Dieser Mechanismus greift auch, wenn ein Gerücht den Raum durchquert. Darum herum scharen sich ebenfalls Zuhörer und verleihen ihm so eine (wenn auch flüchtige) Masse. Auf ähnliche Weise soll das Higgs-Feld eine Art Pseudopartikel hervorbringen – das Higgs-Teilchen. Dessen Nachweis wäre der beste Beleg für die ganze Theorie.
Die Mehrzahl der Physiker geht davon aus, dass das Higgs-Teilchen existiert; für den dahinter liegenden Mechanismus gibt es so viele Hinweise, dass er fast als indirekt bewiesen gilt. Nur der Astrophysiker Stephen Hawking hat 100 Pfund darauf gewettet, dass das Higgs-Teilchen nie gefunden wird. Sollte er recht behalten, wäre die Frage, was den subatomaren Bausteinen unserer Welt ihre Masse verleiht, wieder völlig offen.
Aber warum nennt man das Higgs-Boson auch "Gottesteilchen"?
Preisfrage: Wie verkauft man eine komplizierte physikalische Theorie, für die sich niemand interessiert? Antwort: Indem man einen Bezug zur Metaphysik herstellt. Dass diese Methode zuverlässig funktioniert, hat nicht nur Stephen Hawking bewiesen, der in seiner Kurzen Geschichte der Zeit immer wieder auf "Gott" und dessen Plan zu sprechen kommt. Auch Leon Lederman ist ein gutes Beispiel.
Nachdem er 1988 den Nobelpreis für Physik erhalten hatte, tat er, was viele auf der Höhe ihres Ruhmes tun: Er schrieb ein Buch. Selbstverständlich eines über sein Forschungsgebiet, die Suche nach den Bausteinen der Materie. Darin bezeichnete er das verzweifelt gesuchte Higgs-Boson als "goddamn particle" (gottverdammtes Teilchen). Als am Ende noch ein griffiger Buchtitel fehlte, kam der Verleger auf die Idee: Wenn aus goddamn particle das "Gottesteilchen" würde, wäre nüchterne Physik auch für Gläubige interessant.
Und so geschah es: Ledermans Buch erschien 1993 unter dem Titel The God Particle – und seither hat das Higgs-Teilchen seine höheren Weihen weg. Dessen eigentlicher Namensgeber Peter Higgs ist darüber übrigens keineswegs erfreut: Schließlich glaube er selbst nicht an Gott, und auch das nach ihm benannte Partikel habe damit nichts zu tun.
Werden am Large Hadron Collider Schwarze Löcher erzeugt?
"Hoffentlich!", würden viele Physiker antworten. Denn Schwarze Löcher unter Genf gäben Auskunft über die Struktur von Raum und Zeit. Im Jahr 2001 war der Bau des LHC am Anfang, der Betriebsbeginn in weiter Ferne, die Physiker hatten Muße für Gedankenspiele. Einige rechneten im Internet vor, dass in der Maschine tatsächlich Schwarze Löcher entstehen könnten – womöglich im Sekundentakt.
Denn bei den Teilchencrashs wird Materie auf engstem Raum zusammengepresst, was laut Relativitätstheorie das Raum-Zeit-Gefüge verzerrt. Wenn dieses Gefüge eine bestimmte, theoretisch vorhergesagte Struktur hat, können beschleunigte Teilchen gleichsam winzige Löcher hineinreißen – eben Schwarze Löcher. Klingt komisch? Physikern war diese Idee nicht neu, sie wurde schon diskutiert, als der Schwerionenbeschleuniger RHIC im Jahr 2000 in Brookhaven auf Long Island anlief.
