Der Ausstieg aus der Kernenergie ist umstritten. Viele glauben, die Bundeskanzlerin habe vor allem aus wahltaktischen Gründen das Ruder in der Energiepolitik herumgerissen. Hinzu kommt die Angst vor einem Blackout, die Furcht davor, dass die Lichter ausgehen, wenn die Meiler staatlich angeordnet abgeschaltet werden. Skeptiker wie Kurt Biedenkopf haben diese Befürchtungen artikuliert: Was, wenn sich der technische Optimismus der Energiewendepolitiker nicht bewahrheitet? Was, wenn die Bürger die Energiewende nicht mittragen?
Ein Blick auf die Fakten zeigt: Die Energiewende ist ein realistisches Projekt.
Die prinzipielle Machbarkeit des Vorhabens, binnen zehn Jahren die Nuklearära in Deutschland zu beenden, ist in mehreren Studien nachgewiesen worden. So zeigt eine Studie des Potsdam-Instituts, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung finanziert wurde, dass die privaten Haushalte nur in sehr geringem Maße von einem Ausstieg aus der Kernenergie betroffen wären. Der Grund: Die Haushaltsstrompreise werden vor allem durch Steuern und durch die Netzentgelte bestimmt. Deshalb liegt nach unseren Berechnungen der Strompreis beim jetzt beschlossenen Ausstieg im Jahr 2015 bei nicht mehr als 21,7 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet im Vergleich zu der noch im Herbst 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerung für einen durchschnittlichen Haushalt eine Zusatzbelastung von nur 0,5 Cent pro Kilowattstunde oder 1,45 Euro pro Monat.
Industriekunden werden durch den mittelfristigen Anstieg der Spotmarktpreise zwar stärker belastet. Aber gerade sie können langfristig von der preisdämpfenden Wirkung der erneuerbaren Ressourcen profitieren; Strom aus Sonne und Wind verursacht schließlich keine laufenden Kosten, also Brennstoffkosten oder Kosten für die Beschaffung von CO₂-Zertifikaten.
Der Ausstieg aus der Kernenergie wird neben den jetzt in Bau befindlichen Kraftwerken auch den Zubau von fossilen Ersatzkapazitäten in Höhe von etwa 8 Gigawatt bis 2025 erfordern. Sinnvollerweise wird man hier den Ausbau von Gaskraftwerken vorantreiben. Sie sind nicht nur flexibel einsetzbar; weil auch kleinere Anbieter wie beispielsweise Stadtwerke mit einer geringeren Kapitalausstattung diese Kraftwerke bauen können, würde der Wettbewerb gestärkt. Über gezielte Kreditvergabe für Investitionen in Gaskraftwerke könnte der Staat die Energiewende vorantreiben.
Sie könnte trotzdem scheitern, wenn das Vorhaben, die Energieeffizienz zu steigern, fehlschlüge und die Stromnachfrage deshalb nicht sänke. In diesem Fall könnten die Spotmarktpreise im Jahr 2020 um 10 Prozent ansteigen – und es könnte mit der Akzeptanz der Wende schnell vorbei sein.
Um das zu vermeiden, sind verbindliche Effizienzziele notwendig. Je mehr Wirtschaftssektoren solche Ziele erfüllen müssen, desto kostengünstiger lassen sie sich erreichen. Das gilt gleichermaßen für den Klimaschutz. Vor allem der Wärme- und Gebäudesektor hat ein hohes Potenzial für Kostensenkungen und für Effizienzsteigerungen. Er sollte deshalb in den Emissionshandel einbezogen werden.
Europaweite Förderung
Die europaweite Förderung der erneuerbaren Energiequellen ist mittelfristig ebenso wichtig. Windparks zum Beispiel sollten dort errichtet werden, wo die Kosten am geringsten sind. Deshalb sollte zumindest geprüft werden, wie sich die Förderung europaweit harmonisieren ließe, ohne die bestehenden nationalen Fördersysteme einfach zu zerschlagen.
Hinzu kommen Investitionen in die Energiespeicherung. Sie sind nötig, weil sich Strom aus Sonne und Wind nur unstet erzeugen lässt. Methan, also Erdgas, das aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird, stellt eine vielversprechende Option dar; die Erforschung der Energiespeicherung sollte zu einer der Prioritäten staatlicher Forschungspolitik werden.
Durch den hohen und wachsenden Anteil von Elektrizität aus erneuerbaren Quellen wird sich der Strommarkt deutlich verändern. Viele Beobachter fürchten, der Strommarkt könnte nicht in der Lage sein, ausreichend Anreize für Investitionen in neue Kapazitäten zu schaffen. Hier hat der Staat die Aufgabe, neue Rahmenbedingungen und ein Design für diese Märkte zu schaffen.
Dies alles zeigt: Die Energiewende braucht einen starken Staat. Aber auch eine breite Partizipation der Bürger. Diese ungleichen Geschwister haben sich bislang selten zur Lösung von Problemen langfristiger Daseinsvorsorge zusammengetan.
Die Bürger sehen den Staat zunehmend als Versicherer gegen Großrisiken, für die Märkte keinen Versicherungsschutz bieten können. Das heißt aber überhaupt nicht, dass sich die Bürger bevormunden lassen oder akzeptieren, dass sie im Ungewissen gelassen werden. Sie tun es nicht – und gelten dann schnell als Störenfriede.
Der Fehler der Regierungskoalition ist nicht, dass sie ein Experiment wagt.
Der Fehler liegt darin, dass sie dieses Experiment nicht als einen gesellschaftlichen Lernprozess versteht. Der beschleunigte Netzausbau zum Beispiel wird nur gelingen, wenn die Notwendigkeit der Energiewende von den Bürgern wirklich verstanden wird und wenn sie stärker als bisher beteiligt werden. Die Bürger werden auch verstehen wollen, unter welchen Umständen die Ausbauziele für die Erneuerbaren erreicht werden können – und unter welchen nicht.
