Roh ragt der Rumpf des Frachters in den trüben Winterhimmel über der Werft. Gestrichen wird das Schiff später, noch ist jede Schweißnaht zu sehen. Öffnungen klaffen in der stählernen Bordwand, an die im Dock schon das braune Elbwasser schwappt. Eine Seilwinde heult kurz auf, Maschinenteile werden vom Kai gehievt. Dann ist es wieder eigentümlich ruhig.
"Jedes einzelne Schiff ist ein Kampf", sagt Rüdiger Fuchs, Chef des Schiffsbauers Sietas. Ein Kampf ums Geld, ein Kampf gegen die Flutwelle der Krise. Die Kräne an den übrigen Bauplätzen der Werft stehen still.
Im November hat Fuchs das wohl letzte in Hamburg gefertigte Containerschiff abgeliefert – mit einem Aufatmen. "Wir haben jetzt alle toxischen Orders aus den Büchern", sagt er. Damit meint er Bestellungen, die das Unternehmen an den Rand der Pleite brachten, weil manche Reeder in Zahlungsnot gerieten. Innerhalb weniger Monate schrumpfte das Orderbuch von drei Jahren Auslastung auf nicht mal ein Jahr. Nur mit Staatsbürgschaften für 75 Millionen Euro konnte das Unternehmen gerettet werden, ein Viertel der Belegschaft wird entlassen oder versetzt. Die meisten mussten zum Jahresende 2009 gehen.
Seit 374 Jahren werden bei Sietas in Hamburg Schiffe gebaut. In den nächsten paar Monaten muss Fuchs beweisen, dass dies Zukunft hat. Die Wadan-Werften in Mecklenburg-Vorpommern sind bereits in die Insolvenz gerutscht und suchen verzweifelt Aufträge, Blohm+Voss stützt sich auf die Ölscheichs aus Abu Dhabi.
Einem Zehntel der Containerschiffe fehlen die Aufträge
Hinter der Krise der Werften steht ein noch weit größeres Problem – die Krise der Schifffahrt. Dass in diesem Jahr die Zahl der Jobs im einst bedeutenden deutschen Schiffsbau um weitere 3100 auf gerade noch 17.500 geschrumpft ist, kann das Land noch verkraften. Aber in der Containerschifffahrt ist Deutschland weltweit führend, gut ein Drittel aller Containerfrachter auf den Weltmeeren sind in der Hand hiesiger Reeder. Bis zu 100 Milliarden Euro stecken hierzulande in Schiffsfinanzierungen durch Banken und Fonds. Mindestens 400.000 Menschen sind in der maritimen Wirtschaft, in den Häfen, bei Zulieferern und Dienstleistern, beschäftigt. Es geht ums Ganze. "Die Schifffahrt ist von strategischer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland als Drehscheibe des Welthandels", erklärt Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL). Von der "größten Krise des Sektors seit dem Zweiten Weltkrieg" spricht Georg Jarzembowski, der die Branche für die CDU im Europaparlament 18 Jahre lang beobachtet hat. Und alle sind sich einig: 2010 wird ein Schicksalsjahr.
So mancher befürchtet schon ein "Blutbad" in der Branche. Das hätte gravierende Auswirkungen auf die Volkswirtschaft – träfe aber auch eine Menge Kleinanleger. Mehr als eine Viertelmillion von ihnen haben Geld in Schiffsfonds gesteckt, zusammen sind es 19,5 Milliarden Euro. Darunter Zahnärzte und Anwälte mit dickem Konto, aber auch ganz normale Menschen aus der Mittelschicht. Die Mindestanlagesumme betrug bei manchen Fonds zuletzt nur noch 2500 Euro.
Natürlich war es die von Finanzspekulanten ausgelöste Weltwirtschaftskrise, die einen Großteil des internationalen Frachtverkehrs hinwegspülte. Aber auch die Schifffahrtsbranche selbst hat sich verspekuliert – aus Blauäugigkeit, aber auch aus Gier. Die maritime Wirtschaft ist vernetzt. Das wirkt sich nun fatal aus. Geht einer unter, reißt er andere mit.
Kommentare
Motto:
Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert!
Wenn ich noch daran denke, wie offensiv diese Schiffsfonds meist noch mit dem Argument einer Steuerersparnis vermarktet wurden, bin ich eigentlich um den Schlaf gebracht.
Wieso sollen wir für Eure Krise bezahlen?
Der Untergang
Der mit Sozial- und Lohndumping sowie Wechselkurssubventionierung der Länder Chinas, Koreas, Japans, Malaysias usw. forcierte Killerwettbewerb, der in der ersten Phase die Arbeitsplätze im Bergbau- und der Stahlindustrie vernichtete, scheint jetzt auch den Konkurs der Werftindustrie in die letzte Phase hinein zu führen.
Dass wir danach die Strangulation der Landwirtschaft erleben, hat zwar seine Kernursache in den Exportsubventionen für die Agrargroßindustrie, mit denen wir die Landwirtschaften in den Entwicklungsländern zerstören und den Einwanderungsdruck der verelendeten Afrikaner in Europe und Lateinamerikaner nach Nordamerika verursachen, wird aber das zentrale Nervensystem unserer sogen. parlamentarischen Demokratien so beschädigen, dass wir es wohl bald mit dem finalen Selbstmord unserer sogen. wirtschaftlichen, politischen und administrativen Eliten zu tun bekommen.
Ignoranz und Habgier waren schon in der Vergangenheit wirklich lethale Waffen der Selbstzerstörung von Machteliten. Scheinbar brauchen wir das schon wieder.
Nicht von ungefähr haben die Kaufleute ...
... und die Diebe den gleichen Schutzpatron.
In Asien lassen sie sich ihre Schiffe durch Zuschüsse für die dortigen Werften indirekt subventionieren, die Kosten für die Heuer drücken sie durch Lohndumping mit Hilfe philippinischer Seeleute und Ausflaggung, mit Schiffsfinanzierern hebeln sie Anleger aus, Landesbanken werden zu Hausbanken umfunktioniert, durch die on der Politik willig gestaltete Tonnagesteuer senken sie ihr Steueraufkommen und wenn ein Schiff vor Afrika geentert wird, muss die vom Steuerzahler bezahlte Bundesmarine das Eigentum der Reeder retten – wobei nicht ganz klar ist, ob nicht der größere Pirat längst in Hamburg sitzt.
Seetransport
Dass nur 10 % der internationalen Flotte ueber ein zu geringes Ladungsaufkommen bei zu niedrigen Frachraten klagt, stimm nicht. Es sind mind. 25 % die nicht ausgelastet sind und wo die Reeder Usd 200 pro teu drauflegen muessen.