Eigentlich müssten dies goldene Zeiten sein für die NPD. Dass die "Finanzmafia" der "jüdisch beherrschten" Wall Street das größte Weltübel sei, wusste die Partei immer. Banken und strategisch wichtige Unternehmen zu verstaatlichen fordert sie schon lange. "Kauft bei Deutschen!", rät die Partei in ihren Flugblättern "zur Stärkung des deutschen Bauerntums" und des "deutschen Handwerks". Die NPD hat simple Erklärungen und Lösungen für die Wirtschaftskrise – nur kommt sie wegen interner Kämpfe gerade überhaupt nicht dazu, sie ihren "Volksgenossen" nahezubringen.
Seit vor gut einem Jahr NPD-Schatzmeister Erwin Kemna festgenommen wurde, weil er Hunderttausende Euro abgezweigt hatte, ist die Partei vor allem mit sich selbst beschäftigt. In diesem Jahr will sie eigentlich in Sachsen den Wiedereinzug in den Landtag schaffen; zwei Legislaturperioden hintereinander in einem Parlament – das gab es noch nie in der Parteigeschichte. Außerdem rechnet sich die NPD Chancen bei den Landtagswahlen in Thüringen und im Saarland aus, bei Kommunalwahlen in acht Ländern will sie ihren lokalen Unterbau verstärken. Doch ausgerechnet jetzt ist die Partei praktisch pleite, die Führung zerstritten. Die Geldnot hat einen lange schwelenden Richtungsstreit zur Eruption gebracht: Auf der einen Seite ein bürgerlich auftretender Flügel um Holger Apfel, den langjährigen Parteivize und Chef der sächsischen Landtagsfraktion. Auf der anderen Seite der harte NS-Flügel um Jürgen Rieger, einen offen rassistischen und antisemitischen Anwalt aus Hamburg, der seit vergangenem Jahr ebenfalls stellvertretender Vorsitzender ist.
Zwischen ihnen stand bisher Parteichef Udo Voigt – doch weil er den Hitleristen keinen Einhalt gebietet, will der Apfel-Flügel seinen Sturz. So gleicht die NPD seit Monaten einem Trupp Saufkumpanen beim Schlammcatchen: Auf Blogs und in Internetfilmchen beschimpfen sich die Kameraden als "Kostümnazi" oder "Polithure". Auf einem Parteitag am Wochenende (von dem bei Redaktionsschluss nicht sicher war, ob er wirklich stattfindet) könnte es zum Showdown kommen. Es mag aussehen, als zerlegten sich die Nazis wieder einmal selbst. Tatsächlich steht die NPD momentan jämmerlich da. Die rechtsextreme Szene aber floriert.
Die "moderne" NPD konnte man Anfang März in Wildberg bei Meißen beobachten. Im schmucken Saal des örtlichen Wirtshauses tagte der sächsische Landesparteitag. Weit und breit keine Glatzen, nur ein paar bullige Männer mit Sonnenbrillen und Thor-Steinar-Pullis. Die meisten Herren trugen dunkle Sakkos, viele von ihnen würden bei der CDU kaum auffallen. Die Partei ist hier so rassistisch wie anderswo, aber sie plädiert nicht für einen "nationalen Sozialismus". Statt der Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot wird in Wildberg eine schwarz-rot-goldene Fahne gezeigt, die vielen in der NPD als Symbol des "Besatzerstaats" Bundesrepublik gilt. Man gibt sich bürgerlich und betont das Wort "sozial".
Die Hitleristen hatten ihren größten Auftritt vergangenen Juli auf einem Friedhof nahe Passau. Im Beisein Voigts legte der Rieger-Vertraute Thomas Wulff bei der "Totenleite" eines Altnazis eine Hakenkreuzfahne ins Grab. Der gemäßigte Flügel war empört. Mit der "Symbolik von gestern", schimpft Holger Apfel, könne man heute "niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken". Doch Voigt versuchte wieder nur, die Wogen zu glätten.
