Kein vernünftiger Mensch wird den Tod von Osama bin Laden sonderlich bedauern. Ein Massenmörder hat sein Leben verloren, ein apokalyptischer Ideologe, der im Namen des Islams zu handeln vorgab, aber die Welt mit Terror überzog und vor allem Muslime hat töten lassen. Nun ist er auf genau die Weise gestorben, die er selbst stets erwartet hatte: von der Hand amerikanischer Soldaten.
Im Kampf gegen den Terror ist das fraglos ein Erfolg. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass sich auch die Demokratie ihrer Feinde erwehren darf – hart, entschlossen und wenn es sein muss, mit letzter, tödlicher Konsequenz. Aber wie der demokratische Rechtsstaat das tut, welche Regeln er sich für diesen Kampf gibt und wie er mit diesen Regeln umgeht, ebendas unterscheidet ihn von seinen Gegnern.
Mehr noch: Ebendie Bindung des Westens an das Recht, die notwendige Debatte über die Dilemmata der Anti-Terror-Politik – all das war Teil des Ringens mit al-Qaida. Denn wie jeder Terrorist hat auch Osama bin Laden versucht, seinen Gegner zu delegitimieren, ihn zum nackten Gebrauch von Macht zu zwingen und damit zum Verrat der eigenen Prinzipien. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass jetzt, da bin Laden tot ist, noch einmal die Frage gestellt wird: Durften die USA ihren ärgsten Feind so töten? Genauer: Durfte Präsident Obama ein Team von Elitesoldaten nach Pakistan schicken, um bin Laden gezielt umbringen zu lassen?
In der Frage stecken zwei Probleme, der Einsatz in einem fremden Staat und die Frage nach der Zulässigkeit der tödlichen Schüsse. Hätten die USA ohne wenigstens stillschweigende Zustimmung der pakistanischen Regierung gehandelt, dann wäre der Einsatz von US-Spezialkräften in Abbottabad ein Eingriff in die Souveränität Pakistans und damit ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Die pakistanische Führung bestreitet bislang, in das Unternehmen eingeweiht gewesen zu sein. Nach inoffiziellen Berichten operierten die Navy Seals jedoch von pakistanischen Basen aus, und sehr rasch nach dem Ende des Einsatzes trafen pakistanische Einheiten am brennenden Versteck von Osama bin Laden ein. Das spricht dafür, dass Islamabad über die Operation vorab informiert war.
Juristisch vertrackter noch ist die Frage nach der Tötung selbst. Um sie zu beantworten, muss man sich über den Status von bin Laden klar werden: Ist er Kriegspartei, Anführer in einem "bewaffneten internationalen Konflikt", wie das Kriegsvölkerrecht formuliert? Dann wäre auch seine gezielte Tötung zulässig, sei es durch Spezialkommandos, sei es durch Lenkwaffen, wie bei dem jüngsten Nato-Angriff auf Gadhafis Kommandozentrale in Tripolis oder wie bei den zahllosen targeted killings von Talibanführern in Afghanistan.
Natürlich, bin Laden selbst hat sich als Kriegsherr gesehen, als Heerführer gegen den Westen, und auch in der amerikanischen Wendung vom war on terror, dem Krieg gegen den Terror, steckt die Militarisierung des Gegners. Das Kriegsvölkerrecht aber ist nüchterner. Danach ist der Terroristenführer eben bloß ein Krimineller, wenn auch ein global operierender, keine Kriegspartei. Darf so einer gezielt liquidiert werden?
Die Antwort lautet: Nein. Dazu muss man gar keine allgemeinen Rechtsprinzipien bemühen, etwa den Grundsatz, dass Verdächtige in einem Rechtsstaat Anspruch auf ein ordentliches Verfahren , einen Richter und ein Strafurteil haben. Nach der Aufdeckung von verschiedenen CIA-Attentatsplänen in den siebziger Jahren haben sich die Vereinigten Staaten in dieser Frage selbst gebunden: Präsident Gerald Ford erließ eine Exekutivanweisung, die es ausdrücklich verbietet, dass sich "Angestellte der US-Regierung an politischen Attentaten" beteiligen. Die Anweisung gilt bis heute.
