Konstantin Terytzes Team kann sich über Desinteresse an seiner Arbeit kaum beklagen. Kollegen rufen in der Freien Universität Berlin an, auch Kleingärtner, Gartenpfleger, Journalisten, die von dem "Superdünger", der "Wundererde", ja der "schwarzen Revolution" gehört haben. Neulich meldete sich ein Bauer per Handy aus der Kanzel seines Treckers und erbat eine telefonische Anleitung, wie er jetzt bitte auf dem Acker am besten vorgehen solle.
Dabei haben die Geografen und Biologen aus der Arbeitsgruppe Geoökologie doch gerade erst damit begonnen, das erhoffte Schlaraffenland der Bodenfruchtbarkeit zu erforschen, diese Terra Preta . Sie wollen wissen: Ist die Begeisterung über diese fruchtbare Schwarzerde , die jüngst ein Film des Schriftstellers Ingo Schulze mit befeuerte, nur die neueste Öko-Mode? Oder kann Terra Preta dazu beitragen, dass organische Abfälle und Nahrungsproduktion wieder zusammenkommen, dass Bauern neuen Boden unter den Füßen gewinnen?
Denn so viel ist unumstritten: Die Verarmung, Verwitterung und Vergiftung landwirtschaftlicher Nutzflächen ist eines der gravierendsten Ressourcenprobleme der Menschheit . Von den Great Plains der USA über ostdeutsche Äcker bis zum indischen Punjab: Vielerorts sind weite Ländereien ausgelaugt oder vom Winde verweht, geht der Boden schneller verloren, als er sich erneuern kann. Oft ist dies eine Folge schierer Not, weil arme Bauern Wälder roden und ihre Felder übernutzen. Aber auch der industrielle Intensivanbau verzehrt seine eigene Grundlage, immer neue Mengen Kunstdünger übertünchen das nur. Zudem werden Phosphat und Erdöl – Grundlage der Düngerproduktion – weltweit knapper und teurer. Lange wurde diese schleichende Bedrohung übersehen. Doch seit in der Klimadebatte auch der Stellenwert des Bodens als CO₂-Speicher Beachtung findet, beschäftigen sich Wissenschaftler stärker mit seiner Wiederherstellung und Pflege. Und so neuerdings mit Terra Preta .
Denn bei der Suche nach Lösungen erinnerten sich einige Experten an Beobachtungen aus Brasilien. Dort hatte man in den Ebenen des Amazonas Flecken fruchtbaren Bodens gefunden. Eine tiefschwarze, kohlenstoffreiche Erde, die seit vielen Jahrhunderten reiche Ernten hervorbringt. Eigentlich ein Rätsel, denn die Böden im tropischen Regenwald sind meist karg und nährstoffarm. Blätter und Äste im feuchtheißen Klima verrotten rasch, ohne groß Humus zu bilden; die Überreste werden vom vielen Regen fortgespült oder von anderen Pflanzen aufgebraucht. Außerdem liegt die terra preta do indio – portugiesisch für "schwarze Erde" – außerhalb der fruchtbaren Überschwemmungsgebiete großer Flüsse. Anders als natürliche Schwarzerden wie etwa in der Ukraine musste sie von Menschen gemacht sein. Aber wie?
Da konnten Bodenkundler von Archäologen lernen. Die hatten sich gefragt, wie die Reiche am Amazonas, von denen portugiesische Konquistadoren einst berichtet hatten, Hunderttausende Einwohner ernährt haben sollten. Tonscherben im Erdreich wiesen darauf hin, dass die Indios in großen Gefäßen einen geheimnisvollen Dünger angerichtet haben könnten: Sie sollen darin Reststoffe aus der Landwirtschaft, Fäkalien von Mensch und Tier sowie Lebensmittelabfälle unter Luftabschluss fermentiert haben.
Kommentare
In einem Buch von 1919
besser gesagt in einem Büchlein, Verfasser Leberecht Migge, werden bereits die Probleme der Verwendung von Kunstdünger (Chilesalpeter, es gab während des Krieges keinen, Blockade) und die Auslaugung des Bodens durch den Entzug von Nährstoffen, die mit der Schwemmkanalisation *weggespült* werden, thematisiert. Er bezifferte schon damals den Schaden auf Milliarden von Reichsmark.
Bereits er verweist auf die absolute Notwendigkeit, Abfälle nicht als solche zu betrachten, sondern umfassend zu kompostieren. Solche Hinweise sind vielfältig und immer wieder zu lesen. Neu ist in den letzten Jahren der *Terra- Preta- Hype*. Es existieren bereits Projekte, die diese Form der Kompostanreicherung mit Holzkohle (+Steinmehle) nutzen (z. B. hier: http://philippinen-projek...). Der Effekt ist augenscheinlich, die Ursache nicht ganz so klar. Was tuts?
Ein Problem entsteht: Die organischen Dünger wirken anders als Kunstdünger, sie sind eher Langzeitdünger, zudem kann unreifer Kompost Phytotoxine enthalten, die die Keimung hemmen. Das kann dazu führen, dass in den Anfangsjahren speziell bei hochgezüchtetem, leistungsfähigem Hybridsaatgut sich statt eines Mehrertrags ein Minderertrag einstellt bei organischer Düngung...
Alles nicht so einfach.
tendentiell oberflächlich gut aber im Grunde brandgefährlich (1)
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Ostdeutschland ist also Indien. Klar. Doch wo bleibt hier die Tatsache, daß selbst der EU der europäische Humusschwund nicht verborgenn geblieben ist und es seit Jahren zumindest Untersuchungen zur Schwächung unseres Agrarlandes gibt? Dies betrifft im Übrigen auch Flächen jenseits des Ostens. Freilich wird dies nicht in der industrienahen EU-Politik berücksichtigt, jedoch könnte man von einem solchen "umfassenden" Artikel erwarten, daß er darauf hinweist. Doch, alles Böse kommt immer nur aus dem Osten. Dieser unterschwelligen "Weisheit" entzieht ganz klar auch dieser Beitrag nicht. Leider.
Und Zauberkram ist Biokohleherstellung ebenfalls - wenn es keine EU-konforme industrielle Herstellung ist. Unglaublich, welche Botschaft ein im Grunde recht guter Artikel hier verbreitet. Die Komponenten sind benannt - aber leider nicht in diesem Artikel; doch, wenn es keine europäisch-industrielle und vor allem zentrale Herstellung gibt, ist es schlecht für uns, so die Botschaft.
(tbc)
Gekürzt. Bitte verzichten Sie auf Beleidigungen. Danke, die Redaktion/mk
tendentiell oberflächlich gut aber im Grunde brandgefährlich (2)
...
Ein Bericht sollte kein Fazit bennenen, ein Artikel kann dies, doch die Botschaft sollte wohlbedacht sein. Ist das wirklich das Ergebnis der Recherche? Schade. Dieses Thema und sogar dieser Artikel könnten einen Beitrag zum Umdenken all derer leisten, für den er wohl augenscheinlich gedacht ist.
Schade, daß es keine Journalisten mehr gibt.