Tewolde Berhan Gebre Egziabher ist ein weltweit geachteter Mann. Er bekam wichtige Preise, doch sein Denken, sagt der äthiopische Umweltexperte in gepflegtem Oxford-Englisch, bleibe "bäuerlich, dörflich" geprägt, und gern erzählt er vom Norden des Landes, aus dem er stammt.
Zum Beispiel von der Gastfreundschaft: Jeder Fremde habe Herberge, Speise und am Ende auch noch ein Abschiedsfrühstück bekommen. "Doch danach ließ man ihn nicht gleich gehen", sagt Tewolde Berhan. "Vorher musste er sich erst auf dem Gelände des Gastgebers diskret verziehen: zum Düngen!" Der ältere Herr kichert leise, dann wird er ernst: "Heute müssen wir erst wieder lernen, dem Boden Respekt zu zollen."
Wie Tewolde Berhan fürchten immer mehr Wissenschaftler, "dass sonst die Grundlagen unserer Ernährung gefährdet sind"; ja sie hoffen, dass auf die grüne jetzt die "schwarze Revolution" folgt. Denn im Einsatz für die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung konzentrierte sich über Jahrzehnte alle Welt auf die Ertragsoptimierung der wichtigsten Kulturpflanzen, mit Gentechnik oder ohne. Währenddessen lag die Erforschung der darunterliegenden Nahrungsquelle weitgehend brach. Erst seit einiger Zeit gerät der Boden wieder ins Blickfeld; auch beim Kampf gegen den Klimawandel.
Es ist nämlich nicht gut um ihn bestellt. Nach der jüngsten Erhebung verschiedener UN-Institute (Glada Report 5) ist allein von 1981 bis 2003 fast ein Viertel der globalen Landmasse degradiert, das heißt: Die Ertragsfähigkeit hat sich verringert, oder die Flächen haben sich gar in Wüsten verwandelt. Eine Ursache sind Klimaveränderungen, eine andere: landwirtschaftlicher Raubbau. In unterschiedlichem Ausmaß sind bereits 1,9 Milliarden Hektar Land geschädigt, etwa vier Fünftel davon potenzielle Äcker und Weiden. Rund 1,5 Milliarden Menschen fahren wegen schlechter Böden spärliche Ernten ein.
Dem weltweiten Verlust stünden zwar 15,7 Prozent der Böden gegenüber, die durch veränderte Niederschläge oder die Anstrengung von Bauern und Naturschützern neu belebt worden seien, rechnet Luc Gnacadja vor. Der frühere Umweltminister Benins leitet das Generalsekretariat der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) in Bonn. "Aber es reicht nicht", sagt Gnacadja, "Wir kommen nicht nach."
Bodendurchlüftung, Gülle und Schichtengrubber sind eben nicht besonders tauglich für politische PR. Erst als Preissteigerungen und Hungeraufstände im letzten Jahr die weltweite Krise der Landwirtschaft offenbarten, gestand selbst die Bush-Regierung Versäumnisse ein. Jetzt finden Stimmen Gehör wie die des Forschers Rattan Lal. In fruchtbarer Erde, sagt er, lägen die Wurzeln für "politische Stabilität, die Qualität der Umwelt, die Beseitigung von Hunger und Armut".
Mit reichlich Superlativen warnt auch der US-Geologe David Montgomery davor, die "am meisten unterschätzte, am wenigsten gewürdigte und dabei so existenzielle Ressource" weiter zu versiegeln und zu verdichten, zu übernutzen und zu verschmutzen; sie zu behandeln wie "Dreck" – so lautet der Titel seines Buches über sie "Erosion der Zivilisationen". Viele alte Kulturen seien "weniger zugrunde gegangen als zerkrümelt", schreibt Montgomery. Auch heute werde die existenzielle Grundlage allen Lebens vielerorts schneller verbraucht, als sie sich neu bilden könne.
Bei der Scholle fällt Städtern eben meist nur Dreck unter den Fingernägeln ein. Einzig die Pedologen schwärmen vom "Wunder" der Fruchtbarkeit. Sie erforschen den Boden, der seit jeher alles verbindet: die Atmosphäre, die Gesteinsdecke, den Wasserkreislauf, die Vielfalt des Lebens.
Kommentare
Neue Dimension für einen BEWUSSTSEINSWANDEL
Herzlichen Dank, Frau Grefe, dass Sie erneut
- im Einklang mit Ihrem Buch DER GLOBALE COUNTDOWN -
eine neue DIMENSION der NEUEN AUFKLÄRUNG für den notwendigen BEWUSSTSEINSWANDEL in die öffentliche Aufmerksamkeit rücken!
Weiter so mit dem gründlich recherchierten wohltuenden Qualitätsjournalismus !
Nachwachsende Rohstoffe
..... und wie unter diesen Prämissen das System der "nachwachsenden Rohstoffe" bei uns dasteht, wäre dann auch nochmal zu sehen. ..... bzw. zu sehen ist es ja - es müßte nur Subventionen, und sonstige Dschungel gelichtet werden.