Gleich nach dem Coup in Abbottabad gab es Gerüchte aus dem Weißen Haus, der Einsatz sei eine kill operation gewesen, eine gezielte Hinrichtung. Mittlerweile jedoch besteht die US-Administration darauf, es sei eine Festnahme angestrebt worden , der sich Osama und dessen Begleiter gewaltsam widersetzt hätten. Natürlich wird sich so bald nicht klären lassen, wie genau der Einsatzbefehl lautete. Aber es wäre durchaus plausibel, dass der Verfassungsjurist Obama die Grenzen des juristisch Möglichen ernst genommen und seinen Soldaten daher nahegelegt hat, eine Verhaftung zu versuchen, dabei aber eventuellen Widerstand rasch zu brechen. Wenn das tatsächlich zutrifft, wenn der – selbst unbewaffnete – Al-Qaida-Anführer wirklich während der Feuergefechte zwischen seinen Wachen und den US-Elitesoldaten getötet worden sein sollte, dann wäre gegen den Einsatz der Navy Seals nichts einzuwenden, weder moralisch noch juristisch.
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Kommentare
Tja schade...
Entfernt. Achten Sie bitte auf eine angemessene Wortwahl. Die Redaktion/cs
So es...
...wirklich bin Laden war, so bin Laden wirklich schuldig war. Auch das wird niemals bewiesen werden können. Aber so ist das halt mit unkomplizierten Lösungen. Es finden sich trotzdem immer einige [...] die bei Schnellexekutionen appplaudieren...
Gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich. Die Redaktion/cs
verschlafen ?
Sie haben die letzten Jahre wohl geschlafen ?
ich kanns nicht mehr hoeren.
"So es...
...wirklich bin Laden war, so bin Laden wirklich schuldig war. Auch das wird niemals bewiesen werden können."
ja und bis heute kann keiner nachweisen, dass es einen befehl von hilter fuer mord an 6 mill juden gegeben hat. machen sie sich da auch sorgen, weil man ohne beweise rufschaedigung betrieben und hilter in den selbstmord getrieben hat.
auch wenn sehr viel stimmen mag, von dem was von den terroristen-bitte-nicht-in-die-birne-schiessen fraktion sagt, aber lohnt es sich wirklich sich fuer einen binladen so einzusetzen? gibt es sonst keine wichtigere probleme in der welt? ist die welt durch eine exikution bin ladens schlechter geworden?
p.s. wer an der schuld bin ladens irgendwelche zweifel hat, dem ist nicht mehr zu helfen. auch wen bin laden nicht selbst getoetet hat, so war er ein auftraggeber, genau so wie hitler. in einem punkt muss ich aber dennoch kritik an dem vorgehen der navy seals ueben. die zweite kugel war reine geldverschwendung.
Dass die Diskussion Schall....
....und Rauch wäre, hoffe ich nicht. Im Artikel wird eigentlich ziemlich klar, dass die heutige Rechtssystematik nicht sehr gut auf die Begebenheiten passen, zumal die Weltordnung gerade jetzt ziemlich (bspw durch Terrorismus, Multipolatisierung oder R2P) fluid ist. Wir haben es mit Rahmenbedingungen zu tun, die sich abheben von jenen als große Teile des internationalen Rechts entstanden. Daher sind die gewohnten Normen nicht sehr gut verwendbar und werden weiter entwickelt werden müssen.
Diskussionen, wie wir sie momentan zu Afghanistan, Irak, Libyen oder Bin Laden haben sind sehr wichtig in diesem Prozess, weil den Bevölkerungen weitgehend das Rahmengerüst zur Einschätzung der Entwicklung und deren Erfordernisse fehlen, keine Erfahrungen mit den Problemen haben und uninformiert in den meisten Aspekten der anhängigen Themen sind.