Die Flügelkämpfe lähmen den NPD-Bundesvorstand seit einem Jahr. Verschärft werden sie durch drückende Geldnot. Wegen falscher Finanzberichte fordert der Bundestag inzwischen Staatszuschüsse in Millionenhöhe zurück. Udo Voigt sitzt derzeit fast allein in der NPD-Zentrale in Berlin-Köpenick, sieben von zwölf Angestellten musste er bereits entlassen. Umso mehr ist er auf die Hitleristen angewiesen, denn Rieger ist einer der wichtigsten Geldbeschaffer. Viele Spender oder Darlehensgeber der NPD wollen nicht öffentlich bekannt werden, die Partei schaltet deshalb oft Strohmänner dazwischen. Kreative Buchführung, geheime Kreditverträge und Bargeldübergaben an Autobahn-Raststätten sind in der NPD quasi Routine. Sie haben Kemnas jahrelange Untreue erst ermöglicht, heute sichern sie Riegers Einfluss.
Im Dezember präsentierte der "bürgerliche" Flügel einen Nachfolger für Voigt – den ehemaligen Waldorfschullehrer und Exredakteur der Jungen Freiheit Andreas Molau. Der kündigte einen "Strategiewechsel" an, hin zu einem "modernen europäischen Nationalismus", und forderte einen "absoluten Verzicht auf Gewalt". Da brach eine Drecklawine los: Parteivize Rieger pestete, Molau sei "Achteljude" und hätte "im Dritten Reich nicht einmal Blockwart werden können". Als "Schädelvermesser" titulierte Molau daraufhin seine Gegner. Doch im Februar gab er entnervt auf und ging zur DVU. Statt seiner kandidiert nun Udo Pastörs, der Chef der NPD-Fraktion im Schweriner Landtag. Anders als Molau verspricht er programmatische "Kontinuität". Er kritisiert Voigt fast nur wegen der Finanzaffäre und der schlechten Organisation der Bundesgeschäftsstelle. Pastörs ist zwar radikaler als Apfel, manchmal rastet er geradezu aus – bei einem Aschermittwochsauftritt hetzte er in einem Tonfall, der an Joseph Goebbels erinnerte, gegen "diesen Judenstaat". Aber wofür Pastörs steht, ist unklar – "nur für die eigene Karriere", heißt es in der NPD über ihn.
Kommentare
Wenn interessiert das?
[ebenfalls entfernt/ Redaktion; svb]
"Wen interessiert das?"
meinten Sie wohl. Die Frage verrät, daß Ihnen nicht klar ist, daß über das berühmt-berüchtigte NPD-Verbot Politik gemacht wird. Da profilieren sich die bürgerlichen Parteien, insbesondere die CSU, die den dubiosen Fall Mannichl gleich begeistert aufgriff, um sich als stramm antirechts profilieren zu können. Schließlich will sie den rechten Rand selbst besetzen. Gleichzeitig griff sie den SPD-Innenminister von Berlin an, der frank und frei erklärte, daß die SPD-geführten Länder ihre V-Leute vom Verfassungsschutz aus der NPD herausnehmen wollten: schließlich war das frühere NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht daran gescheitert, daß die NPD-Scharfmacher für den Verfassungsschutz gearbeitet hatten...
Insofern ist die jetztige Situation Balsam auf die Seele eines rechtsstaatlich gesonnenen Demokraten. Die NPD atomisiert sich politisch, und finanziell ist sie am Ende. Da bedarf es keines Verbots mehr.
Daß mit dem Verschwinden der NPD rechtes Gedankengut und rechtsextremistische Gewalttaten ebenfalls verschwinden, wäre eine allerdings blauäugige Erwartung. Es gibt hierzulande zu viele dumpf-stumpfe Verlierer, die darauf angewiesen sind, auf Leute herabsehen und sie als Aggressionsobjekt behandeln zu müssen, um sich gut fühlen zu können, wenigstens für die paar alkohol/testosteron geschwängerten Momente, in denen sie einen Gegner erledigt haben. Dazu bedarf es keiner Partei, die ihnen ideologisch das "lebensunwerte Leben" nahebringt. Darauf kommen sie auch selbst. Jeder findet jemandem, der auf der sozialen Leiter tiefer steht als man selbst zu stehen vermeint.
