Es gab schon Punks, Rocker, Skinheads. Es sah so aus, als ob keine Jugendbewegung es noch einmal schaffen würde, so richtig zu schockieren. Und dann kamen die Popper. Sie tauchten Anfang der achtziger Jahre an Hamburger Gymnasien auf. Junge Menschen, die das Bürgertum gegen sich aufbrachten. Nicht etwa, indem sie sich äußerlich verrotten ließen, sondern indem die sich den Nacken sorgfältig ausrasierten, ihren Pony akkurat asymmetrisch ins Gesicht fallen ließen, V-Pullover aus Kaschmir trugen und Jeans von Fiorucci.
Erstmals beschrieben im März 1980 vom ZEITmagazin, vielleicht weil sich die Redaktion in Hamburg und dort vor allem an Gymnasien bestens auskannte. Der Neuentdeckung näherte sich die Redakteurin Renate Wolff mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen: Der Popper war der Albtraum der 68er-Elterngeneration. Der Sozialismus war ihm wurst, der Salomon-Rucksack nicht. Die Jugendlichen waren vor allem status- und markenbewusst: "Wer sich engagiert, etwa gegen Neo-Nazis, der gilt als ›gestört‹", beobachtete die Reporterin und nahm mit Sorge die geistige Welt dieser Gruppe zur Kenntnis: "Feten, Disco, Mofa, Tennis, Squash, Reiten, Hockey, Fußball ist ›prolo‹; Musik – Reggae, New Wave; Hard-Rock ist ›prolo‹."
Der Popper verachtete lange Haare, Parkas und Peace-Zeichen. Die Insignien der gesellschaftlichen Bewegung, die noch ein Jahrzehnt zuvor die Welt verändern wollte, erfüllten ihn mit Ekel. Alles, was dem aufgeklärten Nachkriegs-Bildungsbürger heilig war – soziales Bewusstsein, Bescheidenheit und Besinnung auf innere Werte –, ignorierte der Popper. Er begnügte sich mit Äußerlichkeiten.
Was damals als arrogant, egoistisch und ignorant erschien, ist aus heutiger Sicht eine kulturelle Leistung. Die Popper durchbrachen rücksichtslos die Mittelmaßgesellschaft, in der jeder, der sich hervortat, verdächtig war. Sie waren die erste Jugendbewegung, die sich ausschließlich durch ihre Kleidung definierte. Zwar gab es schon vorher Gruppen mit dezidierten Dresscodes. Aber das waren nur Erkennungsmerkmale für junge Menschen, die ein bestimmtes Geistesgut einte. Der Popper hingegen schloss das Geistesgut per se aus – und er hat gewonnen. Dass man den Popper heute nicht als Jugendkultur wahrnimmt, liegt daran, dass er mittlerweile der Normalfall ist. Während man früher Eltern gegen sich aufgebracht hätte, indem man sagte, dass man Hockey mag und Jura studieren möchte, sind Eltern heute eher froh, wenn sie das von ihren Kindern hören – und sie hören es nicht selten. In der Reportage von damals gibt ein Popper an, "80 bis 100" Freunde zu haben. Auf Facebook wäre das heute wohl eher ein Zeichen von Einsamkeit.
Kommentare
Leistung?
Das entstehen einer unpolitischen, oberflächlichen Lifestyle-Jugendkultur ist für mich keine Leistung
Keine Leistung?
Na scheinbar hat sie aber ja ihr Ziel erreicht wenn Sie sich provoziert fühlen! Ich glaube Sie verstehen das Prinzip einer Jugendkultur nicht.
Ich fühle mich nicht provoziert
Ich gönne dieser Jugendkultur ja ihren eigenen Stil und ihre Geisteshaltung. Nur ich verstehe diese "Leistung" nicht so recht. Aber ich halte dieser Jugendkultur zugute, dass z.B. wie im Artikel erwähnt sowas wie Jura studieren wollen als Teil dieser Kultur gilt. Wobei dort auch unterschieden werden muss, ob es um wissenschaftliches Interesse dabei geht oder nur um den Erhalt bzw. die Verbesserung vom eigenen Rang und Status in der Gesellschaft.
Des Weiteren denke ich, dass ich mit meinen 22 Jahren schon etwas über Jugendkulturen sagen kann.
gegen überschriften
Sie scheinen ja selbst sehr geprägt von dieser Kulturrichtung, wenn sie nach der Leistung suchen. Leistung muss ja nicht unbedingt das sein was Sie als positiv empfinden. Welche Leistung hat denn der Punk vorzuweisen? Oder sogar das Hippietum? Ich glaube dem Autor des Artikels ging es auch mehr um eine Zeitgeschichtliche Darstellung als um eine Wertung.
Achja, den Poppern ging es ganz offensichtlich nicht um jegliche wisenschaftlichen Leistungen. Gibt es sowas in Jura übehaupt?
Mir geht es nicht um die Leistung an sich
Ich verstehe die Verwendung des Begriffes "Leistung" dort nicht so recht. Da wurde einfach nur ein Lebensstil erschaffen, mehr nicht. Oder ist das etwa die besagte Leistung? Dem Punk oder Hippietum spreche ich da auch keine große Leistung zu.
Und die Frage nach Leistung in Jura ist nochmal ein Thema für sich denke ich.
keinesfalls ohne Wertung
Die Formulierungen im Artikel erscheinen durchaus nicht wertfrei, wenn auf die Leistung bezogen vom Durchbrechen einer "Mittelmaßkultur , in der jeder, der sich hervortat, verdächtig wurde", gesprochen wird. Und ausdrücklich steht dort: "aus heutiger Sicht". Dem Verfasser ist zuzustimmen, wenn er darin den heutige Mainstream erkennt. Bloß hat sich das befreite Hervortun wiederum nur als seine negative Variante, um sich nämlich über andere zu erheben, erwiesen.