Das Wort für extreme Erschöpfung ist inzwischen auch Pop: "Ich hab Burn-out. I feel so outgeburnt. I have my Burn-outing", sang der Comedian Johann König auf dem Satiregipfel der ARD . "Das ist wirklich toll. Ich lass mich bedienen und krümel alles voll."
Man könnte empört einwenden, hier mache sich jemand lustig auf Kosten leidender Mitbürger. Doch König hat nur satirisch verarbeitet, was viele spüren: Nach der Burn-out-Erkenntniswelle folgt nun eine Art Burn-out-Übertreibung. Die Vokabel steht mittlerweile für fast alle Arten psychischer Beschwerden, die in Verbindung mit hoher Arbeitsbelastung auftreten. Das fordert nicht nur Comedians zum Spott heraus, es reizt auch Ärzte und Psychotherapeuten zum Widerspruch.
Modediagnose Burn-out , titelt Mitte November das Deutsche Ärzteblatt . Der inflationäre Gebrauch des schwammigen Begriffs Burn-out sei "Verwirrung stiftend, irreführend und längerfristig stigmaverstärkend", klagt Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe . Und der Münsteraner Psychotherapeut Markus Pawelzik befürchtet, dass das Wort "als sozial akzeptierte Entschuldigung herhalten muss für ein schlechtes Einteilen der eigenen Kräfte". Der Zweifel am Massenphänomen Burn-out ist der vorläufige Höhepunkt einer sehr wechselhaften 40-jährigen Wortkarriere.
Mit dem Begriff Burn-out hatte Herbert Freudenberger 1974 die verbreitete chronische Erschöpfung von Menschen in helfenden Berufen, von Krankenschwestern oder Altenpflegern charakterisiert. Der amerikanische Psychoanalytiker verstand den Zustand explizit nicht als psychische Erkrankung, sondern als Folge einer Arbeitsüberlastung in Gesundheitsberufen. Bald eroberte der Begriff Deutschland und fand Anwendung in immer neuen Arbeitsfeldern.
Dann verbreitete sich der Terminus von der Arbeitswelt hinüber in die Medizin. Spätestens nachdem sich vor zwei Jahren Nationaltorwart Robert Enke das Leben nahm , war in der öffentlichen Wahrnehmung die ursächliche Verbindung von Depression, Arbeitsüberlastung und Suizid hergestellt. Plötzlich waren Ärzte zuständig. Darauf waren sie nicht vorbereitet. "Die wissenschaftliche Psychiatrie hat es bisher weitgehend vermieden, sich mit dem Phänomen Burn-out zu beschäftigen", schreibt lapidar das Deutsche Ärzteblatt . Bis heute ist Burn-out nicht einheitlich definiert. Es existieren lediglich ein Dutzend unspezifischer Tests und die dürre Erkenntnis, dass die Betroffenen irgendwie unter emotionaler Erschöpfung, dem Gefühl der Leblosigkeit und verminderter Leistungsfähigkeit leiden.
Lange Zeit hat diese Definitionslücke niemanden gestört. Viele Ärzte und Psychotherapeuten waren zwar der festen Überzeugung, Burn-out sei nur ein neuer Name für Depressionen, benutzten das Wort aber dennoch gern. Es schreckte die Patienten weniger ab , weil jeder sich in den sprechenden Begriff hineindenken konnte. Wer fühle sich denn nicht mal am Morgen erschöpft und würde gerne im Bett bleiben, sagt der Leipziger Psychiater Ulrich Hegerl, das kenne jeder Mensch, und darin liege auch der Erfolg dieses Modeworts. Medien griffen das Thema begierig auf, reihenweise spezialisierten sich Psychosomatikkliniken auf die Behandlung der Ausgebrannten, die Bekenntnis- und Ratgeberliteratur füllt Regalmeter.
Kommentare
Kräfte schlecht eingeteilt
Entfernt. Bitte formulieren Sie Ihre Kritik sachlich und respektvoll. Danke. Die Redaktion/mo.
Also ich habe "wirklich gearbeitet" und tue es noch...
und kann Pawelzik nur zustimmen.
