Es sind heiße Maitage, 25 Grad, aber man kann nicht baden gehen", Juniorprofessorin Sara Burkhardt liest aus ihrem Tagebuch. Sie hat diese Sätze vor 25 Jahren geschrieben, es geht darin um die Zeit nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl.
Es ist wieder ein heißer Maitag, nebenan wird gefeiert, aber rund 40 Studenten sind freiwillig hier, im Foyer eines in die Jahre gekommenen Flachbaus. Mit Professoren auch noch freie Abende zu verbringen: Hier am Institut für Kunst- und Musikwissenschaft ist das üblich – zumindest einmal im Monat, wenn Sara Burkhardt zu den Flurgesprächen einlädt.
Die sind eigentlich aus der Not geboren. Als die Kunstpädagogin vor etwas mehr als einem Jahr von der Uni Flensburg an die TU Dresden kam, fehlte es ihr an Kommunikation. "Der Gang ist sonst wenig belebt", sagt sie, "die Türen sind meist zu, man trifft sich kaum." Außerdem mangelt es an Material. Burkhardts Schwerpunkt sind Neue Medien – aber Kunstunterricht mit diesen zu lehren ist schwierig, wenn man kaum über digitale Medien wie etwa elektronische Tafeln verfügt und das drahtlose Internet nur in wenigen Gebäudeteilen funktioniert. Andere Menschen hätten vielleicht erst mal Anträge gestellt und sich beschwert. Für die gebürtige Hamburgerin, Tochter zweier Kunstlehrer, war die Not ein Ansporn, einen Treffpunkt zu schaffen – jenseits von Seminarzwängen, trotzdem im Institut. "Die Bachelorstrukturen lassen wenig Freiraum, und wenn die Seminare vorbei sind, entschwinden die Studenten ins Private", sagt Burkhardt. Für ihr Fach sind freies Denken und Austausch aber wichtig. In einem der ersten Flurgespräche diskutierten die Studenten, wie sie ihr Studium mitgestalten können. Die Ergebnisse wurden auf Postkarten gedruckt, die immer noch ausliegen. "Der Bachelorstudent – Einzelkämpfer oder Gruppentier?" steht da beispielsweise. Inzwischen sind die Zusammenkünfte zur Institution geworden.
An diesem Abend im Mai darf jeder drei Minuten lang der Runde etwas mitteilen. Nach Sara Burkhardts Erinnerungen an Tschernobyl spielt ein Student Musikschnipsel vor, eine Studentin beendet vor aller Augen ihr Raucherdasein und klebt sich feierlich ein Nikotinpflaster auf. Sie alle kennen sich inzwischen und wirken wie eine bunte, große Familie, wie sie da zusammensitzen: Dozenten und Studenten.
Sara Burkhardt, 41, Juniorprofessorin für Kunst und ihre Didaktik in Dresden
Kommentare
Wie schön, wenn alle jung, kompetent und beliebt wären...
"Jung, fachlich spitze – und beliebt bei ihren Studenten:"
Liebe Autoren, wenn ich Sie richtig verstehe, dann ist es ein Qualitätsmerkmal für einen Professor (m/w) -- oder wenigstens ein Indiz für Qualität -- , wenn diese(r) jung ist. Da wäre es doch eigentlich nur logisch, wenn man Professuren für 27jährige (+/- ein paar Jahre) und mit Befristung bis zum, sagen wir, 40sten Lebensjahr ausschriebe, denn ab da ist man ja bekanntermassen nicht mehr jung, fachlich auch nicht mehr auf dem Laufenden, und beliebt eigentlich auch nur noch in Ausnahmefällen.
Genau dieses tolle Erfolgsrezept hat ja unsere Wirtschaft schon mit überaus großem Erfolg eingesetzt, und auch in den Banken, Börsen und Finanzministerien haben die flexiblen, dynamischen, fachlich überaus kompetenten, und vor allem jungen Kräfte ja im vergangenen Jahrzehnt gleich mehrfach richtig schön gezeigt, wie toll der Laden dann läuft.
Ich schlage vor, dass man dieses tolle Unternehmen an den Hochschulen auch noch dadurch beschleunigen und in der Wirkung intensivieren kann, dass man ab sofort nur noch ganz junge Uni-Präsident(inn)en und Verwaltungschefs beruft; kurz nach dem Studienabschluss wäre der genau richtige Zeitpunkt, denn da weiss man ja schliesslich noch ganz genau, was den die Studierenden wirklich auf den Nägeln brennt.
Wenn sich die ZEIT diesem Trend anschliesst, wird sich am Output auch nicht allzu viel ändern, möchte man meinen. Oder ist das bei Ihnen heimlich schon umgesetzt?
Ageism
Ich glaube ebenfalls, dass es eigentlich fiese Diskriminierung und psychologisch ungesund ist, so sehr aufs Alter hinzuweisen und sämtliche positiven Assoziationen mit Jugend zu verbinden.
In den vergangenen Jahrzehnten haben viele Gesellschaften gelernt, für die meisten Charakteristika, die eine Person nicht beeinflussen kann und die wertneutral sein sollten, nicht zu diskriminieren, so zum Beispiel Hautfarbe, Geschlecht und sexuelle Orientierung. Das Alter scheint sich mir hier einzureihen.
Wer so von der Zeit gelobt wird,...
...braucht keine Feinde mehr. Dass in Leipzig nur lethargische und unmotivierte Politikstudierende und Lehrende rumrennen ist der Irrglaube des CHE-Rankings und eigentlich eine ziemliche Frechheit. Wenigstens haben die Autoren den gelben Textmarker bemerkt.