Einmal in seinem Leben wollte sogar der unversöhnlichste Religionsgegner der Gegenwart eine mystische Erfahrung machen. Seit seinem Bestseller Der Gotteswahn ist der britische Biologe Richard Dawkins so etwas wie der Wortführer der modernen Atheisten.
Doch als er von den Versuchen des "Neurotheologen" Michael Persinger hörte, da wurde selbst Dawkins schwach. Denn Persinger, Hirnforscher an der Laurentian University im kanadischen Sudbury, hatte nicht weniger behauptet, als dass er in seinem Labor, quasi auf Knopfdruck, religiöse Erlebnisse hervorrufen könne. Angeblich genügte dazu ein umgebauter Motorradhelm mit Magnetspulen, um das Hirn in göttliche Schwingungen zu versetzen.
Viele der Versuchspersonen, die in Persingers schalldichter Kammer Platz nahmen, ausgerüstet mit Helm und einer schwarzen Brille, berichteten von erstaunlichen Wirkungen: Sie hätten eine "Präsenz" gespürt, so als ob noch jemand neben ihnen stehe; manche wähnten ihren Schutzengel oder Gott persönlich in der Kammer, andere flohen entsetzt, weil sie meinten, dem Teufel begegnet zu sein.
Forscher untersuchten das Hirn betender Christen und meditierender Mönche
Da sah Dawkins den Moment gekommen, seinen eigenen Unglauben auf die Probe zu stellen. Er reiste nach Sudbury, setzte sich Persingers Helm auf und wartete gespannt auf das, was da kommen sollte. Insgeheim hoffte der Mann, der unter anderem die Festnahme Papst Benedikts XVI. gefordert hatte, wohl auf ein Erleuchtungserlebnis. Doch daraus wurde nichts. Er sei "sehr enttäuscht", sagte Dawkins nach dem Versuch. Er habe überhaupt nichts gespürt.
Mittlerweile ist auch klar, warum dem Biologen die mystische Erfahrung verwehrt blieb. Denn was in Persingers Versuchsanordnung wirkt, ist nicht etwa die Magnetstimulation, sondern vor allem die Kraft des eigenen Glaubens. Und wo dieser fehlt, bleibt es selbst unter dem Mystikhelm still.
Diese Erkenntnis verdanken wir dem schwedischen Psychologen Pehr Granqvist , der inzwischen Persingers Versuch nachvollzogen hat – allerdings mit einer entscheidenden Veränderung. Der Forscher aus Uppsala achtete nämlich streng darauf, dass in seinem Labor das Mystikexperiment doppelblind ablief. Das heißt: Nur bei der Hälfte seiner Versuchspersonen wurde das Magnetfeld wirklich eingeschaltet.
Doch siehe da: Als die Probanden erwartungsvoll im Dunkeln saßen, abgeschnitten von allen äußeren Reizen, spürten plötzlich auch jene etwas Göttliches, die keinerlei Magnetstimulation ausgesetzt waren. Am Ende war die Zahl der Mystikerlebnisse sogar in beiden Gruppen gleich groß. Der schwedische Psychologe kam jedenfalls zu dem Ergebnis, es hänge vor allem von der "persönlichen Charakteristik" ab, ob jemand bewusstseinserweiternde Erfahrungen mache oder nicht. Wer zum Beispiel für esoterisches Denken aufgeschlossen oder für Suggestionen zugänglich sei, der fühle sich unter dem Motorradhelm schnell entrückt.
Persingers Helm und Granqvists Experiment beweisen vor allem eines: die Macht des Glaubens. Offenbar ermöglicht uns unser Hirn die tollsten transzendentalen Reisen – sofern wir nur glauben, dass wir (zum Beispiel durch Magnetstimulation) dafür einen Freifahrtschein erhalten. Umgekehrt gilt: Wem jeglicher Glaube fehlt, wie Dawkins, dem hilft auch kein noch so kräftiges Magnetfeld auf die Sprünge.
Das Erlebnis des britischen Religionskritikers bestätigt die Resultate all jener Wissenschaftler, die in den vergangenen Jahren zur Erforschung des Religiösen ausgezogen sind. Denn seit von der "Rückkehr der Religion" die Rede ist, haben auch die nüchternen Naturwissenschaften ihr Interesse an einem Thema entdeckt, das zuvor ausschließlich in die Zuständigkeit der geisteswissenschaftlichen Disziplinen zu fallen schien. Hirnforscher haben meditierende Mönche in den Kernspintomografen geschoben, andere durchleuchteten das Hirn frommer Christen beim Psalmrezitieren, Mediziner untersuchten den Einfluss von Gebeten auf den Heilungsprozess von Kranken, und Psychologen ermittelten, ob Gläubige schneller genesen als Ungläubige.
Kommentare
Bitte mehr!
