Die Mutter mochte deutsche Friedhöfe. Oft war sie mit ihren Töchtern zwischen Gräbern spazieren gegangen. Der Anblick der gepflegten, blumengeschmückten Grabstätten rührte sie und stimmte sie milder gegenüber den Einheimischen. Selbst hatte sie allerdings nie auf einem solchen Friedhof begraben werden wollen. »Ich will hier nicht mehr leben und sterben schon gar nicht«, das hatte sie vor ihrer Rückkehr in die Türkei noch gesagt.
Nun war sie doch hier gestorben, während eines Besuchs in Hannover, jener deutschen Stadt, in der sie die Hälfte ihres Lebens verbracht hatte. Und hier würde sie begraben werden, das entschieden ihre Töchter für sie. Warum Muslime ihre Toten ungern in Deutschland bestatten, wussten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Jetzt schmücken Blumen auch ihr Grab. Zülal Topçu, geboren 1939 in Sivas in der Osttürkei, gestorben 2006 in Hannover. Sie liegt auf dem Stadtfriedhof Stöcken, wo Bestattungen nach einem »islamischen« Ritus möglich sein sollen.
Die Mutter starb an einem Freitagabend gegen 18.30 Uhr. In Deutschland ist das für Muslime keine gute Zeit zum Sterben. Die Friedhofsverwaltung hat zu diesem Zeitpunkt schon vor Stunden das Wochenende eingeläutet, vor Montagmorgen kann die Beerdigung nicht angemeldet werden. Erst dann erfahren die Töchter, dass an eine Beisetzung vor Mittwoch nicht zu denken sei.
Eine Bestattung innerhalb von 24 Stunden, wie sie in islamischen Ländern üblich ist, hatten sie nicht erwartet; unabhängig von den Umständen des Todes, gestattet das Gesetz eine Beisetzung erst nach Ablauf von 48 Stunden. Und dass hierzulande ein Sarg erforderlich werden würde statt eines Leichentuchs, das war ihnen klar. Dass aber bis zur Beisetzung fünf Tage würden verstreichen müssen, das war schwer einzusehen.
Auf Arabisch betet der Hoca gegen den Lärm der einfahrenden Züge an
Nach der rituellen Waschung in Räumen des islamischen Bestattungsinstituts war der Sarg mit dem Leichnam der Mutter zur Moschee im Bahnhofsviertel gebracht worden. An welchem unwirtlichen, unwürdigen Ort der Vater jahrelang seine Gebete verrichtet hat, fällt der Tochter erst während des Trauergottesdienstes auf. Der Sarg der Mutter steht auf Holzböcken in einem heruntergekommenen Hinterhof, zwischen Müllcontainern und einer abrissreifen Baracke. Der Hoca betet auf Arabisch gegen den Lärm der ein- und abfahrenden Züge an, während der Tochter die Tränen kommen. Obwohl selbst keine Deutsche, schämt sie sich für dies reiche Land, das gläubigen Menschen für eine heilige Zeremonie keinen besseren Platz als diesen anbietet.
Nach dem Gottesdienst tragen einige der Männer den Sarg zu einem Kleinbus, während andere unbeholfen im Hof herumstehen. Nach islamischem Ritus müsste die Tote jetzt bestattet werde, aber die Beisetzung darf ja erst am folgenden Morgen stattfinden. Langsam löst sich die Runde auf; der Vater fühlt sich sichtlich unwohl, als er dem Fahrzeug hinterherschaut, das den Leichnam seiner Frau zu einem Kühlraum befördert.
Zur Beisetzung erscheinen auch die deutschen Freundinnen der Schwestern wie selbstverständlich mit Kopftüchern. Andererseits bringen auch die muslimischen Trauergäste Blumen mit, obwohl dieser Brauch in der Türkei nicht zum Beerdigungsritus gehört. Unsicher wirken sie, wie sie mit Sträußen in den Händen am Grab stehen.
Kommentare
Es wird...
Sehr geehrte Frau Canan TopÇu. Sie haben einen bewegenden Artikel geschrieben. - Aber ich glaube, diese Dinge werden sich ändern. An den Friedhofsverwaltungen, Regularien, Bestattungsverordnungen und der insgesamt wachsenden und unflexiblen Bürokratie, stören sich mittlerweile auch viele Deutsche. Bei den Kommunalverwaltungen liefern diese Vorschriften meist eines der dickeren Papierkonvolute. Dazu kommt die notorische Dienstleistungsschwäche unseres Landes.
Was Andachts- und Gebetsräume angeht, so teilen muslimische
Gläubige derzeit noch oft das Schicksal anderer Glaubensrichtungen, deren Gotteshäuser ebenfalls in Randbezirken von Städten und Gemeinden, sogar in Industriegebieten zu finden sind, weil dort noch Platz war und dieser günstig zu erwerben oder anzumieten ist.
Die Standorte werden also von der Ökonomie bestimmt. Die christlichen Kirchen haben hier den Heimvorteil, weil ihre Bauten
aus Zeiten stammen, in denen Kirche und Staat eng verflochten
waren und die Gläubigen Unsummen für städtische Kirchenräume bezahlten.
Es ist erschreckend wenn Dummheit zur Tat schreitet..
