DIE ZEIT:
Herr
Schellnhuber
, Sie haben einmal die Frage, ob Sie Politiker verachten, mit Ja beantwortet.
Hans Joachim Schellnhuber:
Stimmt, ich erinnere mich daran.
ZEIT: Ihre Begründung war: Ich verachte Politiker, wenn sie nichts gegen den drohenden Klimawandel tun, obwohl sie es besser wissen müssten.
Schellnhuber: Zu dieser Aussage stehe ich natürlich, würde heute jedoch eine andere Formulierung wählen, die nicht als Verdammung einer ganzen Gesellschaftsgruppe missverstanden werden kann. Der Berufsstand Politiker löst bei mir ohnehin eher den emotionalen Reflex des Bedauerns aus: Wenn man gelegentlich direkt miterlebt, wie viele Stunden selbst ganz normale Abgeordnete Tag für Tag und Woche für Woche arbeiten, unter welchem Wettbewerbs- und Interessensdruck sie stehen, dann wächst das Verständnis für das Ringen unserer "Volksvertreter" um kleinste Fortschritte. Und was bekommen diese Menschen für ihren Einsatz? Ein wenig Macht und Geld, aber kaum Sympathie.
ZEIT: Das klingt sehr verständnisvoll.
Schellnhuber: Natürlich hält sich das Mitgefühl für jene Egomanen in Grenzen, welche die politische Arena vor allem zur Befriedigung ihres Geltungsbedürfnisses missbrauchen. Aber es gibt doch auch politische Führungspersönlichkeiten, die man getrost bewundern kann. Der neue US-Präsident Obama etwa scheint tatsächlich das halten zu wollen, was er im Wahlkampf versprochen hat. Er macht einen ebenso redlichen wie charismatischen Eindruck. Und ich schätze in der Tat unsere Bundeskanzlerin sehr – sie ist hochintelligent, lernfähig, von preußischem Arbeitsethos geleitet und völlig unprätentiös. Hinzu kommt ein knochentrockener Humor. Dies ist wohlgemerkt eine persönliche, keine politische Sympathiebekundung.
ZEIT: Einerseits wundert es nicht, dass Sie die Kanzlerin loben. Sie sind ein enger Berater in Sachen Klimapolitik. Andererseits erstaunt es uns schon ein bisschen, weil viele der Bundeskanzlerin vorwerfen, sie fiele in der Klimapolitik um. Auch Sie selbst haben sich kritisch geäußert über die Beschlüsse des Brüsseler Klimagipfels vor drei Monaten.
Schellnhuber: Man muss sich in Erinnerung rufen, welch einschüchternde Drohkulisse die verschiedenen Lobbygruppen damals aufbauten: Man konnte gar nicht vermeiden mitzubekommen, wie die Konzernchefs im Halbstundentakt in den befassten Ministerien anriefen, um vor der Deindustrialisierung Europas – gleichbedeutend mit dem Untergang des Abendlandes – zu warnen. Diese Herren hatten offenbar zum ersten Mal das Gefühl, dass mit dem Klimaschutz tatsächlich Ernst gemacht werden soll. Insbesondere ging es um die Frage, welcher Anteil der Verschmutzungsrechte in welchen Branchen kostenlos vergeben und welcher auktioniert werden soll. Der Chor der Kritiker schwoll zum Orkan an.
ZEIT: Ist dieser Druck ohne Spuren geblieben?
Schellnhuber: Interessanterweise hat dieser Einmischungsversuch die Substanz der EU-Beschlüsse nur wenig beeinflusst. Vielleicht war Deutschland diesmal nicht der Zugochse des Klimaschutzwagens, sondern nur Teil des Trosses. Aber einer populären Fehleinschätzung möchte ich an dieser Stelle entgegentreten: Frau Merkel und ihre Mitarbeiter im Kanzleramt sehen keinen fundamentalen Widerspruch zwischen Bewahrung der Umwelt und nachhaltigem Wachstum. Das hat die Bundeskanzlerin viele Hundert Male auch so öffentlich gesagt. Es gab ein einziges Zeitungsinterview, das eine Umorientierung in Richtung Konfrontation vermuten lassen konnte – im Nachhinein betrachtet, wohl eher eine kommunikative Unschärfe.
ZEIT: Ist es nicht eine schwierige Gratwanderung, als Wissenschaftler auch Politikberater zu sein? Wo ziehen Sie Ihre persönliche Grenze? Immer weiter beraten – auch wenn alles für die Katz ist?
Schellnhuber: Schluss wäre beispielsweise von heute auf morgen, wenn die Politik nun beschlösse, den Klimaschutz wegen der Wirtschaftskrise mittelfristig auf Eis zu legen, nach dem Motto: Wir haben Wichtigeres zu erledigen. Das ist aber bisher nicht der Fall, auch wenn manche europäische Politiker wie Berlusconi sich darin gefallen, mit diesem Feuer zu spielen. Das Brüsseler Klima- und Energiepaket ist nicht perfekt, aber durchaus respektabel. In Sachen Reduzierung von Treibhausgasemissionen und vor allem bei den verbindlichen Zielen zum Ausbau der erneuerbaren Energien ist es sogar das Beste, was es weltweit gibt. Ich bin davon überzeugt, dass Nachhaltigkeitspolitik für Frau Merkel kein Potemkinsches Dorf darstellt, welches man nach Bedarf aufbauen und wieder wegräumen kann.