Das ist aber keine gute Voraussetzung, wenn entscheidende und wegweisende Änderungen anstehen. Schließlich soll die Gewalt vom Volk ausgehen und diese lenken ist es aktuell exzeptionell schlecht ausgestattet. Diesem Problem begegnen die Diskussionen, muss man hoffen.
Schall und Rauch
sind eher die amerikanischen Beteuerungen, ein Rechtsstaat zu sein.
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Ich hatte es schon gestern gepostet - Aktionen wie diese zeigen immer wieder überdeutlich, wie dünn der Lack der sog. "Zivilisation" doch ist, mit dem wir uns sogerne schmücken um unsere barbarische Natur zu verschleiern...
Aufklärung...???
Menschenrechte...???
Demokratie...???
Schall und Rauch!!!
Frisch und frei aus der Birne formuliert?
Der Einsatz von Spezialeinheiten eines demokratischen Rechtsstaates zum Ausschalten derartiger Terroristenführer - egal wo auch immer - kann nur mit dem Ziel der Verhaftung und nicht mit dem Auftrag einer gezielten Tötung befohlen und durchgeführt werden. Ein demokratischer Rechtsstaat verfügt über keine Mordkommandos und "ein Seal hat ihn nicht "einfach zwei in die Birne" zu schießen.
Kommt es aber einem solchen Einsatz zum Waffengebrauch mit tödlichem Ausgang, so sind die Umstände zu untersuchen. Das hat zu geschehen. Mehr zunächst aber nicht.
Es kann nicht angehen, Obama und Clinton - nur weil OBL getötet wurde - zu unterstellen, die beiden hätten sich die von ihnen befohlene "Hinrichtung von OBL als Video vorführen" lassen. Nicht wenige Äußerungen in diesem Diskussionsstrang sind peinlich.
Daß Osama bin Laden nun
..., um in Ihrem Duktus zu bleiben, "Fischfutter" ist, mögen Sie ja vielleicht begrüßen. Aber in diesem Kontext Gott zu loben ist doch nun wirklich reichlich unpassend. Halten Sie den armen Kerl doch bitte da heraus und richten Sie Ihr Lob stattdessen an den Präsidenten der USA und dessen Gefolgsleute. Falls Sie Gott und den Präsidenten der USA allerdings synonym verwenden, wofür angesichts Ihres Kommentars einiges spricht, so bitte ich Sie sehr höflich, dieses besser kenntlich zu machen.
würden Sie zuhören
anstatt sich zu echauffieren, so würden Sie möglicherweise bemerken, dass die Menschen die Sie kritisieren sich mitnichten für Herr Bin Laden einsetzen, sondern für Rechtsstaatlichkeit.
Ja genau, dieses abstrakte "Etwas" welche die USA so oft zu verteidigen glauben...
Die Menschen, die hier kritisieren...
...setzen sich einfach gegen das Vorgehen der USA ein. Es wird immer mehr zu einer digitalen 1 oder 0 Debatte, welche keine differenzierte Sichtweise mehr zulässt. Denn wenn man sich nurnoch auf Paragraphen, Standpunkte und Prinzipien bezieht, dann ist eine Abwägung nicht möglich.
Abwaegung
Vermutlich stoert es Sie, dass sich einige Foristen uneingeschraenkt gegen die standrechtliche Erschiessung aussprechen.
Warum nicht abwaegen?
Das ist der springende Punkt. Wenn abgewogen wird, ob ein mutmasslicher Verbrecher einen fairen Prozess verdient oder ob er nicht gleich bestraft werden soll, bewegt man sich schon ausserhalb des Rechtsstaats.
Deshalb diese vielleicht etwas anstrengende aber wichtige 0 oder 1 Debatte.