Viel von der Alltagserschöpfung, über die die Massen lamentieren, liegt daran, wie wir miteinander umgehen.
Weiterhin sinnvoll empfinde ich den Hinweis, auf folgendes:
"Arbeit schützt vor psychischen Leiden. »Erwerbstätigkeit kann Psyche auch stärken«,"
denn immer wieder wird über Urlaub, Kurmaßnahmen, Ausstieg geredet, die bei einem psychisch Kranken keine Hilfe wären, dem Laien aber scheinbar ein Gefühl von Lösung geben.
Es ist immer vorschnelles Handeln und Sagen im Raum!!!
Es wird Zeit, dass über diese Depressionsform Sachlich diskutiert wird. Es werden zu viele falsche Ansätze über dieses Thema von allen Seiten (gemeint Mediziner, Psychologen und sonstigen sog. Therapeuten)in die Öffentlichkeit gestellt. Sie hilft nicht dem, der auf diese Unterstützung angewiesen ist. Ich bin derjenige Selbst der Denken muss!! - Der burn-out ob er kommt oder nicht hat mit mir selbst zu tun. Es ist der Fehler der heutigen Zeit alles schaffen zu können - nicht nein zu sagen zu können wenn es nötig ist. Viele lassen sich von diesem Sucht - Mechanismus leiten. Es ist eine Macht der Selbstüberschätzung immer mehr und vor allem immer mehr Geld zu verdienen. Diese Labilität führt dazu, dass viele meinen eine Luxusklinik oder Einzelcoaching würde helfen können. Die Qualität solcher Hilfen muss man mit einem Fragezeichen in den Raum stellen. Ich bin derjenige Selbst der mein Denken und Handeln muss.
Depressionsform? 1
Depressionen haben schwache Menschen die ihr Leben nicht "im Griff" haben. BurnOut (Erschöpfungsdepressionen) haben Menschen die Höchstleistungen vollbracht haben... das ist gesellschaftlich anerkannter.
Man könnte auch sagen: "Die einzige gesellschaftlich anerkannte Form des Selbstmordes in Deutschland ist: sich zu Tode zu arbeiten."
Eine Depression ist eine Depression...fertig.
Es gibt (nicht wirklich) unterschiedliche Symptome, die zu diesem Syndrom und der entsprechenden Dignose führen und die Ursache liegt seltenst in der momentanen (z.B. Arbeits-)Situation. Diese ist nur der Trigger (Auslöser) für eine "Störung" die bis in die Kindheit zurückführen und (wenn man sich auf die wahren Ursachen einzulassen bereit ist) erfolgreich behandelt werden kann.
Warum ich dieser Meinung bin?
Ich war vor ca. 4 Jahren für knapp 4 Monate in einer "BurnOut"- Klinik (als Patient).
Meine Meinung ist das Ergebnis von vielen Gesprächen mit "Betroffenen", auch über die Zeit in der Klinik hinaus. Die Lösung ist nicht im "Außen" zu suchen, also nicht im Verändern des Systems oder der Bedingungen, sondern in uns und unserer Vergangenheit. Das Erkennen und be(ver-)arbeiten dieser "Störungen" unserer Geschichte verändert unsere Einstellung zu der aktuellen Situation und führt entweder dazu, dass ich damit umgehen kann und will oder sie verändere (z.B. Berufswechsel). Und wer jetzt meint, dass das nicht immer so einfach geht, hat recht. Aber dann bleibt man halt depressiv.
Wahre Ursache für Burn Out
Überlastung durch die Arbeit am Arbeitsplatz ist wohl nur ein vorgeschobener Grund für Burn Out. Vielmehr ist es zum Einen der Sittenverfall im Umgang miteinander, als auch die Enttabusisierung über psychische Erkrankungen zu sprechen, welcher für eine rapide Zunahme von Burn Out verantwortlich ist.
Wenn man im täglichen Leben sieht, was für eine Kultur in zwischenmenschlicher Sprache herrscht und wie ohne Moral versucht wird Kollegen, Schulkameraden, Bekannte fertigzumachen, das ist hier die wahre Ursache zu sehen. Die abgundtiefe schlechte Moral welche die Medien tagtäglich verbreiten, lassen die Gesellschaft in einer Weise verrohen die letztendlich nur zu ihrem Untergang führen kann. Solange Fernsehen und Radio nur noch nach Quote schielen, wird das so weiter gehen. Es muss eine moralische Zensur installiert werden.
