Kommt drauf an, wie man Vegetarier definiert. Tatsächlich hat der Diktator zumindest nach 1930 kaum noch Fleisch gegessen. Das hatte wohl vor allem mit seinen chronischen Verdauungsbeschwerden zu tun. Das Medical Casebook of Adolf Hitler von Leonard und Renate Heston beschreibt drastisch, dass Hitler oft nach dem Essen von Krämpfen geplagt wurde und nach der Versuch-und-Irrtum-Methode nach und nach "eine exzentrische Diät" entwickelte, "die fast vegetarisch war". Müsli und Rohkost waren seine Hauptnahrung. Auch wenn andere Quellen von dem einen oder anderen Würstchen oder Täubchen berichten, kann man wohl sagen, dass Hitler sich vegetarisch ernährte.
Die andere Frage ist, ob diese Ernährung neben den praktischen Gründen auch einen weltanschaulichen Hintergrund hatte. Der Hitler-Biograf Robert Payne hält das Bild vom vegetarischen, nicht rauchenden und auch sonst asketisch lebenden Führer für ein Propagandakonstrukt, das vor allem von Goebbels gepflegt wurde. Tatsächlich hat es in der Nazizeit nie öffentliche Aktionen gegen den Fleischkonsum gegeben (im Gegensatz etwa zu massiven Antiraucherkampagnen). Andererseits wäre Hitler nicht Hitler gewesen, hätte er nicht auch noch seine Ernährungsweise mit einer kruden, selbst gestrickten Theorie ideologisch überhöht. In seiner "medizinischen Biografie" Patient Hitler zitiert Ernst Günther Schenck Passagen aus Hitlers Monologen im Führerhauptquartier, zum Beispiel diese: "Ich glaube, dass der Mensch zum Fleisch gekommen ist, weil die Eiszeit ihn in Not gebracht hat. Zugleich kam er zum Kochen, was sich heute schädlich auswirkt."
Die Vegetarierorganisationen wehren sich natürlich vehement gegen den Vorwurf, dass einer wie Hitler einer den ihren gewesen sei. Sie sollten es gelassen sehen wie der Vegetarier und radikale Tierschützer Peter Singer, der lapidar kontert: "Die Tatsache, dass Hitler eine Nase hatte, bedeutet ja auch nicht, dass wir uns die Nase abschneiden müssen."
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Kommentare
malamute
Man kann über einen Menschen, der sich "gelegentlich" mit Weißwürsten, Tauben und Kaviar verköstigt hat bei bestem Willen nicht sagen, er sei ein Vegetarier gewesen. Das ist schlicht und ergreifend falsch.
Ebenso wird ein Fleischesser, der "nur ab und zu ein Biohähnchen" isst, nicht gleich zum "Fast-Vegetarier".
Ich finde nicht, dass die Vegetarier das gelassen sehen sollten, da das Vegetarier-Dasein durch so eine Definition von "vegetarisch" abgewertet wird und die eigentliche Idee hinter dem Verzicht auf den Tierkonsum völlig verkannt wird.
Wortstamm
Ich denke du übertreibst malamute!
DA Vegetarisch vom Wortstamm her nur bedeutet, Pflanzliche Dinge zu essen, kann man nicht sagen, dass die Idee dahinter aberkannt wird.
Sind Vegetarier Nazis?
Man kann auch über jemanden, der gern Bier trinkt sagen, dass er kein Alkoholiker ist...
Ich finde, du siehst das zu kritisch. Entscheide für dich, was du isst oder nicht und mach dir keine Gedanken, was andere essen.
Ich kenne Vegetarier, die aus Überzeugung kein Fleich essen. Es sei nicht nötig, dass ein Tier stirbt um sich zu ernähren, sagen sie.
Ich kenne aber auch Vegetarier, die ein Tier ohne Gewissensbisse töten, sogar quälen würden, es aber niemals essen würden. Sie empfinden ekel bei dem bloßen Gedanken an Fleisch und bezeichnen sich deshalb als Vegetarier.
Wird dadurch dein "Dasein" abgewertet?
Welche Idee steckt eigentlich hinter dem Verzicht auf Tierkonsum?