ZEIT: Wann haben Sie die Bundeskanzlerin zuletzt gesehen?
Schellnhuber: Das geht Sie eigentlich gar nichts an, doch können Sie davon ausgehen, dass Frau Merkel sich von Zeit zu Zeit über die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen an der "Klimafront" unterrichten lässt.
ZEIT: Und, wie ist die Lage?
Kommentare
"planetarische Machinerie"
Ein entscheidender Fehler mechanistisch geprägter Wissenschaftler ist, die Erde nicht als Lebewesen zu begreifen. Es bringt nichts, wenn der einzige emotionale Bezug zur Zukunft des Planeten der kleine eigene Sohn ist und nicht die Mutter Erde selbst - das ist kurzsichtiger und dummer Egoismus. Den Hinweis auf Selbstregulierungs"mechanismen" bringt Schellhuber aber selbst. Inhaltlich möchte ich noch hinzfügen: Wasserdampf ist das bilanzstärkste Treibhausgas - die Wechselwirkungen mit anderen Gasen, vor allem CO2 sollten erhellt und veröffentlicht werden. Schliesslich muss das Nachhaltigketsprinzip wirklich Prinzip werden - es muß alle Lebensbereiche erfassen. Hier insbesondere die Drahtlostechnologien. Die Temperaturanstiege der letzten hundert Jahre korellieren mit den Verbreitungsschüben von drahtloser Technik. Unmengen Energie werden so abgestrahlt ohne daß jemand daran denkt wo und wie diese Energie in unserer Atmosphäre absorbiert wird und was damit geschieht. Abgesehen davon sind Tiere betroffen und nicht zuletzt die Erde selbst. Ich fordere eine Minimierung der Emissionen: räumlich, zeitlich und leistungsbezogen (vgl. russische Grenzwerte).
Fakten
Es geht nicht um Emotionen, sondern um Fakten.
Viele Fakten sind bekannt:
1.) CO2 und noch deutlich stärker Methan sowie einige andere Gase in der Atmosphäre sorgen dafür, dass weniger von der langwelligen Wärmestrahlung, die nach Auftreffen auf der Erdoberfläche aus der Sonneneinstrahlung entsteht, ins Weltall zurückgestrahlt wird, sondern in der Atmosphäre sich verteilt. Ganz ohne diese Gase in der Atmosphäre wäre dieser Planet ziemlich kalt (dafür muss schlicht das Strahlungsgleichgewicht zwischen Sonneneinstrahlung und Erdabstrahlung ausgerechnet werden, die elektromagnetische Strahlung unserer Zivilisation liegt um mindestens 5 bis 6 Zehnergrößenordnungen darunter, das ist vernachlässigbar), mit zuviel davon wird er ziemlich warm, was viele Ökosysteme auf diesem Planeten verändern, den Meeresspiegel steigen und die Wüsten größer werden lässt.
2.) Es gibt Effekte, die das Klima regulieren. Das Weltklima ist zu einem hohen Grad ein selbstregulierendes, sich innerhalb gewisser Grenzen stabilisierendes System (gibt es etwas mehr CO2, wachsen Pflanzen etwas besser und nehmen das zusätzliche CO2 auf usw.). Diese Regulationsmechanismen sind teilweise bekannt, teilweise unvollständig erfasst (da könnte halt die Hoffnung auf Irrtum begründet liegen).
Diese Regelkreisläufe (soweit erforscht) können nur ein begrenztes Maß an Veränderung abfedern und bei zu starker Beanspruchung sogar zerstört werden.
3.) Es gibt andere Effekte, die den Klimawandel verstärken, wenn eine bestimmte Grenztemperatur überschritten wird, so dass sich dann der Wandel beschleunigt. Der bekannteste Effekt ist das auftauen von Permafrostböden, die dann Klimagase, insbesondere Methan, freisetzten.
Soweit die Fakten, ganz ohne Esoterik, Naturreligionen oder was auch immer.
Nun stellt sich die Frage, was daraus gefolgert werden muss:
1.) Die Emissionen an Treibhausgasen müssen schnellst möglich gesenkt werden. Dies verhindert zwar nicht mehr den Klimawandel, dämpft aber den Effekt.
2.) Es müssen aus Gründen der Dringlichkeit alle verfügbaren und zumutbaren (die Rückkehr zur Agrargesellschaft würde zwar recht effektiv die Emissionen begrenzen, aber eine Rückkehr ins Mittelalter wäre wohl keine vermittelbare Lösung) Ansätze zugleich gewählt werden: Energieeffizienz bei Gebäuden, Kühlgeräten, Industrieprozessen, Verkehr,...), CO2-freie Energieträger nutzen, die Landwirtschaft methanärmer gestalten (weniger Fleisch), Renaturierung von Landschaften,... und
3.) Und auch endlich eine effiziente Familienplanung in den Ländern der "Dritten Welt" (leider hat Bendikt XVI. uns hier ja einen Bärendienst erwiesen). Bei rasant steigender Weltbevölkerung ist eine merkliche Reduktion auf Dauer nicht möglich.