Die Bedienung einer Ökostrom-Klientel aus Maisfeldern heraus, das ist kein zukunftsfähiger Weg. Begründet mit der Einsparung der einen Ressource, wird der beschleunigte Verbrauch der anderen in Gang gesetzt. Nur, daß es bisher die Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis nahm. Auch der Verweis auf "Knut" im Artikel ist sehr treffend für die selektive Aufmerksamkeit der medial vermittelten Öffentlichkeit.
Die Realtät ist komplexer als das simple Gegeneinander von Atom und Sonnenblume. Wenn überhaup NAWARO, dann nur bodenschonend, und man blicken den begrenzten Potentialen ins Auge.
Körperbewusstsein
Frau Gräfe,
Sie machen mir wieder Hoffnung auf bessere ZEITen. Um die Böden und ihre Struktur kümmern sich ausdauernd Fachleute im Verborgenen. Dabei muss doch hier dringlich in die Forschung und in Infrastrukturmaßnahmen investiert werden, weit über die bisherigen Gelder hinaus. Ihr Artikel ist gut geschrieben und lehrreich. Danke dafür.
Eine kleine Anmerkung: Die Bodenarten, die Sie im Text erwähnten, die sollten sich auch in der sehr hilfreichen und durchdachen Galerie Online finden lassen. "Cambisol-Boden" = "Braunerde", bleibt ungeklärt.
Weiter so, gegen die ökologische Alexithymie, diese globale Gefühlsblindheit.
Grüße
Christoph Leusch
Zerstörung der Haut unserer Erde
Wenn man in Deutschland gravierende Beispiele der ignoranten und leichtsinnigen Zerstörung der für unser Überleben unverzichtbaren Haut der Erde sehen will, sollte man in die Magdeburger Börde, das Gebiet mit den besten Böden Deuschlands, fahren. Hier werden unter Sanktionierung der CDU/SPD-Regierung des Bundeslandes Sachsen-Anhalt großflächig beste Ackerflächen für wahnsinnige Straßenverkehrs- oder Industrieprojekte, die nur der Straßenbaulobby helfen bzw. neue Produktionsüberkapazitäten schaffen (anstatt vorhandene Industrieflächen dafür zu nutzen), zerstört und damit der Nahrungsmittelproduktion entzogen.
Natürlich verteidigt und rechtfertigt die landesregierung diese Wirtschaftspolitik vehement und spielt dabei geschickt mit der Karte "Schaffung neuer Arbeitsplätze und Wirtschaftsaufschwung".
Allein schon dieses Beispiel zeigt, woran es eigentlich beim Bodenschutz krankt, nämlich am vernünftigen Abwiegen zwischen dem, was machbar ist und dem was aus ökologischer Sicht sinnvoll wäre und da wir in einem System der kurzfristigen Gewinne leben, interessiert niemand, dass die kurzfristigen Gewinne langfristig einen viel grösseren (auch ökonomischen) Schaden anrichten.
Ökologie wird deshalb noch so lange ein Schattendasein fristen, so lange wir keine Wirtschaft haben, die sich an langfristigen Ergebnissen orientiert. Eigentlich wäre jetzt sogar die beste Zeit dafür, wo sich auch unter sozialen Gesichtspunkten zeigt, dass dieses Quartalsdenken der Ökonomen ein Nähboden für allelei Krisen ist, nur diejenigen, die heute an den Trögen sitzen, haben nicht das geringste Interesse etwas daran zu ändern, sie profitieren ja schliesslich davon. Und so werden sie sich auch nicht genieren die Zukunft unserer Enkel zu versaufen, denn was nichts kostet, ist auch nichts wert...
"Verspottet, verachtet"
ist die Intelligenz, die uns trägt und erhält, obwohl wir sie eher mit Fäkalien in Verbindung bringen als dass wir genügend wertschätzen würden.
Matthias Claudius sagt dazu
"So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn."
Nicht nur am meisten Kohlenstoff ist im Boden, sondern auch die meisten lebendigen Lebewesen, die dort ihre Arbeit tun, die meiste DNA und RNA, die meisten Proteine.
Wenn Haiko Pieplow vom Bundesumweltministerium eine »Schlüsselinnovation des Jahrhunderts« erwartet, wenn die Schwarzerde Teil eines regionalen Stoffstrom-Managements werde, kann ich dazu nur sagen, dass wir eine weltweite Infrastruktur der Biomasse brauchen, genauso wie eine weltweite Infrastruktur des Wassers und der Luft brauchen: ein weltweites Stoffstrom-Management. Milliarden von Menschen können und werden dadurch wieder Arbeit und Würde finden. Das das in uns Menschen durchaus angelegt ist, zeigen die vielen Schrebergärtner, die aus öden Bahndämmen kleine Paradiese gemacht haben.