Autismus-Epidemie
http://revealthetruth.net...
Es gibt keinen einzigen Beleg dafür das Roundup unbedenklich ist. Aber viele (wenn auch nicht immer wissenschaftlich belegt) logische Schlussfolgerungen das das zeug gefährlich ist. Monsanto beauftragt viele Untersuchungen - klar was dabei raus
"EU-Diplomaten vertagten ihre Abstimmung "
Was soll das rumgemerkel?! Das Zeugs ist hochgefährlich. Krebserregend! Das gehört sofort verboten!
Ah und Sie können das auch belegen? Oder nicht?