Als ihm der Bundeskanzler das Amt des Bundestagspräsidenten anbot, lehnte Gerstenmaier zuerst ab. Tat er es, weil ihn sein politischer Ehrgeiz in eine andere Richtung drängte, wie man sich erzählte? Scheute er den sich aufdrängenden Vergleich mit der souveränen Geschäftsführung seines Vorgängers, der mit seiner Schlagfertigkeit, seinem immer paraten Witz, seinen knappen, treffenden Formulierungen ein Vorbild geschaffen hat, das auch jeder andere, den die CDU vorgeschlagen hätte, nicht erreicht haben würde? Oder fühlte Gerstenmaier, das es einem so leicht erregbaren Manne wie ihm schwer werden mußte, sein Temperament zu zähmen, wie es dieses hohe, der Parteinahme entrückte Amt verlangt? Wer ihn gesehen hat, wie er manchmal die Zügel der Mäßigung verlor: mit rotem Kopf, energisch gestikulierend, den scharfen, funkelnden Blick hinter den Brillengläsern kampflustig auf den Gegner gerichtet, hingerissen von der Sucht, zu treffen – der kann verstehen, daß es diese Kampfnatur nicht leicht über sich bringen wird, die Arena zu meiden, wenn es um eine Sache geht, an der sein Herz hängt.
Von Robert Strobel