Deshalb sind der Zugang zu Informationen und die Transparenz von Verfahren eine entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Ein starker Staat ist gerade kein Obrigkeitsstaat, sondern einer, der die Risiken der Energiewende durch die richtigen Anreize vermindert und die Bürger bei der Lösung unvermeidlicher Konflikte beteiligt.
Es wird Zeit, dass nicht nur über die Herausforderung der Energiewende geredet wird, sondern über ihre Lösungsmöglichkeiten diskutiert, beraten und gestritten wird. Nur dann kann die Wende gelingen.
Kommentare
Toll!
Also soll jetzt mein Steuergeld geklaut werden, damit in Griechenland Solardingens stehen. In drei Jahren ist Griechenland trotzdem pleite und ich mein Steuergeld los.
In zwei bis drei Jahren ist hier sowieso Exodus.
Arbeitslosigkeit von 50% und Brot kostet 50Euro. Dann haben wir unseren Umweltschutz ganz automatisch...
Was ist eigentlich mit dem Ölpreis? Die Eurokraten haben doch ganz heldenhaft die Lagerbestände "geflutet"? Irgendwie dumm, der Ölpreis ist heute noch teurer als vorher - denn die Spekulanten haben billig eingekauft, da sie wissen, dass die Lager wieder nachgefüllt werden müssen. Der WTI-Ölpreis ist 20% über dem Brent.
Ein besseren Beweis für den Kollaps gibt es nicht, da können die Dämonkraten ihre Insolvenz noch so sehr verschleppen.
Blackouts und Stromausfälle? Gibts derzeit nur in Japan!
Die neuen Zahlen der AGEB stellen für das 1. Halbjahr einen Ökostromanteil von 20% fest.
Gleichzeitig gingen die Anteile von Atomstrom um 15% zurück.
Konstant beim Strom waren Kohle, Erdgas nahm etwas ab.
Der gesamte Verbrauch von Erdgas sank um 9%.
Was hier von Edenhöfer und Knopf noch nicht verstanden wird ist daß Erneuerbare am besten dort aufgestellt werden wo die Stromnachfrage ist.
Das Beispiel Offshore Windkraft zeigt daß die Behauptung im Text völlig unsinnig ist. Jede KWh Strom aus Offshore kostet das dreifache des Windstroms der in Bayern geerntet wird.
Just for kicks
wieviel installierte Windkraftleistung gibt es denn to date in Bayern und wieviel Fläche eignet sich dort überhaupt für das aufstellen von Windkraftanlage.
@Thema
Der geplante Bau eines neuen Gaskraftwerk funktioniert gerade in der Wustermark hervorragend, die sind alle davon begeistert (http://gaskraftwerkwuster...) und das geplante Kohlekraftwerk in der Altmark löst anscheinend auch Freudensprünge bei den dortigen Bewohner hervor (htp://kohle-protest.de/arneburg/?type=1) beides übrigens Regionen die jetzt schon mit EE Anlagen jeglicher Coleur zugpflastert sind.
Bin nur froh mir das Experiment dt. Energiewende aus der Ferne anschauen zu können. Und das ökologische Wahlvieh freut sich auch noch drüber, doppelt abgezockt zu werden erst über die mit Steuermitteln finazierten INvestitionen und die darauf folgenden hohen Strompreise. Bei den Reallohnverlusten und der Prekarisierung werden sich viele Bürger bald keine Energie mehr leisten können, dann gehen auch die Firmen den Bach runter, denn der Konsum bricht ein und man lebt dann zufrieden und glücklich in einer vorindustriellen Gesellschaft. Achja das wird auch nicht so richtig funktionieren, da die Ökoterroristen und Politpopulisten ja das verfügbare Ackerland aus der Nutzung herausgenommen haben und nehmen um es wieder in den Urzustand zurückzuführen und der selbst für eine nachhaltige Landwirtschaft notwendige Wasserhaushalt ist ja jetzt schon dank WRRL fertig. Good times lie ahead.
Märchenstunde, ...
was die prognostizierten Strompreise betrifft.
Vermischung von Umweltpolitik und Energiepolitik
Aus meiner Sicht wird dauernd Umweltpolitik und Energiepolitik vermischt.
Eine gute Umweltpolitik wäre aus meiner Sicht:
- noch stärkere Förderung von Recycling
- Senkung des Fleischkonsums durch Steuern
- CO2 Steuer private Haushalte und Dienstleistungsunternehmen
gute Energiepolitik:
- Anstrebung der Unabhängikeit vor autokraten Staaten (darum war auch die Steinkohlesubvention richtig)
- intensive Forschung in erneuerbaren Energien, weil die fossilen Energieträger nun mal endlich sind
- Förderung der effizienten Nutzung der Energie
Keine massiven Subventionen von bestimmte erneuerbare Technologien (Solarzellen usw.)
Genau, bin ich dafür!
Die @Laberbacke meint: "Senkung des Fleischkonsums durch Steuern"
Genau, kein Fleisch für Arbeitslose und oder Arme! "Denn vor dem Essen zieht mans Maul, nach dem Essen ist man faul!"
Gleichzeitig fordere ich eine 100% Luxus- Wohlfühlsteuer auf alles wo "Öko" drauf steht. Der dadurch zusätzlich erziehlte Steuererlös fließt dann in "Umweltprojekte" oder verschwindet einfach im Staatshaushalt.
Bitte gehen Sie auf die Beiträge anderer User sachlich ein. Danke. Die Redaktion/er