Liminski: Poujadismus an der Spree. Der Protest der
Fuhrunternehmen und Mittelständler wird lauter. Kippt die
Ökosteuer? Welche finanziellen Spielräume hat die Koalition? - Am
Telefon begrüße ich Frau Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen,
Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag. Guten Morgen Frau
Scheel!
Scheel: Guten Morgen Herr Liminski.
Liminski: Frau Scheel, die Haushaltsdebatte gestern war
im besten Fall eine Ökosteuerdebatte. Der Schatten der leeren
Zapfsäule lag über dem hohen Haus. Wird, muss man dem Druck der
Straße nachgeben und die nächste Stufe der Ökosteuer
aussetzen?
Scheel: Wir sagen ganz klar nein. Das muss man nicht und
das darf man auch nicht, denn dies hätte sehr große Probleme, die
in der Folge dann entstehen würden. Das bedeutet, dass wir
praktisch den Mineralölkonzernen noch einen weiteren Spielraum
eröffnen würden mit der Konsequenz, dass die Benzinpreise
letztendlich gleich bleiben würden, weil die diesen Raum sofort
nutzen, und dass die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber gleichzeitig
auch höhere Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssten, denn wir
müssten das ausgleichen. Der Autofahrer, der zur Arbeit muss, wäre
doppelt gestraft. Das heißt, er müßte gleichzeitig die gleichen
Benzinpreise tragen und hätte weniger Nettolohn, und das kann es ja
wohl nicht sein.
Liminski: Das Auto ist der Deutschen liebstes Kind, heißt
es. Der Benzinpreis folglich ein besonders sensibler, auch unter
emotionalen Gesichtspunkten zu bewertender Faktor. In Zeitungen ist
zu lesen, es gebe ein Kartell der Produzenten und Profiteure, das
Nachsehen habe der Verbraucher. Muss man nicht alledem Rechnung
tragen?
Scheel: Es ist natürlich so, dass diese Situation jetzt
etwas hochgepuscht ist, vor allem auch von der FDP und von der
CDU/CSU in ganz unverantwortlicher Weise. Wenn man sich die Fakten
anschaut, was hat diese Regierung für eine Steuerpolitik gemacht,
dann sieht man, dass jemandem, der beispielsweise 50 Kilometer zur
Arbeit braucht, eine monatliche Entlastung, wenn wir die Ökosteuer
in der nächsten Stufe aussetzen würden, von nur sieben D-Mark
hätte. Gleichzeitig haben wir hier wirklich revolutionär im
positiven Sinne die Steuern gesenkt. Das gibt es nirgendwo in
Europa in dieser Form, so dass beispielsweise jemand, verheiratet
mit zwei Kindern, Jahresbrutto 60.000, durch die Steuer um 2.930
D-Mark entlastet wird. Das ist die Antwort, die wir geben auf die
Herausforderung, die uns zur Zeit auch das OPEC-Kartell und die
Mineralölkonzerne bereiten. Da kann man nicht hektisch reagieren
und sagen, jetzt setzen wir die nächste Stufe der Ökosteuer aus.
Die Ökosteuer ist nur ein ganz, ganz kleiner Anteil von diesem
Problem. Wir haben einen Anstieg in den letzten 18 Monaten erlebt.
Der ist wirklich gigantisch gewesen. Dafür zuständig ist die OPEC.
Dafür zuständig ist zum Beispiel auch der Dollar-Kurs im Verhältnis
zum Euro und nicht die Entscheidung der Bundesregierung. Wenn wir
hier kurzfristig reagieren würden, würden wir wirtschaftspolitisch
und auch ökologisch einen enormen Schaden anrichten.
Liminski: Der Verbraucher hat aber in der national
aufgesplitterten Marktwirtschaft, in der wir leben, nur die Wahl
zwischen sparen oder zahlen. Wenn er nun nicht zahlen kann, muss
ihm der Staat dann nicht helfen? Ist das nicht auch ein Thema für
die EU, wenn Sie die internationalen Aspekte ansprechen?