Weniger Fernsehen und wenn dann moralisch einwandfrei.
Kein Mord und totschlag - keine Erniedrigung von Mitmenschen.
Pauschalisierungen, Vorurteile und Generalverdachte
Eine Psychische Erkrankungsgeschichte gilt als ein sehr schwerwiegendes Vermittlungshemmnis in der Arbeitsverwaltung. In den allermeisten Fällen bleibt nur die Beschäftigung in öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnissen auf dem dritten oder sogar vierten "Arbeitsmarkt". Dies hat jedoch zur Folge, dass eine psychische Erkrankung der garantierte Weg in die Langzeitarbeitslosigkeit und in die Altersarmut ist.
Grund dafür ist weniger der "Arbeitswille" der Erkrankten, sondern die massiven Vorbehalte und Vorurteile seitens der Arbeitgeber und den traditionell äußerst konservativ eingestellten Betriebswirten in den Personalabteilungen. Dort ist immer noch das Bild vom "gefährlichen Geisteskranken" weit verbreitet - oder das vom "schmarotzenden Faulpelz", der seinen Arbeitgeber "vorsätzlich" schädigt und dann bei der Frage des "Schadensersatzes" einfach mal "auf Psycho macht", so dass der Arbeitgeber auf den Kosten sitzen bleibt.
Weitere Vorbehalte und Vorurteile ergeben sich daraus, dass die Beschäftigung von "Geisteskranken" als rufschädigend gilt und es nicht selten ist, dass Konkurrenten so etwas als "Marketing-Instrument" im Wettbewerb zu nutzen versuchen: Bezeichnungen, wie "Mutter Teresa" oder "Gutmensch" sind schließlich heute schlimme Schimpfwörter, mit denen soziales Engagement und das Übernehmen von sozialer Verantwortung bloßgestellt werden. Unter Betriebswirten sind diese Begriffe die Vorstufe zum "Sozialismus-" oder gar "Kommunismus-Vorwurf".
Abiturientenjournalismus
"Ein Zusammenhang zwischen harten Arbeitsbedingungen und einer Depression bestehe selten.
Dies treffe nur auf 20 bis 30 Prozent der Fälle zu, sagt der Vorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Oft gilt das Gegenteil: Arbeit schützt vor psychischen Leiden. »Erwerbstätigkeit kann Psyche auch stärken«, meldete vergangene Woche die Bundespsychotherapeutenkammer und untermauerte dies mit epidemiologischen Daten der gesetzlichen Krankenversicherung."
Also diese Passage kommt mir extremst komisch vor.
Zunächst wird behauptet, dass ein Zusammenhang nur selten besteht, aber dann die Zahl von 30% genannt. Also bei mir sind 30% nicht wenig.
Dann wird behauptet, dass Arbeit psychisch stabilisiert. Das mag schon stimmen, aber wir reden hier nicht von Arbeit allgemein, sondern von stressiger oder extrem anstengender Arbeit.
Danach wird dann behauptet, dass das damit belegt würde, dass ja Arbeitslose 3-4x so häufig krank seien wie Erwerbstätige... eh ja das MUSS ja auch damit zu tun haben, dass Arbeit vor Krankheit schützt. Das kann ja auch auf KEINEN FALL damit zu tun haben, dass kränkliche und weinerliche Menschen weniger häufig Arbeit finden.
Verheiratete Menschen leben auch statistisch gesehen länger und das bedeutet auch nicht, dass man länger lebt, wenn man heiratet.
Und erneut versuche ich es ...
so lange Rentner, Hausfrauen, Arbeitslose in hohem Maß betroffen sind von den gleichen Symptomen wie Hochleistungs-Arbeiter, ist kein nennenswerter Zusammenhang auszumachen.
Und dazu noch: die Ehe verlängert das Leben von Männern, soweit ich las. Bei Frauen scheint das nicht zu funktionieren.