Hierbei kommt den bevölkerungsreichsten Ländern, Indien, China, Brasilien, Indonesien usw. natürlich eine Schlüsselrolle zu. Wir als Industriestaaten können nur einen beschränkten Beitrag leisten.
Wenn wir in Deutschland z.B. unsere Kühlschränke alle um eine Energieeffizienzklasse verbessern, ginge es von irgendwo zwischen Effizienklasse A und B, nach irgendwo zwischen A+ und A. In Indien hätten wir vermutlich zehnmal mehr Geräte und der Effekt pro Gerät wäre selbst bei einem Tausch in die an sich schon sehr schlechte Effizienzklasse B hinein deutlich größer. Anders ausgedrückt: Pro investiertem Euro erreichen wir in Indien fünf- bis zehnmal mehr als in Deutschland.
Das spricht zunächst dafür vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländer zu investieren - solche Ansätze sind im Rahmen des Emissionshandels übrigens als Clean Developement Mechanism anrechenbar.
Aber natürlich müssen wir als Vorbilder auch vorangehen.
Hauptproblem für eine saubere Entwicklung ist freilich, dass irgendwo die Gelder herkommen müssen, indische Unterschichtler können sich kaum einen effizienten Kühlschrank leisten (da muss das 30-jährige Familienerbstück der Effizienzklasse H noch 20 Jahre weiter rattern).
Das war bislang das - scheinbar so triviale - Problem.
Nun, wenn ich mir anschaue, wieviel Geld zu AIG, HypoRealEstate usw. geflossen ist, dann scheint mir das freilich lösbar, wie sagte Greenpeace so schön "Wäre das Klima eine Bank, so hättet ihr es längst gerettet".
Wie gesagt, alles simple Fakten.
Es gibt für die Welt keine Klimakatastrophen.
Es gibt sie nur für die Menschen. Die Erde, so wie ich das glaube zu wissen, hat immer mit den fatalsten Zuständen aus des Menschen Sicht zurechtkommen müssen und sie hat das ohne Wehklagen getan. Mal gab es Eis auf der Erde, dann gab es wieder keines. Zweidrittel der Erdgeschichte war diese Erde absolut eisfrei.
Für die menschen mag es eine Katastrophe sein, wenn das Klima nicht funktioniert wie in der eigenen Wohnung, der Erde selbst ist es schnurzpipelegal.
Herzlichst
Auf ein Wort / Orpheus
PS Diese " Klimakatastrophe wird auch als Knebel benutzt, für den Zugang zu unser aller Geld.
Wenn sie sich mal mehr beschäftigen würden ,
käme vielleicht mal mehr dabei raus ausser Pauschalitäten .
An oberflächlicher Einseitigkeit nicht zu überbieten , recherchieren Sie mal ordentlich , dann würden Sie sich an einige Thesen nicht mehr heranwagen , weil die Unrelevanz einiger Klimaskeptikerargumente (trotz gelegentlicher Zustimmung vor allem hinsichtlich der teilweise peinlichen medialen Stimmungsmache!!) geradezu unglaublich ist .
Leider
wird ein wesentlicher Punkt in dem Interview überhaupt nicht erwähnt, nämlich das nach wie vor ungebremste Wachstum der Weltbevölkerung. Solange man dieses nicht in den Griff bekommt, sind auf Dauer alle Maßnahmen in Punkto Umwelt- und Klimaschutz sinnlos. Leider gilt es in Deutschland nicht als politisch korrekt dieses Thema anzusprechen, da es ja hauptsächlich den außereuropäischen Raum betrifft.
hellseher
immer wieder amüsant, wie die selbsternannten "klimafolgenforscher" sich zu solchen aussagen wie "Man kann davon ausgehen, dass diese Ökosysteme [der Tropen] bei Temperaturen über 28 Grad kollabieren würden." hinreißen lassen. Der studierte Mathematiker und Physiker will uns also weißmachen, dass er nicht nur sämtliche Komponenten des Klimas und deren Funktionsweisen verstanden hat, sondern dass er auch noch ein allwissender Ökowissenschaftler ist. Wer sich mal intensiv mit der Primärliteratur in den einschlägigen wissenschaftlichen Ökologie-Journals befasst wird bemerken, dass die wissenschaftliche Gemeinde hier noch sehr weit von eindeutigen Aussagen entfernt ist. Zumal die meisten intakten Ökosysteme der Tropen sich im vergleich zur postulierten Klimaerwärmung von ein oder zwei °C in den nächsten 50-100 Jahren einer ungleich höheren Gefährdung durch Bevölkerungswachstum in den nächsten 20 oder 30 Jahren ausgesetzt sehen.