Weil aber Schwarze Löcher den Ruf gefährlicher Allesfresser haben, kamen Befürchtungen auf: Ein künstliches Schwarzes Loch könne außer Kontrolle geraten und zuerst Brookhaven (beziehungsweise Genf) verschlucken, danach die ganze Erde. Beiderseits des Atlantiks zogen Untergangspropheten gegen RHIC und LHC vor Gericht, in Deutschland sogar bis vors Bundesverfassungsgericht – stets vergeblich. Tatsächlich würden sich künstliche Schwarze Löcher ganz anders verhalten als ihre kosmischen Verwandten. Sie wären mikroskopisch klein, deshalb würden sie binnen Sekundenbruchteilen zerstrahlen.
Das sagt die Theorie, aber auch alle Beobachtungen sprechen dafür: Im All und in der Atmosphäre passieren in jeder Sekunde unzählige ähnliche Teilchenkollisionen wie im LHC. Würden daraus stabile Schwarze Löcher entstehen, wäre das All voll von ihnen. Natürlich kann niemand beweisen, dass aus dem LHC kein gefräßiges Schwarzes Loch erwächst. Aber deshalb die Maschine stoppen? Dann dürfte man auch nicht mehr vor die eigene Haustür treten, weil man von einem Meteoriten getroffen werden könnte. Die Menschheit geht weitaus größere Risiken ein als mit dem LHC.
Hat die Physik ihr Ende erreicht, wenn das Higgs-Boson auftaucht?
Das Ende der Physik wurde schon oft ausgerufen. Aber bis jetzt gab es dann doch immer noch genug Widersprüche zwischen Theorie und Experiment. Zum Beispiel kann auch das Standardmodell der Teilchenphysik nicht erklären, wie Gravitation entsteht. Oder die Dunkle Materie – jene unbekannten Teilchen, aus denen mehr als 80 Prozent der Materie im Universum bestehen.
Manche Theoretiker sagen gar voraus, dass für jedes Elementarteilchen des Standardmodells ein Zwillingsteilchen existiert. Würde man eines davon am LHC finden, wäre das eine Sensation. Die Wissenschaftler hätten neue Daten für die erhoffte "Weltformel" : Eine solche "Theorie für Alles" solle Relativitätstheorie und Quantenphysik (zu der auch das Standardmodell gehört) vereinigen, träumte schon Albert Einstein . Die Experimentatoren hätten dann ein Argument, einen noch größeren Beschleuniger zu bauen, um nach den anderen Zwillingsteilchen zu suchen.
Im schlimmsten Fall finden die Physiker am Cern nur das Higgs-Boson. Dann hätten sie die Vorhersagen des Standardmodells zwar bestätigt, aber keine Anzeichen für eine neue Physik entdeckt. Ihrer Wissenschaft würde das kein Ende setzen, wohl aber der Ära der Beschleuniger. Von den goldenen Zeiten der Teilchenphysik bliebe dann nur ein Ringtunnel im Juragestein.
Kommentare
Das Trommelfeuer der Ur-Knall-Kopf-Theorie
Das große Märchen vom Urknall.
Wenn genug honorige Wissenschaftler eine Theorie vertreten wird sie zum Paradigma und wir verneigen uns mehrheitlich und heldenfürchtig vor diesen selbsternannten Genies.
Es war schon immer in der Geschichte der menschlichen Rasse so,das die Masse der Menschen der Gruppendynamik und Suggestion mit ihrer magnetischen Energie wie Schäfchen hinterherläuft.
Der Prophet galt im eigenen Land noch nie etwas.
Diese Theorie ist wirklich nur eine Theorie.
@1: Semantik
Eine Theorie in wissenschaftlicher Ausdrucksweise kommt dem Faktum in der Umgangssprache schon sehr nahe. Insofern ist die "Urknall-Theorie" der Wissenschaft die Erklärung des wissenschaftlichen "Faktums", dass sich alle Materie auf genügend großer Skala von uns weg bewegt. Gleichzeitig erklärt die Theorie die Fakten der kosmischen Hintergrundstrahlung, der Dichte leichter Elemente und deren Isotopen sowie das Alter beobachteter Sterne.