Die NPD wird untergehen, andere Gruppierungen werden entstehen - das Problem des gegen Dritte gewendeten Selbsthasses ist damit nicht gelöst. Und ob Bildungsanstrengungen das Phänomen DUMMHEIT und mangelnde SELBSTREFLEKTION wirksam bekämpfen können?
Daran zweifle ich. Zumal heute Bildung als der Wirtschaftswelt dienliche Ausbildung mißverstanden wird. Das angepaßte "Funktionieren" hat allerdings nichts mit Selbstreflektion zu tun, so wenig wie Dressur mit Erkenntnis. Das rechte Element wird, solange es ego-schwache Menschen gibt, die sich an die Idee einer Gemeinschaft klammern müssen, um überleben zu können, immer anfeuernde Bedeutung haben.
Je mehr Menschen diese auf Effektivität getrimmte Gesellschaft als unbrauchbar aussondert, desto mehr werden rechte Bewegungen, wie sie auch heißen mögen, Zulauf haben.
Ein Nicht-Ich geht auf in der Gemeinschaft, die allein aus der Nationalität der Einzelnen Bedeutung für Alle erschafft. Die Abwertungen anderer Nationalitäten, die Verachtung "lebensunwerten Lebens" (Behinderte, Asoziale, Geisteskranke, Ausländer) führt dem gekränkten Ich neue Bedeutungsenergien zu, die sich erst dann in vitale Lebensenergien umwandeln, wenn sie durch aggressive Taten beglaubigt werden.
Parteiverbote ändern an dieser Situation nichts. Der bessere Weg wäre es, wenn diese Gesellschaft weniger Verlierer produzieren würde.
Ich bin nicht mehr jung genug, um hoffen zu können. Im Gegenteil: in den vierzig Jahren, in denen ich Schule erlitten und begleitet habe, hat sich das Aussortieren immer mehr vervollkommnet.
Das Alles wäre nicht weiter schlimm, wenn es in Deutschland nicht vorwiegend auf Theorie, Prüfungen, Examina ankäme, wenn man mit eigener Arbeit Geld verdienen will. Praktiker, Kreative, Kommunikationstalente - sie alle fallen durch den Rost, der noch von mittelalterlichen Zunftordnungen strukturiert wird.
Der Politik sei ins Stammbuch gerufen: es gibt keine Gefahr von rechts. Es gibt Rattenfänger, die diejenigen anziehen, die die Gesellschaft ausgesondert hat. Um deren Chancen sollten wir uns kümmern! Dann hört der Spuk ganz von selbst auf.
[entfernt]
[entfernt. Grobheiten und Beleidigungen werden auf dieser Plattform nicht geduldet. Die Redaktion/ew]
Die paar Rechtsradikalen...
die Wirtschaftsradikalen sind auch Pleite und werden mit Billionen subventioniert, wer mehr Schaden anrichtet bzw. die Tendenz der Menscheitsgeschichte mehr in Richtung auf Totalitarismus richtet, ist die Frage. Auch in Bezug auf die in Kommentar 2 thematisierte Selbstüberhöhung deformierter Persönlichkeiten können gute Parallelen zwischen Bankern, Spekulanten und Nazis gezogen werden, woher sonst könnte sich das Bedürfnis begründen, immer das dickere Konto und Auto zu besitzen, von daher auf die arme, breite Masse hinabblicken zu können, aus Banken-Türmen (!), jegliche geschichtlichen Einsichten, Ökonomischen Realitäten und menschliche Grundsätze zu ignorieren und auf eine plebiszitäre Art in ein Gegenteil umzukehren, das einfachen Menschen als absolute Wahrheit dargeboten werden kann ? Im speziellen rede ich da von den Verbreitern der Wahrheit, im Kapitalismus könnte jeder reich werden, hoffentlich wird das auch irgendwann in ferner Zukunft einmal als "Wirtschafts-Lüge" strafrechtlich relevant.
Wie jetzt?
Es gibt auch Bürgerliche in der NPD und nicht nur "Hitleristen"? Ist die Partei also doch nicht die Inkarnation des Bösen, mindestens aber die Wiedergeburt von Goebbels und Hitler? Was man hier alles lernen kann ...