Ein »einzigartiger Charakter, in dem noch viel wilde, originale Natur verblieben ist«, so hieß es einst von dem amerikanischen Philosophen Henry David Thoreau. Der Satz könnte auch auf Michael Succow gemünzt sein. Zwar lebt der Landschaftsökologe aus Greifswald nicht in einer Blockhütte in der Wildnis wie einst der Radikaldemokrat, sondern in einem Reihenhaus am Stadtrand. Aber urwüchsig wirkt er schon mit seinem Weihnachtsmannbart.
Und wenn der unermüdliche 67-Jährige bei seinen Expeditionen Rast macht, sucht er sich nicht etwa einen Baumstumpf oder glatten Stein zum Verschnaufen. Er lässt sich einfach fallen, mitten hinein in den hohen Farn. Da liegt er dann, der weltweit anerkannte Naturschutzfunktionär, Moorforscher und Träger des Alternativen Nobelpreises, im feuchten Gras, Arme und Beine ausgebreitet, die Augen geschlossen, und hält »Zwiesprache mit der Natur«.
Die Naturverbundenheit habe er sich, erzählt er, aus seiner Kindheit bewahrt. Schon mit zehn Jahren erkundete Succow als Hütejunge einer großen Schafherde jedes Detail der brandenburgischen Äcker, Wiesen und Feuchtgebiete. Bis heute speist die »große Neugier auf alles Wissen um die Natur« die Ausdauer, mit der er überall in der Welt die letzten Wildnis-Inseln gegen den Angriff einer landschaftshungrigen Ökonomie verteidigt. Der gefährlichste Fehler dieser Wirtschaftsweise sei das »Verbrennen fossiler Reserven in Tateinheit mit der Zerstörung von Mooren und Wäldern als CO₂-Senken«. Damit beraube sich die Ökonomie irreversibel ihrer eigenen Grundlagen. Zumindest darin sei der Kapitalismus kaum anders als der Sozialismus, in dem Succow die längste Zeit gelebt hat.
In den Ausnahmemonaten kurz vor der Wende gelang ihm noch schnell ein folgenreicher Coup: Als stellvertretender Umweltminister der Modrow-Regierung klopfte er damals in Windeseile ein umfassendes Nationalpark-Programm fest, gerade rechtzeitig zur letzten Sitzung des DDR-Ministerrats. Mehr als fünf Prozent der Fläche Ostdeutschlands stellte es vorbildhaft unter strengen Naturschutz. Im Nachhinein scheinen Succows DDR-Jahre wie eine Vorbereitung auf diesen Geniestreich. Gerade die Fesseln und Widerstände dort lehrten ihn, seine Ziele langfristig und notfalls auf Umwegen zu verfolgen, ohne sich in der Sache zu verbiegen. »Dann werd ich eben Schäfer« war immer seine Rückzugsoption, wenn er Gegenwind bekam.
Kommentare
Sehr interessant
Klar hat er es schwer, der Mann. Spricht er doch hauptsächlich von Natur und nicht von Umwelt. Und Wirtschaft und Natur so weit wie möglich in Einklang zu bringen erfordert Arbeit und ist vor allem nicht so leicht populistisch griffig zu plakatieren. Die Naturschützer sind leider mittlerweile bei den Grünen die Krötenlobbyisten, die ihre Forderungen über alles stellen und deswegen nicht sehr geliebt werden können, die glauben dass es Arbeit und Wirtschaften auch in ländlichen Gebieten geben muss.
Und Herr Succow sollte sich auch bewusst machen, dass für die Umsetzung von Konzeptionen ein Parteitagsbeschluss nicht ausreicht.
Vielleicht sollte ihm Zeit-Online mal eine Seite zur Verfügung stellen. Zu einem beispielhaften Aspekt seiner Konzeption.