Es ist beruhigend, dass schon zu Zeiten von Goethe Menschen gab, die bedingt durch Ihre Arroganz ihrer Dummheit freien lauf lassen konnten, ohne dass die Welt bis Dato untergangen ist. Mich wundert es, dass Ihr Kommentar von der Redaktion zugelassen wurde, denn die braune Motivation des Kommentars ist in diesem Fall offensichtlich. Es ist kein Problem, wenn man sich objektiv zum Thema aeussert...und das Verhalten der Menschen in Frage stellt.Nur durch offene und mutige Disskussion kommen wir uns näher und verstehen uns...Was treibt einen Menschen, der solange hier gelebt hat, so zu fühlen?...etc...Von einem Bild Leser würde ich das nicht erwarten, aber jm der die Zeit liesst, der hat Zugang zum Wissen und somit die Möglichkeit auch die Dinge in der Tiefe zu verstehen. Der subtile Rassismus ist der schlimmste überhaupt.
Den Artikel fand ich sehr gut und beschreibt das Gefühl der Fremde in der deutschen Heimat. Ja sie lesen richtig.Auch wenn ich hier nicht willkommen bin, ist das meine Heimat und ich werde Menschen wie Ihnen niemals das Feld überlassen. Menschen wie sie werden nicht verstehen, was es heisst in einem Land zu leben, wo sie auch mit deutschem Ausweis, deutschem Abitur, deutschem Studium und sogar deutschemZivildienst sich immer als der Quotentürke durchschlagen muessen, bis sie mit Ihrem Können und Ihrer Ausbildung ernstgenommen werden. Wegen solcher Menschen, die sich keine Sekunde mit der Thematik auseinandergesetzt haben, fühle ich mich als Berliner aber in bis Dato niemals richtig willkommen in Deutschland. Sie muessen ja nur ausserhalb einer GRossstadtin eine Polizeikontrolle kommen, dann wissen sie was es heisst kein DEUTSCHER zu sein.
Aber ich habe Hoffnung, denn es gibt immer mehr Menschen, die den Mut haben Dinge zu hinterfragen, ohne in die klassische Arroganz zu verfallen. Endlich wird miteinander statt übereinander geredet. Wegen diesen Menschen habe ich die Hoffnung, das meine Kinder in einer kosmopolitischen Gesellschaft ein gesundes Heimatgefühl entwickeln werde. In meinem Fall bin ich da leider nicht so zuversichtlich, da es leider zuviele Menschen wie sie gibt, die bedingt durch ihre Arroganz den subtilen Rassismus am Leben erhalten und Menschen wie in dem Bericht keine Möglichkeit geben sich hier zu Hause zu fühlen.
Also
wenn mir ein dreckiger Hinterhof nicht gefaellt dann raeume ich ihn auf...nur ein Vorschlag fuer die Gemeinde die so ein Problem hat.Ich will ja nicht so krass sein wie ein anderer Kommentator aber so ganz unrecht hat er nicht....Unordnung und Dreck kann leicht beseitigt werden wenn man sich ins Zeug legt.Zur Beerdigung der Mutter,die nicht D.leben und schon garnicht sterben wollte: Denke,da die Tochter in D.lebt hat sie die Mutter in ihrer Naehe behalten wollen damit sie noch mal einen Platz hat sich nah zu fuehlen..Nur kann ich nachvollziehen warum Menschen,die sich in D.nicht wohlfuehlen im Land bleiben -bei so viel Abneigung steht doch einer Abreise nichts im Weg-ausser vielleicht der fianziellen Hilfe vom d.Staat?
Entschuldigung....
aber dieser Artikel ist eine Frechheit, um nicht zu sagen, eine Ausverschämtheit...
Gerade in den letzten 10 Jahren sind eine Menge von zum Teil äußerst prachtvollen Moscheen überall in den deutschen Großstädten entstanden. Zum Teil mit Geldern aus muslimischen Ländern, die KEINERLEI NICHTMUSLIMISCHE Religionsausübung in IHREN LÄNDERN DULDEN - notaben Saudi-Arabien.
In Berlin wurde im letzten Jahr erst die Sehitlik-Moschee eingeweiht - übrigens eine Moschee, die auf einen Vorläufer-Bau in den 60er Jahren zurückgeht, der dortige MUSLIMISCHE FRIEDHOF hat eine Tradition, die bis in die 1860er Jahre zurückgeht.
In Berlin standen schon vor dem ersten Weltkrieg und in den zwanziger Jahren Moscheen. Daß andere Großstädte erst in den letzten Jahrzehnten nachzogen ist wohl nicht besonders verwunderlich.
Soll in einem Gegen-Artikel einmal auf die Bedrückung der christlichen Konfessionen in der TÜRKEI verwiesen werden, wohl gemerkt eine Glaubensrichtung die älter als der Islam auf dem Gebiet der heutigen Türkei seit Beginn des Christentums heimisch war und auch in der angeblich laizistischen Türkei einer Unzahl von Repressalien ausgesetzt ist? Übrigens, in der Türkei darf kein KIRCHENNEUBAU errichtet werden, nur die historischen Kirchen instandgehalten (und selbst das wird durch die türkischen Behörden behindert wo möglich). Im übrigen schließe ich mich meinen Vor-Kommentatoren an: es steht jedem frei, sich außerhalb Deutschlands bestatten zu lassen...