Es gibt kuriose historische Zufälle. Wie diesen hier: Ausgerechnet zum 250. Geburtstag August Neidhardt von Gneisenaus, der einst für die Wehrpflicht in Preußen stritt, wird die Wehrpflicht in Deutschland aufgehoben. Ein schönes Festtagsgeschenk! Zumal an den verehrten General, der zu jenen Militärs im Umkreis der preußischen Reformer Hardenberg, Stein und Humboldt gehörte, auf die sich die Bundeswehr gern beruft. An Scharnhorsts 200. Geburtstag ist sie 1955 offiziell gegründet worden – Männer wie er und Gneisenau verkörperten damals die einzige militärische Tradition, an die man noch halbwegs unverfänglich anschließen konnte.
Gneisenau zählt neben Gerhard Scharnhorst und Carl von Clausewitz zu den bedeutendsten Militärreformern Preußens, vor allem aber: Er ist der einzige echte Kriegsheld unter ihnen. Doch sooft man seine Taten im Kampf gegen Napoleon beschrieben hat, so wenig wurde über seine Herkunft und Jugend bekannt.
Er ist ein Kind des Mars, geboren mitten im Siebenjährigen Krieg, am 27. Oktober 1760 in Schildau bei Torgau an der Elbe. Gneisenaus Vater August Wilhelm Neidhardt gehört als Artillerieleutnant der sogenannten Reichsarmee an, die aus Kontingenten der kleineren deutschen Staaten besteht. Seine Frau Maria Eva ist ihm ins Feld gefolgt. Sie stirbt ein Jahr später in Fürth, da ist der Junge schon in der Obhut einer Schildauer Pflegefamilie.
Der Kleine lebt in Armut, barfuß soll er die Gänse gehütet haben. Doch im Jahre 1767 ändert sich sein Leben. Sein Großvater mütterlicherseits, Oberst und Festungsbaumeister in Würzburg, holt ihn zu sich und lässt ihn die Jesuitenschule besuchen. Weit mehr als der Unterricht indes fesseln den Jungen die Erzählungen eines Pfarrers, der bei den Großeltern wohnt. Der gelehrte Untermieter leiht dem Knaben Bücher und erschließt ihm die Welt der Klassiker.
1771 stirbt der Großvater, Gneisenau kommt nach Erfurt, wo sein Vater mittlerweile als Architekt arbeitet. Hier besucht er die Kaufmannsschule und das Ratsgymnasium. 1777 beginnt er an Erfurts Universität zu studieren. Er ist als stud. phil. eingeschrieben, befasst sich jedoch mit militärischer Mathematik (wie man sie etwa für die Ballistik braucht) und mit der Baukunst. Dies sind damals noch eng verwandte Wissenschaften und Künste. Nach einem Jahr bricht er das Studium ab und tritt als gemeiner Soldat in ein österreichisches Husarenregiment ein, das in Erfurt stationiert ist. Bald wechselt er in das Jägerbataillon des Markgrafen von Ansbach-Bayreuth, 1781 erhält er das Patent als Unterleutnant. Sein Vater hat sich indessen einen etwas windigen Adelstitel zugelegt: "Neidhardt von Gneisenau". Der Sohn übernimmt ihn.
Auf seinem Gut in Schlesien brennt er Kartoffelschnaps
Der Siebenjährige Krieg ist lange vorbei, doch Soldaten bleiben begehrte Ware. Gneisenaus neuer "Kriegsherr" vermietet, wie andere Duodezfürsten auch, seine Soldaten an die Briten, die sie im Unabhängigkeitskrieg in ihren amerikanischen Kolonien einsetzen. So kommt Gneisenau 1782 in die Neue Welt. Doch zu spät für einen Einsatz – die Engländer sind schon besiegt. Ein Jahr lang hält er sich in Halifax und Quebec auf, dann kehrt er in die Heimat zurück. 1785 richtet er an Friedrich II., den Alten Fritz, die Bitte, in dessen Armee aufgenommen zu werden. Dieser stimmt zu – es ist der Beginn einer erstaunlichen Karriere.
Zunächst freilich geht es in die Provinz. Löwenberg heißt das Städtchen, eine Garnison in Schlesien. Hier bildet sich der abgebrochene Studiosus neben seinem Dienst in einem Füsilierbataillon mit eiserner Zielstrebigkeit weiter. Er lernt Französisch, Englisch und Italienisch, befasst sich mit Geschichte, studiert Kant und Pestalozzi – und tritt den Freimaurern bei. An den Feldzügen gegen Frankreich nimmt er nicht teil. 1795 wird er zum Kompaniechef ernannt; ein Jahr später heiratet er die zwölf Jahre jüngere, recht vermögende Karoline von Kottwitz. Sie kauft das schlesische Landgut Mittel-Kauffung, wo die Familie in ländlicher Idylle lebt – Gneisenau brennt Kartoffelschnaps.
Kommentare
Über die allgemeine Wehrpflicht...
...möchte ich nur eines zu Bedenken geben: Eltern denken zweimal darüber nach ihre eigenen Kinder in einen Krieg zu schicken - eine Gesellschaft jedoch, die die "eigenen" Soldaten als Beufssöldner sieht, wird Politikern und Generälen einen wesentlich größeren Spielraum zugestehen, bevor sie anfangen zu protestieren.
@1 Genau das
ist das Problem.
Fremde Söldner für fremde Interessen, ein Milizsystem wäre vermutlich volksnäher, besonders wenn es um die Frage des Einsatzes gegen die eigene Bevölkerung ginge, von denen die modernen Feudalisten so gerne träumen.
Ich fürchte, dieser Traum wird real.
Noch eines fiel mir auf:
"Diese Verfassung, so schreibt Gneisenau im Jahre 1818, solle garantieren: öffentliche Gerichtsverfahren, Pressefreiheit, Abschaffung der geheimen Polizei und der Postkontrolle, »Verantwortlichkeit der Machtgeber«."
Deutschland fällt hinter Gneisenau in diesem Punkt zurück, was für ein Volk.
Guter Bericht
Was leider nicht erwähnt wurde daß es durch die napoleonische Besatzung und Kriege 1,5 Mio Tote auf dt. Seite gab, bei 20 Mio Einwohnern.
zu@ 3
Die Wehrpflicht ist in der Verfassung festgelegt, man wollte
aus bestimmten Gründen keine Berufsarmee. Das man die Wehrpflicht einfach so aussetzen kann - ich habe da meine Bedenken.
Bei den Einsätzen der Bundeswehr im Ausland habe ich ohnehin
Bauchschmerzen, da sie m.E. laut Eid nicht gerechtfertigt sind. Für Terroristen ist die Polizei da. Die Bundesrepublik ist bis heute von aussen nicht angegriffen worden.
Und heute?
Deswegen will sogar unsere CDU/FDP-Regierung die Wehrpflicht jetzt so schnell aussetzen.
Den (mitdenkenden) Bürger in Uniform kann sie auf einmal überhaupt nicht mehr gebrauchen.
Jetzt braucht sie wieder eine Armee, die eher eine Insel in der Gesellschafft ist.
In deren Mannschaften sich die Unbedarften/Ungebildeten, benachteiligten Unterschichler, Abenteurer und Legionäre sammeln, die bereit sind für das Geld und/oder den Nervenkitzel ihr Leben auch für jedes politische Hassardspiel in die Bresche zu schlagen.
Und der Unmut der übrigen Bevölkerung sich mangels direkter Betroffenheit in Grenzen hält.