Die größte Supermacht
der Welt hat erneut ihre enorme Schlagkraft und zivilisatorische Zurechnungsfähigkeit bewiesen.
Für lediglich eine halbe Billion US-Dollar an jährlichem Militäretat kann der amerikanische Friedensnobelpreispräsident am Fernsehen live dabei zusehen, wie es den härtesten der härtesten seiner Elitesoldaten nach 10 Jahren gelingt einen unbewaffneten Verbrecher zu erschießen.
Da lobe ich mir Angela Merkel. Die freut sich zwar auch, wenn Terroristen sterben, schaut ansonsten aber lieber Fußball. Das ist preiswerter und weniger blutig.
Um den Mann lebendig zu fangen und vor Gericht zu stellen, fehlen den USA offenbar die Ressourcen - faktisch und ideell. Je nach geopolitischem Standpunkt bezeichnet man Länder mit solchen Handlungsmaximen auch als Schurkenstaaten.
Mit dieser Exekution hat Amerika sich lächerlich gemacht, und seine hässliche Fratze gezeigt. Sobald das amerikanische Fiat-Money seine Rolle als Leitwährung verloren hat und die USA ihr teures Kriegsspielzeug nicht mehr finanzieren können, wird niemand mehr etwas mit diesem Land zu tun haben wollen.
Angela Merkel zumindest, wird es Obama zutiefst übel nehmen, dass sie dazu genötigt wurde, öffentliche ihre Freude am Tod eines Menschen kund zu tun.
Das traue ich der Pastorentochter einfach zu. Ich kann nicht anders.
ich finde...
...Ihren Kommentar eigentlich gut. Aber ich denke, dass Merkel, wenn sie anders empfände als ihre spontan geäußerten Worte es ausdrücken, eben andere Worte hätte wählen können.
Aber darüber kann und darf man natürlich unterschiedlicher Meinung sein.
In den USA wollte niemand ...
... einen langen Prozess gegen Bin Laden, während des Präsienschaftswahlkampfs, mit der Möglichkeit für die Seite Bin Ladens, sich über die Medien darzustellen, das fragwürdige Handeln der USA in den letzten 10 Jahren zu beleuchten.
Insofern hat man sich für den kurzen Prozess entschieden, den Beteuerungen, dass man ihn lebend fassen wollte, glaube ich kein bißchen. Ein Rachemord.
Wenn D irgendwann sein 9/11
...bekommen sollte, werden wir den Amis aber zeigen, was Recht, Ordnung und vor allem Völkerrecht ist. Dann werden die Yankees endlich lernen, wie man die andere Wange hinhält und dabei ruhig und gefasst bleibt.
Seltsam...
... dass das plötzlich eine Rolle spielt. Die USA töten die ganze Zeit über schon im Ausland, vollkommen willkürlich und mit hohen zivilen Opferzahlen. In Afg. hat man sich fast schon dran gewöhnt, aber auch in Pakistan fährt Obama eine Drohnenstrategie:
http://www.tagesspiegel.de/p…
Denkt man an das veröffentlichte Wikileaks-Video, kann man sich vorstellen, welche Kriterien das Militär zugrunde legt und dass da auch ganz andere Leute sterben, als irgendwelche Fanatiker. Menschen denen niemals Recht wiederfahren wird.
Um Recht kümmert sich die USA ohnehin nicht, sie biegt es zurecht, mit Guantanamo genauso wie mit Folterflügen und gezielten Exekutionen. Seit jeher. Man mag sich nur die Liste der Verbrechen ansehen, die dem CIA nachgewiesen wurden:
http://de.wikipedia.org/wiki…
Dass Osama umgebracht wurde, ist hingegen vor allem deshalb bedauerlich, weil er hätte Licht in diverse Vorgänge bringen können:
http://www.heise.de/tp/artik…
und sei es nur um sie zu bestätigen. Wobei solche Aussagen bei der amerikanischen Folter- und Lügenpraxis wohl auch nicht mehr viel wert wären.