Sofern Sie für all diese Beobachtungen keine bessere Erklärung haben, ist die Urknalltheorie die Beste momentan zur Verfügung stehende, und die sie unterstützenden Beobachtungen heben diese wissenschaftliche Theorie auf dasselbe Niveau, welches gesellschaftlich als Faktum bezeichnet wird.
Was ist an der Physik anders?
Außer der Physik selber ist noch eine Frage interessant: Ich bin nicht im Bilde darüber, wie viele Menschen weltweit die Theorie so weit durchschauen, dass sie mitreden können - vielleicht sind es nur ein paar hundert.
Wie schaffen es also diese paar hundert Physiker, bei der Staatengemeinschaft für so ein Projekt -zig Milliarden locker zu machen, wenn sie nichtmal den praktischen Nutzen voraussagen können?
Bei politischen Entscheidungen dieser Größenordnung muss sonst jeder Minister haarklein Kosten und Nutzen gegeneinander aufrechnen und der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Was ist an der Physik anders?
Als Volta
die erste Voltasche Säule entwickelte, konnte er den praktischen Nutzen auch nicht vorhersagen. Wie auch?
gründe
Es liegt nicht an der Physik sondern an der Grundlagenforschung im allgemeinen.
Politiker bauen mist/ müssen den Mist ihrer Vorgänger ausbaden
=> entweder sie lösen die Probleme , oder sie investieren öffentlichkeitswirksam in die Forschung und verkaufen die missstände als unvermeidlich
=> alle lieben sie
Deshalb machen es die Politiker.
Das heißt aber nicht ,dass Grundlagenforschung überflüssig ist im Gegenteil sie ist wichtig. Die Wichtigkeit wird wiebei allen großen Erkenntnissen meist nur in der Rückschau erkannt.
Bessere Idee?
Wenn jemand eine bessere Theorie (die die sehr vielen Beobachtungen erklärt) als die des Urknalls entwickelt, dann wird diese als allgemeingültig anerkannt. Ich gehe mal davon aus, dass die diese Theorie entwickelt haben. Dann können Sie sie gerne veröffentlichen und wir können sie alle nachrechnen, mathematisch überprüfen...
Es ist mir unbegreiflich warum so viele Menschen das Zustandekommen der Theorien und Modelle in den Naturwissenschaften als dogmatischen Prozess oder ähnliches (Stichwort: Verschwörung) sehen.
Nur weil man etwas nicht versteht heißt es nicht, dass es nicht so ist, oder das es andere verstanden haben könnten. Jeder ist ein Experte auf seinem Gebiet, aber auf anderen Gebieten vertraue ich den Experten auf den anderen Gebieten. Schließlich kann ich mich ja z.B. nicht selber behandeln wenn ich krank bin, denn ich bin kein Arzt. Auch wenn ich dazu in der Lage wäre mir Medikamente im Labor zu synthetisieren. Mit der Physik ist es ähnlich. Irgendwann kapituliere ich vor der notwendigen Mathematik, daher muss ich einen Physiker zu rate ziehen. Allerdings kann sich ja auch jeder hinsetzen, ein Physikstudium absolvieren und dann die Urknalltheorie überprüfen. Also tun sie nicht so, als wäre sie vorgegeben. Sie können sie ja selber überprüfen.
Einfache Antwort
Das liegt an unserem ach so tollen Bildungssystem: man muss
i) lesen, schreiben und rechnen koennen (essentiell)
ii) Goethe kennen und Schiller (was okay ist)
iii) Englisch sprechen (auch okay)
iv) eine zweite Fremdsprache kennen (mglst. noch eine dritte, ach was je mehr desto besser)
v) die Bibel kennen
vi) die wichtigsten Sparten in den Wissenschaften kennen
vii) und in den Kuensten nicht ganz unbewandert sein
Dabei sind iv) und v) vollkommen ueberfluessig, und der arme Schueler weiss immer noch nicht was denn der Unterschied zwischen v) und vi) ist.
Ich fordere immer noch das Pflichtfach Erkenntnistheorie, das schliesst ja sogar die Religion mit ein.