Die Politik, wie wir sie wahrnehmen, ist oft grau, so grau und langweilig, dass wir uns nach etwas Buntem, Überraschendem sehnen. Nach jemandem, der das echte Leben darstellt. Wir wünschen uns Fachleute, die Verantwortung übernehmen, Manager, die Minister werden, Politiker, die keine Politiker sind – jedenfalls keine Berufspolitiker. Wenn wir wählen könnten, wen wir wählen wollten, würden wir ein Kabinett aus Quereinsteigern zusammenstellen. Frauen und Männer würden uns dann regieren, die anders sprechen als Olaf Scholz oder Ronald Pofalla, die eine andere Biografie haben und einen richtigen Beruf. Denn nichts verachten wir mehr als den Parteisoldaten und die Ochsentour.
Wenn wir endlich könnten, wie wir wollten – wir würden uns wundern.
In Kiel ist gerade der Wirtschaftsminister zurückgetreten. Dabei war Werner Marnette ein Mann nach unserem Geschmack. Ein erfolgreicher Unternehmer, der die Norddeutsche Affinerie zum größten Kupferproduzenten Europas gemacht hat. Ein Manager, der für mehr als 3000 Mitarbeiter und sechs Milliarden Euro Jahresumsatz verantwortlich zeichnete. Ein Typ mit Ecken und Kanten, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält und auch der Politik gern die Leviten las, als er selbst noch kein Politiker war.
Als Marnette seinen Dienst im Juli 2008 antrat, sagte er, er wisse, dass in der Politik andere Spielregeln gelten als in der Wirtschaft: "Während ich als Unternehmensführer die ganze Autobahn für mich hatte, gibt es hier jede Menge Gegenverkehr und viele Schlaglöcher." Acht Monate dauerte seine Geisterfahrt als Minister – dann nahm er die nächste Ausfahrt. Nicht ohne dem Ministerpräsidenten, der ihn berufen hatte, ein paar böse Worte hinterherzurufen. Auch damit trifft er unseren Geschmack: Wenn Quereinsteiger scheitern, ist stets die Politik schuld – nie der Quereinsteiger.
Wirklich nicht?
Der Fall Marnette spielt auf einer Nebenbühne, doch er reiht sich ein und offenbart ein Muster: Jost Stollmann, der IT-Unternehmer aus Schröders erstem Wahlkampfteam, tanzte nur einen Sommer lang; Werner Müller, der für ihn als Wirtschaftsminister einsprang, wurde nach einer Legislaturperiode abgelöst. Und Paul Kirchhof, Jurist und Steuerexperte, kostete Angela Merkel fast das Kanzleramt. Ein erfolgreicher Manager oder Professor ist noch lange kein guter Politiker, vielleicht gilt sogar das Gegenteil: Die Qualitäten, die einen Wirtschaftsführer oder Akademiker auszeichnen, taugen nicht für die Politik.
Denn trotz aller Verachtung für die Berufspolitiker handelt es sich bei der Politik sehr wohl um eine Profession – ein Handwerk, das Talent erfordert, das man lernen muss, das seine eigenen Gesetze hat und seine eigene Würde. Ein Handwerk, in dem es einige zu hoher Kunst bringen, die uns dann, wenn sie gelingt, Respekt, manchmal sogar Bewunderung abringt, weil die Könner die Anstrengung – die Ochsentour – vergessen machen. Dabei unterscheidet sich die Welt der Politik wesentlich von der der Wirtschaft.
Kommentare
Und jetzt fragen wir uns...
warum die Politiker, die uns regieren, so rein gar keine Ahnung von unserem Leben haben, sondern nur ihren weichgespülten Politiker-Betrieb kennen und uns Otto-Normal-Deppen nur als Bild-Leser wahrnehmen...
Die Sache
Der Mann war an der Sache interessiert, scheiterte kläglich in der Politik, da es dort einfach keinen Bedarf für Profis und für die Arbeit an der Sache gibt. Dies kann man ja wunderbar an den sog. Reformen sehen, z.B. an der Gesundheitsreform.
