Aus Anlass der aktuellen Wirtschaftskrise möchte ich pauschal eine Berufsgruppe kritisieren. Ich möchte mir neue Feinde machen. Der von mir kritisierte Berufszweig heißt "Wirtschaftsjournalist".
Seit Jahrzehnten lese ich in sämtlichen Wirtschaftsteilen, die Deutschen seien zu risikoscheu bei der Geldanlage. Sie würden Geld verschenken. Sie würden zu wenig Aktien kaufen. Ich weiß nicht, wie oft ich das schon gelesen habe. Ich wähle, völlig willkürlich, die Welt am Sonntag. Dort wurde vor einigen Wochen, vor der Krise, im Wirtschaftsteil der "DekaBank-Chef Franz Waas" interviewt, "oberster Vermögensverwalter der Sparkassen". Er sagte: "In Deutschland gibt es mehr Hundebesitzer als Aktienbesitzer. Das ist fatal."
Das Phänomen, welches Franz Waas da beobachtet hat, hängt damit zusammen, dass Hunde ihre Besitzer nur selten in den Ruin treiben. Was mich an Aktien stört, ist die Tatsache, dass ihr Wert sinken kann. Von dieser Fähigkeit machen Aktien recht oft Gebrauch. Wenn ich Banker wäre, wie zum Beispiel Franz Waas, würde mich das bei Weitem weniger stören. Die Bank verdient an den Aktien ja immer. Bei allem, was ich mit meinen Aktien tue, kassiert die Bank erst mal Gebühren, und wenn ich nichts tue, kassiert sie trotzdem. Verwaltungsgebühren.
Wofür eigentlich? Was wird denn da verwaltet? Werden die Aktien regelmäßig mit dem Federwisch abgestaubt oder was? Wenn die Aktie auf null sinkt, kassiert die Bank immer noch. Ich gebe denen mein Geld. Statt mir Zinsen zu zahlen oder wenigstens Danke zu sagen, halten die auch noch die Hand auf und wollen mehr.
Wenn ein Banker zum Kauf von Aktien rät, dann ist das so, als ob ein Schweinezüchter zum Verzehr von Schweinefleisch rät. Was ist das denn überhaupt für ein Journalismus, der die Expertenfrage "sollte man eher viel oder eher wenig Schweinefleisch essen" ausgerechnet einem Schweinezüchter vorlegt?
Wenn ich für mein Alter spare und, sagen wir, 100.000 Euro auf der hohen Kante habe, dann will ich die behalten. Dann brauche ich die. Dann riskiere ich doch nicht, dass daraus 50.000 Euro werden, nur weil Wirtschaftsredakteure und Banker mir das aus eigennützigen Motiven raten. Wenn das Geld sich halbiert, ist das für mich viel schlimmer, als es schön wäre, wenn das Geld sich verdoppeln würde. Indem sie Hunde kaufen statt Aktien, beweisen die Deutschen, wie vernünftig sie sind. Ich liebe sie. Wenn ich zehn Millionen hätte, die ich zufällig nicht brauche, würde ich übrigens auch nicht Aktien kaufen. Lieber kaufe ich mir dann eine Insel in der Karibik oder spende für die Aidshilfe oder sonst was.
Nun sagen die Banker: "Auf lange Sicht haben sich Aktien immer gelohnt! Irgendwann ist jede Baisse vorbei!", und sie holen Statistiken heraus. Ich weiß aber als Normalmensch leider nie genau im Voraus, wann mein Auto kaputt ist oder wann ich neue Zähne brauche. Dann ist vielleicht zufällig mal wieder Weltwirtschaftskrise, und ich habe keine Zähne.
Kommentare
Keine Krise
Genau! Nun habe ich allerdings eine Katze und auch die ist nicht gekauft, sondern zugelaufen.
Es gibt keine Krise, sondern nur das Ende der Aktion "Umverteilung der Ersparnisse von US-Bürgern in die richtigen Taschen".
Schritt 1 war es, die Betroffenen dazu zu bewegen, ihre Altersversorgung in Aktien anzulegen. Damit war das Geld schon mal am richtigen Platz, die Besitzverhältnisse aber noch verkehrt.
Schritt 2 kann man sich bei David Copperfield abschauen. Der Magier wertet einen uralten Trick damit auf, dass er statt einer Taube einen Jumbojet verschwinden läßt. Übertragen heißt das, man erzeugt eine riesige virtuelle Blase (Immobilien-, Internet- oder sonstwas), erzeugt gewaltige Kosten, Belohnungen, Prämien usw. und läßt dann diese virtuelle Blase implodieren (oder den Jet verschwinden).
Die Gleichung lautet: Pensionskasse + Blase - Blase - Kosten = 0
Das Geld ist in den richtigen Taschen angekommen.
Alle starren auf den riesigen Krater, den die Implosion gerissen hat, bekreuzigen sich ob des schweren Schicksals und vergessen zu fragen, wo die ganze Kohle eigentlich geblieben ist (wem müssen eigentlich die 700 Milliarden Schulden nun zurückgezahlt werden?).
Sehr schön,
...sehr treffend. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Treffend,
aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr sonderlich originell. Plötzlich hat ja jeder schon immer gewusst, dass der finanzgetriebene Kapitalismus grundsätzlich eine Fehlentwicklung ist. So ein Pech aber auch - dann gibt es so etwas wie Verantwortliche in Politik, Wirtschaft und Medien wohl gar nicht...
Depot
Ich möchte hier ungerne den Erwachsenen heraushängen lassen (zumal mein eigentlicher Job ja ist, Harald zu nötigen, angesagte Berliner Kneipen zu finden), aber man kann sein Wertpapierdepot durchaus kostenlos verwalten lassen, einmal bei der Bundeswertpapierverwaltung in Bad Homburg, aber auch bei mehreren Banken.
http://www.faz.net/s/Rub4...
Übrigens können auch Hunde ihren Besitzer den Ruin treiben. Der Hund meines Bruders ist mal in einen Mercedes gerannt und hat einen Totalschaden verursacht. Deshalb: Für Hunde immer eine Haftpflichtversicherung abschließen!
Herrlicher Kolumne
Allerdings würde ich eher zum Gurkenkauf raten, denn Gurken sind wesentlich wenigen anspruchsvoll, haben nur geringe Haltungskosten, sind auch leichter aufzubewahren als Hunde - und eignen sich außerdem viel besser zum Verzehr im Falle einer Kapitalgefährdung wie Finanzkrise oder Hundeflucht.