Dieser Artikel trifft genau den Punkt, der in der Homöopathiediskussion m. E. zu kurz gekommen ist: Die ausserordentliche Wirksamkeit des Glaubens an ein konstruiertes, in sich schlüssiges System.
Interessant wäre es noch, herauszufinden, ob alle Menschen über die Begabung zum Glauben verfügen, und ob diese einen genetischen Hintergrund hat, oder komplett über das soziale Umfeld vermittelt wird.
Gibt es einen Zusammenhang von Intelligenz und Glauben ? Verdrängt Bildung die Glaubensfähigkeit ? Könnte Dawkins das Glauben erlernen ? Kann ein tief Gläubiger diese Fähigkeit einbüssen ?
Ja, es gibt einen Zusammenhang
Es gibt einen statistischen Zusammenhang zwischen Intelligenz und Glauben. Dazu ist erst vor ein paar Monaten eine Studie in den USA veröffentlicht worden. Menschen die sich als sehr religiös bezeichnen sind signifikant weniger intelligent, als überzeugte Atheisten und Agnostiker. Der Unterschied ist nicht riesig, aber messbar (ca. 20 IQ Punkte). Wer weniger gut in der Lage ist selbst zu denken, glaubt eher was andere ihm erzählen. Aus ähnlichen Gründen sind weniger intelligente Menschen im Schnitt konservativer, weil sie die Zukunft schlechter einschätzen können und daher mehr angst vor ihr haben.
Wie Virgilja in Beitrag 10 richtig festgestellt hat: Torheit macht selig.
Oder Logine in Beitrag 12 mit den Worten G.B. Shaws: "The fact that a believer is happier than a skeptic is no more to the point than the fact than a drunken man is happier than a sober one."
Dazu fällt mir noch aus der Bergpredigt ein: "Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich."
Intelligent zu sein ist halt kein Streichelzoo. Diejenigen, die intelligent sind und mit den damit verbundenen Unannehmlichleiten nicht zurecht kommen wählen ja meist den traditionellen Weg des Sich-dumm-Saufens. Na denn Prost!
Überraschende Erkenntnis
Ich habe diesen Artikel mit einigem Befremden gelesen. Als dann zum Schluss der Satz "Die Frage, ob sie nun »tatsächlich« existieren oder sich beweisen lassen, ist dabei zweitrangig, wenn nicht gar irrelevant." fiel, war ich dann doch erleichtert. Allerdings ist diese Frage definitiv irrelevant, nicht zweitrangig.
Die Erkenntnis, dass sich Gott nicht beweisen, widerlegen oder finden lässt, ist ja alt wie die Welt. Oder zumindest so alt wie die Aufklärung. Auch das hat nichts mit Gott selbst zu tun, sondern mit der extrem schwammigen und flexiblen Definition von Gott. Dass Neurologen auszögen, im Gehirn nach Gott zu suchen ist ein klassisches Beispiel populärwissenschaftlicher Zuspitzung auf markige Phrasen, die dem Laien ein falsches Bild vermitteln. Leider bedienen sich einige Wissenschaftler sebst dieses Mittels, weil es Aufmerksamkeit erzeugt und das ist nicht nur der eigenen Karriere förderlich, sondern auch nötig um Geld für ihre Forschung einzuwerben. Aber kein ernsthafter Neurologe oder sonstiger Naturwissenschaftler wird wirklich nach Gott suchen.
Das Problem ist hier wie so oft die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Einen Artikel über ein solches Thema zu schreiben, der inhaltlich exakt, aber gleichzeitig für den Laien nicht sterbenslangweilig ist, ist sicher schwierig.
Ich würde mir mal einen Artikel wünschen, der sich mit dieser inhärenten Problematik des Wissenschaftsjournalismus auseinander setzt. Nur so als Anregung.
Wissenschaft auf dem Niveau eines Yps-Gimmicks.
Oder ist das eine Parodie?
Oder der Beitrag Nordkoreas zur Hirnforschung?
"Realität ist Ansichtssache"
Ach?
YPS ?
...mit dem Verglich tut man einer wunderbaren Sache aber schwer Unrecht.
Keine Aussage über Gott
>>Die Frage, ob sie nun »tatsächlich« existieren oder sich beweisen lassen, ist dabei zweitrangig, wenn nicht gar irrelevant. An dieser Tatsache beißen sich selbst die härtesten Religionskritiker wie Richard Dawkins die Zähne aus.<<
Oder sie sehen ihre Thesen bestätigt. Wenn religiöse Erfahrungen extrem unterschiedlichen Inhaltes in ähnlichen Hirnaktivitäten zum Ausdruck kommt, bedeutet das doch eigentlich nur, dass der Mensch eben Homo Religiosus ist; über die Existenz Gottes sagt das nichts aus.