Wo soll es auch hinführen wenn Pädagogen der Bundeswehr vorstehen. Eigentlich total indiskutabel. Eine grundlegende Krankheit der Demokratie, jedenfalls der unserigen.
Der Artikel hat es ja klar herausgestellt, Leute die in der Sache Profis sind, scheitern kläglich an den Betonköpfen der Politik. Daher ist auch für die nächsten Jahre keine Besserung in Sicht, weder für Schleswig-Holstein noch für Deutschland.
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"that book is dead sexy" -- Xach on #lisp about "Practical Common Lisp"
Endlich...
mal jemand der die Wahrheit auspricht. Faktenwissen total verpoent. Wir haben im Grunde eine Apparatschick Demokratie. Nicht der Faehigste wird auf wichtige Posten gehievt, sondern der Parteikader. Oder um es mit Renten-Orakel Bluem zu sagen: "komm mir doch nicht mir Fakten, wenn ich mir meine Meinung schon gebildet habe".
Es scheint eine alten deutsche Krankheit zu sein. Am deutschen Wesen.... wird sich Deutschland selbst noch mal den Hals brechen.
Hannes
Berufspolitiker
oder Politiker mit Beruf sich ausschließende Alternativen? Zitat:
"...Politiker, die keine Politiker sind – jedenfalls keine Berufspolitiker. Wenn wir wählen könnten, wen wir wählen wollten, würden wir ein Kabinett aus Quereinsteigern zusammenstellen. Frauen und Männer würden uns dann regieren, die anders sprechen als Olaf Scholz oder Ronald Pofalla, die eine andere Biografie haben und einen richtigen Beruf."
Ist es jetzt scho so weit, dass unsere Politiker nicht einmal mehr einen ordentlichen Beruf erlernt und ausgeübt haben dürfen?
Ich bin da mal ganz der Meinung des in der ZEIT ja so hochgeehrten Herrn Altkanzlers Schmidt, der in seinem Buch 'Außer Dienst' über die Vorraussetzungen eines Menschen zum Politikerdaseins erklärt (sinngemäß), dass einer in einem Beruf ein zweites Standbein haben sollte auf das er jeder Zeit wieder zurückkehren können muss, um sich seine Unabhängikeit zu erhalten.
In diesem Artikel scheint mir die Trennlinie insbesondere zwischen Berufspolitiker und Parteisoldat vollkommen zu verwischen.
Ich persönlich mag Parteisoldaten nicht so sehr (ganz subjektiv). Wenn ein Mensch in der Politik was taugt, dann kann er von mir aus diese gern zu seinem Beruf machen. Aber nicht jeder Parteisoldat ist auch ein guter Politiker!
Gruß
Der Artikel ist in der Tat
ziemlich dünn. Politik ist ein respektables Handwerk. Wirtschaftsleute sind soziophobe numbercruncher. manettes meinung über die mad bank interessiert niemanden - und das ist auch gut so. fragen ? keine. weitermachen !
Nicht weitermachen - ändern!
Was sind Sie von Beruf? Beamter? Parteipolitiker oder was? Sehen Sie, nur dieser Berufsstand kann in seiner Mehrheit in der aktuellen kritischen Wirtschaftssituation so weitermachen wie bisher. Die Folgen seines Tuns muss er nicht tragen, das tut immer das Volk.
Auch wenn die Banker derzeit kein leuchtendes Vorbild für eigenverantwortliches Handeln sind, Leute wie Herr Marnette sind es gewohnt, die Folgen ihres Tuns vor der Entscheidung zu bedenken. Politiker beschränken sich darauf Entwicklungen zu beobachten,. Sind die positiv und erfolgreich, springen sie auf den fahrenden Zug und gebärden sich in der Öffentlichkeit als die großen Macher und Geschichtsfiguren. Beispiel? Helmut Kohl und die Wiedervereinigungspolitik.
Wer meinen Sie wird den voraussehbaren Misserfolg der Rettung der Nordbank bezahlen? Glauben Sie, einer der Entscheidungsbeteiligten wird auf Teile seiner °wohlverdienten“ Ruhestandsversorgung verzichten?
Nicht weitermachen – ändern!